Grafschaft Hanau-Lichtenberg
Massenflucht29. Als der Hanauer Amtmann in Willstätt den Eckartsweierer Georg Hörder gefangennahm,
der das Straßburger Bürgerrecht erworben hatte, kam es sogar zur Belagerung und Beschießung des gräf-
lichen Schlosses in Willstätt durch Straßburger Truppen. Philipp III. verklagte daraufhin die Stadt wegen
Landfriedensbruch vor dem Reichskammergericht30.
In der Folge unterband der Graf alle reformatorischen Ansätze. So entließ er 1527 den Buchsweiler
Kanzleischreiber Johannes Englisch wegen seiner evangelischen Ansichten aus dem Dienst; Englisch wurde
später Helfer von Matthäus Zell am Straßburger Münster31. Bei Strafe wurde die Einhaltung der traditio-
nellen Feiertage mit allen Zeremonien geboten32. Seine eigenen Töchter Christophora, Amelia und Felicitas
sandte der Graf 1526 als Nonnen in das Kloster Marienborn bei Büdingen in Hessen33.
Erst unter Philipp IV., der nach dem Tod seines Vaters 1538 die Regentschaft angetreten hatte, fand die
Reformation Eingang in die Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Philipp IV. war mit der evangelischen Gräfin
Eleonora von Fürstenberg (| 1544) verheiratet34. In der von seinen Verwandten regierten Grafschaft
Hanau-Münzenberg waren in den vierziger Jahren des 16. Jh. die meisten Gemeinden bereits evange-
lisch35. Fördernd wirkte sicherlich aber auch die Annäherung zwischen Philipp IV. und der Stadt Straß-
burg36. Straßburg und seine Theologen, allen voran Martin Bucer, spielten gerade in der Anfangsphase der
Reformation der oberen Grafschaft eine entscheidende Rolle. Eine eigene Entwicklung nahm die untere
Grafschaft.
Als Reformator der unteren Grafschaft, also des hessischen Teils, gilt Erasmus Alber. Aus Windecken in
der Wetterau stammend, hatte Alber Anfang der zwanziger Jahre bei Luther in Wittenberg studiert.
Danach war er zunächst Lehrer in Büdingen, Oberursel und Eisenach, bevor er 1528 eine erste Pfarrstelle in
Sprendlingen (Dreiech) erhielt. In Brandenburg-Küstrin führte er 1537 die Reformation ein. Es folgte eine
Tätigkeit als Pfarrer im brandenburgischen Neustadt bei Kurfürst Joachim II., dann im hessischen Staden.
Von dort wurde Alber zum 1. November 1544 nach Babenhausen berufen. In einem Brief vom 10. April
1545 berichtete er Philipp IV. begeistert vom Erfolg der Predigt des Evangeliums und von der Abschaffung
der Messe in Babenhausen. Streit mit dem Grafen führte aber nach nur einem Jahr der Wirksamkeit zu
Albers Entlassung37. Albers Werk setzte der Nassau-Dillenburger Hofprediger und Superintendent Erasmus
Sarcerius fort, der Ende 1545 nach Babenhausen kam38. Neben Babenhausen wurden in der zweiten Hälfte
29 Vgl. Weber, Lichtenberg, S. 205f.
30 Vgl. ausführlich Beinert, Geschichte, S. 146-154.
31 Zu Johannes Englisch (Anglicus) s. das Biogramm in
Sehling, EKO XX,1, S. 452, Anm. 43.
32 Vgl. Beinert, Geschichte, S. 145. Gleichzeitig aber
untersagte Philipp III. das Abhalten der Totenmessen.
33 Christophora von Hanau-Lichtenberg war die letzte
Abtissin des Zisterzienserinnenklosters Marienborn. Am
20. Februar 1559 übergab sie das Kloster mit allen Ein-
künften an den Grafen Reinhard von Isenburg-Büdin-
gen. Vgl. Hans Thorald Michaelis, Die Grafschaft
Büdingen im Felde der Auseinandersetzungen um die
relgiöse und politische Einheit des Reiches (1517-1555),
Darmstadt 1965 (= JHKGV 16), S. 108-116.
