Einleitung
gen werden und die Leute im Anschluß an ihre Arbeit zurückkehren dürfen; letzteres gerade auch mit Blick
auf die Tagelöhner70. Nicht aufgeführt unter den Festen, für deren Beibehaltung Geschmus in seinem
Ratschlag plädiert, sind die Marienfesttage71. An ihnen wollte aber der Rat weiterhin festhalten. In seiner
Verordnung sind schließlich insgesamt 15 Festtage gestrichen, die nit mer gebotten werden zu feyren noch für
feyrtag gehalten. Unter den gestrichenen Tagen befand sich auch das Fest der Kirchweihe des Basler Mün-
sters, das am 11. Oktober jeden Jahres begangen wurde. Die Entfernung der Kirchweihe der Mutterkirche
aus dem Festkalender ist auch ein Ausdruck der langsamen Ablösung vom Bistum Basel, zu dem die
Mülhauser Pfarrei gehörte.
Mit der Übernahme der Basler Reformationsordnung im Jahr 1529 wurde die Zahl der Feiertage dann
drastisch auf die Sonntage und die vier Hauptfeste Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten
reduziert (s. Nr. 10, S. 214f.).
5. Anweisungen für den Schulmeister und die Kapläne, 28. April 1524 (Text S. 197)
Bei dem Erlaß des Rates vom 28. April 1524 handelt es sich um einen ersten Versuch zur Neugestaltung der
Gottesdienste, vor allem des Offiziums sowie der Jahrzeitmessen und Vigilien. Sowohl das Offizium als auch
die Feier der Anniversarien gerieten in der Reformation als nicht schriftgemäß und als verdienstliches Tun
in die Kritik. Wie die Verordnung zu den Prozessionen und Feiertagen geht auch dieser Erlaß auf das
Gutachten von Augustin Geschmus zurück. Der Kaplan der Stephanskirche hatte in seinem Ratschlag die
Forderung erhoben, die Gottesdienste nach dem Willen Gottes und der Hl. Schrift auszurichten. Geschmus
strebte eine Vereinfachung der verschiedenen gottesdienstlichen Formen an. Ein Teil seiner Vorschläge
zielte dabei auf eine Reduzierung des Offiziums ab72. In der Woche sollte an die Stelle der Matutin eine
Predigt oder eine Lesung aus der Schrift treten und die Matutin in der gewohnten Form - als Zugeständnis
an die „Schwachen“ - nurmehr an den Sonn- und Feiertagen begangen werden. Die Terz und Sext sollten
ersatzlos gestrichen werden, ebenso eine der beiden morgendlichen Messen73.
Geschmus’Vorschläge beinhalteten auch eine Neufassung der Aufgaben der Kapläne74: Für die Ent-
lastung bei der Matutin sollten die als Wochenherren fungierenden Kapläne den Schulmeister beim Singen
des Hochamtes (Fronmesse) an den Wochentagen unterstützen. Auch das Singen der Nonen nach der Messe
fiel neu in den Aufgabenbereich der Wochenherren. Die Änderungen bedeuteten eine Erleichterung für den
Schulmeister und die Schüler, die diese Aufgaben bislang wahrgenommen hatten. Nach Geschmus’Plänen
sollten die Schüler zum Singen nur noch bei den Sonntagsgottesdiensten sowie bei den Vespern am Samstag
und an den Vorabenden von Festen verpflichtet sein, um sich so stärker auf die Schule konzentrieren zu
können. Da die Hl. Schrift keine Nachrichten über Totenämter enthielt, wollte Geschmus die Jahrzeitmes-
sen und Vigilien eigentlich vollständig streichen. Mit Blick auf die „Schwachen“ riet er den Ratsherren
jedoch zu einem behutsameren Vorgehen. Vorläufig empfahl er die Zusammenlegung der in einer Woche
anfallenden Vigilien75.
Der Erlaß des Rates selbst sah dann die tägliche Feier einer Frühmesse und des Fronamtes vor. Vom
Offizium wurden die Nonen und die Vesper beibehalten. Die Entscheidung über das Singen von Matutin,
Terz und Sext stellten die Ratsherren in das Ermessen der Kapläne. Auch über die Beibehaltung der
Stiftungsmessen sollten die Kapläne selbst befinden. Dagegen hielt der Rat - wohl aus Unsicherheit über
die Reaktion der Bürger - an den Jahrzeitmessen und Vigilien vorerst fest. Die von Geschmus in seinem
70 Vgl. Mieg, Réforme, S. 24f.
11 Zu ihnen s. den Überblick in TRE 11, S. 121f.
72 Vgl. Eisenhofer, Grundriß, S. 233-254; LThK3 9,
Sp. 1232-1241; TRE 32, S. 268-276.
l3 Bei der verbliebenen Messe wechselte der Dienst
wöchentlich zwischen den Kaplänen.
74 Zu den Aufgaben der Kapläne vgl. auch Moeder,
Église, S. 73 und 75.
