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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0412
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Straßburg

ten evangelischen, wie dan auch bey innen, den wi-
derteuffern, der catechismus nachgelaßen151 und nit
fleisig ist gehalten worden und die kinder, wan sie
jetz erwachsen und zu irem verstendigen alter kom-
men sind, nit sind angehalten, das sie offentlich fur
der kirchen bekantnuß ires glaubens theten und sich
in der kirchen und aller lieben christen zuchtt und
warnung frey willig ergeben, darauß hernacher er-
volgett, die weil die jugentt verwentt, an alle
gottesforchtt ist aufferzogen worden, auch die |87|
haupttstuckh und das fundament christlicher reli-
gion nit gewißtt noch köndt hatt, das es den pfar-
herren und seelsorgern unmüglich geweßen, mit sol-
chen rowen und unverstendigen leuthen nur ettwas
ordnung und zuchtt, damit den offentlichen lastern
und sünden gewörtt wurde, in der kirchen anzurich-
ten.
Nun ist diß ein alt herkommen und bey dem volck
Gottes im Alten Testament breuchlich gewesen wie
dan auch in der ersten christlichen kirchen gleich
nach der apostell zeitt, das die kinder nach der be-
schneydung und entpfangnen tauf in irem unmün-
digen alter hernacher mit besonderm fleiß und ernst
im gesatz durch die leviten in iren sinagogen und der
christenn kinder, so bald sie zu verstendigem alter
kommen, von den catechistis152 die hauptstuckh
christlicher lehr sind underwißen und gelerett wor-
den, die sey153 den offentlich in dem tempel zu Hie-
rusalem zu den dreien hohen festen154 und die ge-
taufften kinder in |88| denen gemeinden und kirchen,
da sie den h. tauff enttpfangen, bekantt und erzelett
haben, uff welches, gleich wie der juden kinder
durch die opffer und andere ceremonien, also sind
auch der christen kinder mit dem hennd auflegenn
unnd christlichem gebett dem volckh Gottes unnd
der christlichen gemein auffgenommen unnd beste-
tigt worden etc.o
n Korr. aus: christlichen.
o Gestr.: Darauff folget.

151 Vernachlässigt, s. Grimm, DWb 13, Sp. 85f.
152 Katecheten, s. Sleumer, KlWb, S. 196.
153 Sie (die Form sey wird auch im weiteren Text häufig be-
nutzt).
154 Vgl. 5Mos 16,1-17 (das Passa, das Wochen- oder Ernte-
fest, das Laubhüttenfest).

Solche christliche und gantz notwendige ceremoni in
der kirchen wider anzurichten, die getaufften kin-
der, nach dem sie jetz den catechismum erlernett,
offentlich der kirchen furzustellen und die nach ge-
thoner bekantnuß und freywilligem ergeben in die
zucht und gehorsame der kirchen mit hennd auffle-
gung unnd dem gleubigen gebett dem herren, un-
serm Gott, und seiner lieben gemeind zubefelhenn,
ists in der pfarrkirchen zu sanct Clauß155 bißher also
gehalten worden. |89|
Forma, wie die confirmationn mit den kindern
in dem kirchspil zu sant Clauß gehalten wurdt
Zum ersten. Acht tag vor dem Sontag, an dem die
kinder sollen furgesteltt werden, kommen sey alle
tag ein stund in die kirchen und erzelen da den gant-
zen catechismum nach ordnung, damit sie, wol er-
übtt, nirgennd anstoßen156. Unnd dan auff den Son-
tag, am morgen in der ampttpredig157, verkundigt
der pfarherr, das etliche kinder nach mittag, die nun
iren catechismum gelernett, bekantnuß ires glau-
bens thun werden, vermant derhalben die gantze
gemein, das sie ein sollichs anzuhören fleißig er-
scheinen, in sonderheit aber der kinder eltern
samptt derselben pfetter und göttlin158, die sie auß
der h. tauff gehaben und an iren statt zugesagtt und
versprochenn, wan sie nun erwachsenn und zu ver-
stendigem alter kommen, das sie solche bekantnuß
ires glaubens fur der kirchen thun sollen etc.
Zum andren. Nach mittag, umb ein ur, so |90| leutt
man das erste zeichen mit einer glocken uff ein vier-
teile einer stundt, nach welchem der kirchendiener
vom altar lißett 2 oder 3 capittell auß der Bibel mit
den Summariis Viti Dietherichs159 etc.

155 Zur Gemeinde St. Nikolaus, deren Pfarrer Marbach in
den Jahren 1545-1557 war, s. die Einleitung S. 28.
156 Stammeln, Stottern, s. FWb 1, Sp. 1500.
157 Hauptgottesdienst.
158 Paten und Patinnen. Zu pfetter s. FWb 4, Sp. 155.
159 Veit Dietrich, * 1506 in Nürnberg, † 1549 ebendort, stu-
dierte ab 1522 an der Universität Wittenberg. 1528 kam
er in das Haus Luthers und wurde dessen Sekretär; 1529
nahm er am Marburger Religionsgespräch teil; 1530 be-

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