34 Zu der von Straßburg beeinflußten Reformation in der
Herrschaft Fürstenberg (Baden-Württemberg) s. Seh-
ling, EKO XVI, s. 641-650.
35 In einer Reihe von Orten (Hanau, Münzenberg, Nau-
heim) hatte es bereits in den zwanziger Jahren des 16.
Jh. starke reformatorische Bewegungen gegeben, vgl.
Dietrich, Landes-Verfassung, S. 17 und 141; Seh-
ling, EKO X, S. 372.
36 Die politischen Streitigkeiten zwischen den Grafen von
Hanau-Lichtenberg und der Stadt Straßburg wurden
1547 im Hagenauer Abschied beigelegt. Vgl. Weber,
Lichtenberg, S. 238.
37 Zu Erasmus Alber s. TRE 2, S. 167-170; Stupperich,
Reformatorenlexikon, S. 20f.; Mbw R 11 (Personen),
S. 49. Zur Entlassung Albers (ein Hauptgrund war das
von ihm verfaßte Werk „Virtutes comitis“) vgl. das
Rechtfertigungsschreiben des Grafen an Luther und
Melanchthon vom 21. Oktober 1545 in Luther, WA
Briefe 11, Nr. 4163, S. 202-206 sowie Melanchthon,
Briefwechsel R 4, Nr. 4041.
38 Zu Erasmus Sarcerius vgl. RGG4 7, Sp. 838; ADB 33,
S. 727-729; BBKL 8, Sp. 1361-1363; Reformatoren im
Mansfelder Land: Erasmus Sarcerius und Cyriakus
Spangenberg, hrsg. von Stefan Rhein, Leipzig 2006
(= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sach-
sen-Anhalt 4).
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Massenflucht29. Als der Hanauer Amtmann in Willstätt den Eckartsweierer Georg Hörder gefangennahm,
der das Straßburger Bürgerrecht erworben hatte, kam es sogar zur Belagerung und Beschießung des gräf-
lichen Schlosses in Willstätt durch Straßburger Truppen. Philipp III. verklagte daraufhin die Stadt wegen
Landfriedensbruch vor dem Reichskammergericht30.
In der Folge unterband der Graf alle reformatorischen Ansätze. So entließ er 1527 den Buchsweiler
Kanzleischreiber Johannes Englisch wegen seiner evangelischen Ansichten aus dem Dienst; Englisch wurde
später Helfer von Matthäus Zell am Straßburger Münster31. Bei Strafe wurde die Einhaltung der traditio-
nellen Feiertage mit allen Zeremonien geboten32. Seine eigenen Töchter Christophora, Amelia und Felicitas
sandte der Graf 1526 als Nonnen in das Kloster Marienborn bei Büdingen in Hessen33.
Erst unter Philipp IV., der nach dem Tod seines Vaters 1538 die Regentschaft angetreten hatte, fand die
Reformation Eingang in die Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Philipp IV. war mit der evangelischen Gräfin
Eleonora von Fürstenberg (| 1544) verheiratet34. In der von seinen Verwandten regierten Grafschaft
Hanau-Münzenberg waren in den vierziger Jahren des 16. Jh. die meisten Gemeinden bereits evange-
lisch35. Fördernd wirkte sicherlich aber auch die Annäherung zwischen Philipp IV. und der Stadt Straß-
burg36. Straßburg und seine Theologen, allen voran Martin Bucer, spielten gerade in der Anfangsphase der
Reformation der oberen Grafschaft eine entscheidende Rolle. Eine eigene Entwicklung nahm die untere
Grafschaft.
