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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0175
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Einleitung

I. Die Stadt Mülhausen
A. Geschichte und Verfassung
Mülhausen (Mulhouse) findet erstmals in zwei Urkunden aus den Jahren 803 und 823 Erwähnung, in denen
Höfe und Eigenleute der Abteien Fulda und Masmünster (Masevaux) in Mulinhuson bzw. Mullenhusen
genannt werden1. Vermutlich war zu dieser Zeit auch schon die Abtei St. Stephan in Straßburg hier begü-
tert. Als nämlich Kaiser Heinrich II. 1003 dem Straßburger Bischof Wernher die Güter der Abtei St.
Stephan zur Verwaltung und Nutznießung übertrug, waren darunter auch Besitzungen in Mülhausen. Sie
bildeten die Grundlage für die Entwicklung der Herrschaft der Straßburger Bischöfe über Mülhausen2. In
der zweiten Hälfte des 12. Jh. bestand neben dem Besitz des Bischofs nur noch der des Königs. Auf seinem
Allod legte Friedrich I. die spätere Unterstadt an, die er als Station auf dem Weg zwischen seinem Hausgut
in Schwaben und Burgund plante3. Als civitas erscheint Mülhausen erstmals 12334. In der Folge kam es zum
Streit über die Abgrenzung der beiderseitigen Rechte zwischen den Bischöfen und den Königen. In einem
1236 zwischen Friedrich II. und Bischof Berthold I. von Teck abgeschlossenen Vertrag verlieh der Straß-
burger Bischof dem König die Stadt Mülhausen mit der Vogtei, dem Zehnten, der Gerichtsbarkeit, dem
Patronat der Pfarrkirche und allen anderen Rechten als beständiges bischöfliches Lehen5. Während der Zeit
des Interregnums zog der Bischof das Lehen aber wieder an sich6. Die Errichtung einer bischöflichen Burg
und der wachsende Druck des bischöflichen Vogtes führten 1261 zum Aufstand der Bewohner. Mit der
Unterstützung Graf Rudolfs von Habsburg eroberten die Einwohner die Burg7. In einem 1274 geschlosse-
nen Vertrag trat der Bischof Mülhausen wieder als Lehen an Rudolf von Habsburg als neuem König ab8.
Ein Jahr später befreite der König die Stadt von der fremden Gerichtsbarkeit mit der Verleihung des
Privilegium de non evocando9. Durch Rudolfs Nachfolger, Adolf von Nassau, erhielt Mülhausen 1293 ein
erstes Stadtrecht10. Bis 1308 war es jedoch weiterhin ein Lehen der Straßburger Bischöfe; erst dann ging die
Stadt durch einen Gebietstausch zwischen Bischof Ludwig von Thierstein und dem neugewählten König
Heinrich VII. von Luxemburg vollständig in den Besitz des Reiches über11. 1407 erwarb Mülhausen schließ-
lich um 1000 Gulden vom König das Schultheißenamt mit allen Rechten und Gefällen12. Mit dem Kauf von

1 Vgl. den Abdruck und die Analyse der Urkunden in
Marcel Moeder, Essai sur l’histoire de Mulhouse
aux VIIIe et IXe siècle, in: BHMH 44 (1924), S. 12-17
und 21f.
2 Vgl. Moeder, Institutions, S. 2f.
3 Friedrich I. Barbarossa hielt sich zweimal, 1153 und
1186, in Mülhausen auf, vgl. Mossmann, Cartulaire 1,
Nr. 3 und 4, S. 2. Die Unterstadt im Nordosten beher-
bergte das Rathaus und die anderen kommunalen
Gebäude sowie die Markthallen und die Pfarrkirche. In
der flächenmäßig größeren Oberstadt im Südwesten
stand dagegen die Burg des Bischofs; hier befanden sich
auch die Höfe des Adels, vgl. Moeder, Institutions,
S. 26f. und Livet, Histoire de Mulhouse, S. 23f.
4 Vgl. Livet, Histoire de Mulhouse, S. 22f.
5 Abdruck des Vertrags in Mossmann, Cartulaire 1,

Nr. 10, S. 6-9 (der Mülhausen betreffende Passus auf
S. 7).
6 Bischof Heinrich von Stahleck garantierte der Stadt
zwar 1255 ihre Freiheiten, sein Nachfolger Walter von
Geroldseck wollte die Zusage jedoch nicht erneuern.
7 Vgl. Moeder, Institutions, S. 4.
g Vgl. Livet, Histoire de Mulhouse, S. 28f.
9 Mossmann, Cartulaire 1, Nr. 106, S. 81f.
10 Ebd., Nr. 121. Zu diesem Stadtrecht vgl. Moeder,
Institutions, S. 9f. und Livet, Histoire de Mulhouse,
S. 30.
11 Abdruck des Vertrags in Mossmann, Cartulaire 1,
Nr. 139 und 140, S. 107f. Vgl. auch Moeder,
Institutions, S. 10: Erst mit diesem Schritt wurde Mül-
hausen im vollen Sinne Reichsstadt.
12 Mossmann, Cartulaire 1, Nr. 454, S. 442f.

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