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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0049
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Einleitung

der vierziger Jahre auch Schaafheim, Langstadt, Dietzenbach, Dudenhofen und Kleestadt evangelisch; in
anderen Orten (z.B. in Altheim) konnte sich die Reformation erst später durchsetzen39.
In der oberen Grafschaft, d.h. den im Elsaß und in der Ortenau gelegenen Gebieten, wird der Beginn der
Reformation mit der Berufung Theobald Groschers zum Hofprediger in Verbindung gebracht. Im Unter-
schied zu Erasmus Alber ist von Groscher nur wenig bekannt40. Groscher (* um 1518 ?) war vor seiner
Berufung nach Buchsweiler Geistlicher in dem kleinen, westlich von Brumath gelegenen Dorf Hohatzen-
heim gewesen. In Buchsweiler beschränkte sich sein Tätigkeitsbereich zunächst nur auf den Hof. Nachdem
es 1541 während der großen Pestwelle aber zu Klagen von seiten der Gläubigen über die mangelnde geist-
liche Versorgung gekommen war und das Stift Neuweiler als Inhaber der Kollatur keine Anstalten zur
Beseitigung der Mißstände machte, übertrug Philipp IV. Groscher auch die Pfarrei Buchsweiler. Von Gro-
scher stammt eine Denkschrift, in welcher er den Grafen, der doch in seinen Landen das Evangelium rein und
lauter predigen zu lossen schuldig und gutwillig sei, dringend aufforderte, die Messe als einen greulichen
Mißbrauch dess Nachtmohls Christi abzuschaffen41.

1. Acht Reformationsartikel, 14. März [15]45 (Text S. 37)
Bereits im Mai 1543 hatte Kaspar Hedio dem Basler Antistes Oswald Myconius in einem Schreiben von der
Bereitschaft des Grafen von Hanau-Lichtenberg zur Einführung der Reformation berichtet, wenn dieser für
die Aufgabe geeignete Theologen finde42. Philipp IV. scheint sich in der Folge durch Philipp Hess um Hilfe
an Bucer und die Straßburger Pfarrerschaft gewandt zu haben. Am 14. März 1545 entsandte Bucer nämlich
drei Prediger nach Buchsweiler: Lorenz Ofner, Anselm Pflüger und Christoph Söll. Diese überreichten dem
Grafen zwei Werke Bucers, verjertiget von gemeiner reformatio43. In Buchsweiler fand ein Treffen der drei
Theologen mit Groscher und dem Sekretär des Grafen Johannes Fleischbein statt, bei dem Fragen zur
Organisation der Reformation in der Grafschaft besprochen wurden. Die Grundlage des Gesprächs bildeten
die acht Artikel44. Der wichtigste Punkt war dabei die Übernahme der sogenannten „Kölnischen Refor-
mation“ für die Grafschaft Hanau-Lichtenberg45. Mit der „Kölnischen Reformation“ war die von Martin
Bucer in Zusammenarbeit mit Philipp Melanchthon 1543 im Auftrag des Erzbischofs Hermann von Wied
für das Erzstift Köln entworfene Schrift „Einfaltigs Bedencken, worauf eine christliche, im Wort Gottes
gegründete Reformation [....] anzurichten sei“, gemeint46. Die Gottesdienste und anderen Zeremonien soll-
ten entsprechend den Vorgaben dieser Schrift gestaltet werden. Da das „Bedencken“ keinen eigenen Kate-

39 Vgl. Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch für die
acquirierten Lande, S. 11-13.
40 Vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 1821. Die häufig in der Lite-
ratur erwähnte Freundschaft Groschers zu Luther und
Capito hat zumindest in den entsprechenden Korrespon-
denzen der Reformatoren keinen Niederschlag gefunden.
41 Zitat nach Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 88f. Die
aus dem September 1544 stammende Denkschrift
scheint nicht mehr erhalten zu sein.
42 Vgl. dazu das Schreiben von Myconius an Bullinger in
Bullinger, Briefwechsel 13, Nr. 1746, S. 139.
43 Brief Bucers an Graf Philipp IV. von Hanau-Lichten-
berg vom 14. März 1545 (masch. Rott): wie E. G. etlicher
tauglicher bewerter Diener des h. Evangelii [...] begere an
die fürneme Ort Ihrer Herrschaft zu verordnen. Zu den drei
entsandten Theologen vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 3850,
3985, 4938: Christoph Söll übernahm das Pfarramt in
Kirrweiler (Kirrwiller). Anselm Pflüger wurde Pfarrer in
Willstätt; er trieb in den rechts des Rheins gelegenen
Gemeinden der Grafschaft die Reformation stark voran.
Lorenz Ofner kehrte dagegen nach Straßburg zurück.

44 Gemeinsamer Bericht von Ofner, Pflüger und Söll an
Bucer vom 14. März (masch. Rott): convenimus [...], ut
pure evangelium doceamus et istos articulos studiose obser-
vamus, de quibus domi inter nos sermo juit, quosque domi-
nus frater Anshelmus, si forte videre velles, consignavit.
45 Die Übernahme der „Kölnischen Reformation“ ist sogar
in der Grabinschrift Philipps IV. festgehalten: In sein
Landt in Religion / richt er die cölnisch Ordnung an,
zitiert aus Max Ebell, Perlen der Sandstein-Vogesen.
Streifzüge durch Zabern und seine Umgebung, Straß-
burg 1908, S. 66 (Hinweis von Pfr. Dr. Bonkhoff).
46 Edition in Bucer, Deutsche Schriften 11,1, S. 147-432
(Gliederung ebd., S. 168f.). Zum Inhalt der Schrift vgl.
Mechtild Köhn, Martin Bucers Entwurf einer Refor-
mation des Erzstiftes Köln. Untersuchung der Entste-
hungsgeschichte und der Theologie des „Einfaltigen
Bedenckens“ von 1543, Witten 1966 (= UKG 2), zum
historischen Hintergrund vgl. Greschat, Bucer,
S.208-221.

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