Als Reformator der unteren Grafschaft, also des hessischen Teils, gilt Erasmus Alber. Aus Windecken in
der Wetterau stammend, hatte Alber Anfang der zwanziger Jahre bei Luther in Wittenberg studiert.
Danach war er zunächst Lehrer in Büdingen, Oberursel und Eisenach, bevor er 1528 eine erste Pfarrstelle in
Sprendlingen (Dreiech) erhielt. In Brandenburg-Küstrin führte er 1537 die Reformation ein. Es folgte eine
Tätigkeit als Pfarrer im brandenburgischen Neustadt bei Kurfürst Joachim II., dann im hessischen Staden.
Von dort wurde Alber zum 1. November 1544 nach Babenhausen berufen. In einem Brief vom 10. April
1545 berichtete er Philipp IV. begeistert vom Erfolg der Predigt des Evangeliums und von der Abschaffung
der Messe in Babenhausen. Streit mit dem Grafen führte aber nach nur einem Jahr der Wirksamkeit zu
Albers Entlassung37. Albers Werk setzte der Nassau-Dillenburger Hofprediger und Superintendent Erasmus
Sarcerius fort, der Ende 1545 nach Babenhausen kam38. Neben Babenhausen wurden in der zweiten Hälfte
29 Vgl. Weber, Lichtenberg, S. 205f.
30 Vgl. ausführlich Beinert, Geschichte, S. 146-154.
31 Zu Johannes Englisch (Anglicus) s. das Biogramm in
Sehling, EKO XX,1, S. 452, Anm. 43.
32 Vgl. Beinert, Geschichte, S. 145. Gleichzeitig aber
untersagte Philipp III. das Abhalten der Totenmessen.
33 Christophora von Hanau-Lichtenberg war die letzte
Abtissin des Zisterzienserinnenklosters Marienborn. Am
20. Februar 1559 übergab sie das Kloster mit allen Ein-
künften an den Grafen Reinhard von Isenburg-Büdin-
gen. Vgl. Hans Thorald Michaelis, Die Grafschaft
Büdingen im Felde der Auseinandersetzungen um die
relgiöse und politische Einheit des Reiches (1517-1555),
Darmstadt 1965 (= JHKGV 16), S. 108-116.
34 Zu der von Straßburg beeinflußten Reformation in der
Herrschaft Fürstenberg (Baden-Württemberg) s. Seh-
ling, EKO XVI, s. 641-650.
35 In einer Reihe von Orten (Hanau, Münzenberg, Nau-
heim) hatte es bereits in den zwanziger Jahren des 16.
Jh. starke reformatorische Bewegungen gegeben, vgl.
Dietrich, Landes-Verfassung, S. 17 und 141; Seh-
ling, EKO X, S. 372.
36 Die politischen Streitigkeiten zwischen den Grafen von
Hanau-Lichtenberg und der Stadt Straßburg wurden
1547 im Hagenauer Abschied beigelegt. Vgl. Weber,
Lichtenberg, S. 238.
37 Zu Erasmus Alber s. TRE 2, S. 167-170; Stupperich,
Reformatorenlexikon, S. 20f.; Mbw R 11 (Personen),
S. 49. Zur Entlassung Albers (ein Hauptgrund war das
von ihm verfaßte Werk „Virtutes comitis“) vgl. das
Rechtfertigungsschreiben des Grafen an Luther und
Melanchthon vom 21. Oktober 1545 in Luther, WA
Briefe 11, Nr. 4163, S. 202-206 sowie Melanchthon,
Briefwechsel R 4, Nr. 4041.
38 Zu Erasmus Sarcerius vgl. RGG4 7, Sp. 838; ADB 33,
S. 727-729; BBKL 8, Sp. 1361-1363; Reformatoren im
Mansfelder Land: Erasmus Sarcerius und Cyriakus
Spangenberg, hrsg. von Stefan Rhein, Leipzig 2006
(= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sach-
sen-Anhalt 4).
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