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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0072
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Grafschaft Hanau-Lichtenberg

Sünd leid sein, an Christum glauben und ihr leben
zuo besseren begeren, vergebung aller ihrer Sünd,
Gottes gnad und barmhertzigkeit und das ewig le-
ben, durch unsern Herren Jhesum Christum, Amen.
Nach beschehener Absolution spreche der Kirchen-
diener:
Jetzgehörter loßsprechung von Sünden sollen
sich allein die Bußfertigen und Gleubigen von hert-
zen trösten und festiglich glauben, ihre Sünd seien
ihnen auch im Himmel verziehen. Aber die Unbuß-
fertigen sollen wissen, das unser Herr Christus be-
fohlen hat, ihnen ihre Sünde zubehalten30. Auß di-
sem ernsthafften befehl unsers Herren Jhesu Christi
verkündige ich allen Unbußfertigen, unglaubigen
und gottlosen Menschen Gottes zorn, ungnad und
die ewige verdamnuß, biß so lang sie sich bessern.
Nach geschehener offner Beicht lese der Pfarherr die
gewönlich Sontags oder Feirtags Epistel mit eyner
vorgehenden kurtzen Summarien31. Auff die Epistel
fang der Schulmeyster den Glauben an teutsch, im
Sommer den grossen mit dreyen gesetzen32, im Win-
ter den kleinen: Ich glaub in Gott Vater etc.33Oder
aber singt man |5| von Ostern biß Ascensionis: Christ
ist erstanden34, Von Ascensionis biß Pfingsten:
Christ fur auff gehn Himmel35, Von Pfingsten biß
Weyhenachten: Nun bitten wir den Heiligen Geist,
mit den folgenden gesetzen36, Von Weyhenachten
biß Purificationis: Ein kindelein so löbenlich37, Oder
was je nach gelegenheyt der zeit der Kirchen am
fruchtbarlichsten ist.

30 Vgl. Joh 20,23.
31 Möglicherweise handelt es sich hierbei um die weitver-
breiteten „Summarien“ Veit Dietrichs. Dietrich hatte
1544 „Summarien“ zum Neuen Testament veröffent-
licht, drei Jahre nach ihnen die zum Alten Testament.
Vgl. die Erläuterungen in Sehling, EKO XX,1, S. 397,
Anm. 159.
32 Strophen, s. FWb 6, Sp. 1496f.
33 Von Matthäus Greiter, s. Straßburger Gesangbuch
(1541), Bl. Hv-Kr.
34 Dieses um 1100 entstandene Osterlied wurde auf Veran-
lassung Luthers in das Klugsche Gesangbuch von 1529

Demnach folge die Predig auff der Cantzel auff fol-
gende weiß:
Erstlich bete man das Vater unser. Auff das Ge-
bet lese der Pfarherr das gewonlich Evangelium,
welchem folge so bald ein Christliche außlegung.
Und sol der Pfarherr sein Predig nicht auff schelt-
wort, rachgirigkeit und dergleichen, auch nicht spit-
zige38, hohe, scharffe sachen oder Fragen, vil weni-
ger auff Fabeln oder sonst kindische ding, sondern
uff die ehre Gottes, der Kirchen und besonders der
Zuhörer, so in dieselbige Pfar gehören, nutz und
fruchtbarkeyt auff das einfeltigest und verstendigst
richten.
Nach der Predig geschehe das gemein Gebet auff
folgende weiß:
Lieben freund, Dieweil wir beyeinander versam-
let sein und Gottes wort gehöret haben, so wöllen
wir alle not der gantzen Christenheit unserm Herr-
gott fürtragen, ihne bitten, er wöll uns gnedig und
barmhertzig sein, alles geben, was uns nutz und not
ist, zur leibes notturfft und zur seelen seligkeit:
Am ersten so bittet für das Geistlich, das unser
lieber Herrgott uns sein heiligs wort wölle lassen
predigen und gnad verleihen, das wir solches gerne
hören, mit dem hertzen glauben und unser leben |6|
darnach richten, auch alle die jenigen, so von solchs
Worts wegen in jamer, elend und widerwertigkeit
stecken, trösten, stercken und auß allem jamer und
elend erretten. Er wölle auch alle, so noch in fin-
sternuß, irrthumb und abgötterey stecken, gnedig-
lich durch sein Wort und Heiligen Geist erleuchten
und zu erkantnuß der warheit bringen39, auff daß sie
mit uns und wir mit ihnen mögen selig werden.

aufgenommen. Von dort gelangte es in den evangelischen
Kirchengesang. Vgl. AWA 4, Nr. 32, S. 109 und 285f. und
das Straßburger Gesangbuch (1541), S. LXXXVIIf.
35 Vermutlich in der von Bucers Famulus Christoph Söll
geschaffenen Form, die erstmals in dem von Wolfgang
Köpfel gedruckten Straßburger Gesangbuch von 1545
erscheint, s. Wackernagel 3, Nr. 1143, S. 955.
36 Wackernagel 3, Nr. 28, S. 18; AWA 4, Nr. 19, S. 76f.
und 223-225; Straßburger Gesangbuch (1541), S. III-V.
37 Wackernagel 3, Nr. 573, S. 520f. (von Hans Ober).
38 Spitzfindige, s. Grimm, DWb 16, Sp. 2632.
39 Vgl. Joh 16,13 und 1Tim 2,4.

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