75 Vgl. Mieg, Réforme, S. 24.
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gen werden und die Leute im Anschluß an ihre Arbeit zurückkehren dürfen; letzteres gerade auch mit Blick
auf die Tagelöhner70. Nicht aufgeführt unter den Festen, für deren Beibehaltung Geschmus in seinem
Ratschlag plädiert, sind die Marienfesttage71. An ihnen wollte aber der Rat weiterhin festhalten. In seiner
Verordnung sind schließlich insgesamt 15 Festtage gestrichen, die nit mer gebotten werden zu feyren noch für
feyrtag gehalten. Unter den gestrichenen Tagen befand sich auch das Fest der Kirchweihe des Basler Mün-
sters, das am 11. Oktober jeden Jahres begangen wurde. Die Entfernung der Kirchweihe der Mutterkirche
aus dem Festkalender ist auch ein Ausdruck der langsamen Ablösung vom Bistum Basel, zu dem die
Mülhauser Pfarrei gehörte.
Mit der Übernahme der Basler Reformationsordnung im Jahr 1529 wurde die Zahl der Feiertage dann
drastisch auf die Sonntage und die vier Hauptfeste Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten
reduziert (s. Nr. 10, S. 214f.).
5. Anweisungen für den Schulmeister und die Kapläne, 28. April 1524 (Text S. 197)
Bei dem Erlaß des Rates vom 28. April 1524 handelt es sich um einen ersten Versuch zur Neugestaltung der
Gottesdienste, vor allem des Offiziums sowie der Jahrzeitmessen und Vigilien. Sowohl das Offizium als auch
die Feier der Anniversarien gerieten in der Reformation als nicht schriftgemäß und als verdienstliches Tun
in die Kritik. Wie die Verordnung zu den Prozessionen und Feiertagen geht auch dieser Erlaß auf das
Gutachten von Augustin Geschmus zurück. Der Kaplan der Stephanskirche hatte in seinem Ratschlag die
Forderung erhoben, die Gottesdienste nach dem Willen Gottes und der Hl. Schrift auszurichten. Geschmus
strebte eine Vereinfachung der verschiedenen gottesdienstlichen Formen an. Ein Teil seiner Vorschläge
zielte dabei auf eine Reduzierung des Offiziums ab72. In der Woche sollte an die Stelle der Matutin eine
Predigt oder eine Lesung aus der Schrift treten und die Matutin in der gewohnten Form - als Zugeständnis
an die „Schwachen“ - nurmehr an den Sonn- und Feiertagen begangen werden. Die Terz und Sext sollten
ersatzlos gestrichen werden, ebenso eine der beiden morgendlichen Messen73.
Geschmus’Vorschläge beinhalteten auch eine Neufassung der Aufgaben der Kapläne74: Für die Ent-
lastung bei der Matutin sollten die als Wochenherren fungierenden Kapläne den Schulmeister beim Singen
des Hochamtes (Fronmesse) an den Wochentagen unterstützen. Auch das Singen der Nonen nach der Messe
fiel neu in den Aufgabenbereich der Wochenherren. Die Änderungen bedeuteten eine Erleichterung für den
Schulmeister und die Schüler, die diese Aufgaben bislang wahrgenommen hatten. Nach Geschmus’Plänen
sollten die Schüler zum Singen nur noch bei den Sonntagsgottesdiensten sowie bei den Vespern am Samstag
und an den Vorabenden von Festen verpflichtet sein, um sich so stärker auf die Schule konzentrieren zu
können. Da die Hl. Schrift keine Nachrichten über Totenämter enthielt, wollte Geschmus die Jahrzeitmes-
sen und Vigilien eigentlich vollständig streichen. Mit Blick auf die „Schwachen“ riet er den Ratsherren
jedoch zu einem behutsameren Vorgehen. Vorläufig empfahl er die Zusammenlegung der in einer Woche
anfallenden Vigilien75.
Der Erlaß des Rates selbst sah dann die tägliche Feier einer Frühmesse und des Fronamtes vor. Vom
Offizium wurden die Nonen und die Vesper beibehalten. Die Entscheidung über das Singen von Matutin,
Terz und Sext stellten die Ratsherren in das Ermessen der Kapläne. Auch über die Beibehaltung der
Stiftungsmessen sollten die Kapläne selbst befinden. Dagegen hielt der Rat - wohl aus Unsicherheit über
die Reaktion der Bürger - an den Jahrzeitmessen und Vigilien vorerst fest. Die von Geschmus in seinem
70 Vgl. Mieg, Réforme, S. 24f.
11 Zu ihnen s. den Überblick in TRE 11, S. 121f.
72 Vgl. Eisenhofer, Grundriß, S. 233-254; LThK3 9,
Sp. 1232-1241; TRE 32, S. 268-276.
l3 Bei der verbliebenen Messe wechselte der Dienst
wöchentlich zwischen den Kaplänen.
74 Zu den Aufgaben der Kapläne vgl. auch Moeder,
Église, S. 73 und 75.
75 Vgl. Mieg, Réforme, S. 24.
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