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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0332
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Weißenburg

II. Die Reformation in Weißenburg
Am 24. Januar 1677 wurde die Stadt Weißenburg von den Truppen des Oberst La Brosse in Brand
gesteckt37: 70 Häuser gingen in Flammen auf, darunter auch das Rathaus mit dem städtischen Archiv. Die
Geschichte der Reformation in Weißenburg läßt sich wegen der fehlenden Dokumente daher nur in sehr
groben Zügen nachzeichnen. Wie die Reformation in Münster im Gregoriental ist sie in starkem Maße
durch den Konflikt der Stadt mit dem ansässigen Kloster bzw. Stift geprägt38.
Die Reformation setzte in Weißenburg jedoch sehr viel friiher ein als in Miinster: Anfang November
1522 machte Martin Bucer auf dem Weg nach Straßburg in Weißenburg Rast. Kurz zuvor war er von Franz
von Sickingen wegen dessen Kriegserklärung an die Kurpfalz aus dem Dienst als Pfarrer in Landstuhl
entlassen worden, um ihn vor den möglichen Gefahren des Krieges zu schützen39. Der Weißenburger Pfarrer
Heinrich Motherer40 konnte Bucer gewinnen, für ein halbes Jahr als Helfer und Prediger an der Pfarrkirche
St. Johann tätig zu werden. Wie Motherer selbst mit der Lehre Luthers in Beriihrung gekommen war, ist
nicht bekannt. 1517 war es ihm mit der Unterstützung von Teilen der Bürgerschaft in einem längeren
Prozeß gegen das Kloster gelungen, die Inkorporation der Pfarrkirche in die Abtei aufheben zu lassen.
Bucer legte während der Weihnachts- und der Fastenzeit in Reihenpredigten den 1. Petrusbrief und das
Matthäusevangelium aus. Eine Art Zusammenfassung des Inhalts seiner Verkiindigung in Weißenburg gab
er 1523 mit der Schrift „An ein christlichen Rath und Gemeyn der stat Weissenburg, Summary seiner
Predig daselbst“ bei Johannes Schott in Straßburg heraus41. Bucers Kritik am bisherigen Verständnis der
Messe und seine Polemik gegen das Mönchtum, dem er vorwarf, die biblische Botschaft durch menschliche
Ordnungen zu ersetzen und die Gläubigen auszubeuten, sorgten für erhebliche Unruhe in Weißenburg42. Am
8. April 1523 lud er die ansässigen Orden zu einer Disputation ein; dafür hatte er sechs Thesen entworfen,
die er drucken und in der Stadt aushängen ließ43. Die Ordensgeistlichen erschienen jedoch nicht zu der von
Bucer geplanten Disputation.
Bereits im Januar 1523 hatte der Speyerer Bischof, Pfalzgraf Georg bei Rhein44, den Weißenburger Rat
aufgefordert, Motherer und Bucer der Stadt zu verweisen. Der Magistrat hielt aber zunächst an beiden fest.
Im Februar oder März verhängte der Bischof dann jedoch den Bann über Bucer. Nach der Niederlage
Sickingens und dem Vorrücken von Pfälzer Truppen in das zehn Kilometer nördlich von Weißenburg gele-
gene Schlettenbach waren Bucer und Motherer nicht mehr zu halten. Auf Bitten des Magistrats verließen
beide heimlich die Stadt und flohen nach Straßburg45. Wenige Tage später unterzeichnete Weißenburg den
Vertrag von Schlettenbach: Darin erkannte die Stadt die Rechte des Abtes wieder an. Die Pfarrkirche
St. Johann wurde der Abtei erneut inkorporiert und jegliche religiöse Neuerung untersagt46.
Während des Bauernkrieges kam es im Mai 1525 auch in der Stadt selbst zum Aufruhr. Das neuge-
gründete Stift und die Klöster wurden geplündert und Altäre und Bilder zerstört. Am 26. Juni mußten die
Geistlichen 14 Artikel unterzeichnen: Darin enthalten war die Forderung nach der Predigt des Evangeliums
und der Besetzung der Pfarreien durch den Magistrat. Die Geistlichen sollten sich an den bürgerlichen

37 Vgl. Weigel, Wissembourg, S. 98.
38 Zur Reformation in Münster im Gregoriental s. den ent-
sprechenden Abschnitt in diesem Band S. 339-351.
39 Vgl. Eyer, Wissembourg, S. 32: Für Sickingens Kampf
gegen die Pfalz hegte man in Weißenburg große Sym-
pathien und unterstützte ihn.
40 Zu Motherer vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 3615.
41 Sie ist ediert in Bucer, Deutsche Schriften 1, S. 69-147.
42 Vgl. Greschat, Bucer, S. 57f.

43 Die sechs Thesen waren der „Summary“ beigefügt, Bu-
cer, Deutsche Schriften 1, S. 138-140.
44 Zu ihm s. Gatz, Bischöfe, S. 224f.
45 Vgl. die Darstellungen in Bucer, Deutsche Schriften 1,
S. 72-75 und Greschat, Bucer, S. 59f. Motherer
konnte bereits 1524 nach Weißenburg zurückkehren.
46 Abdruck des Schlettenbacher Vertrages in Ernst
Münch, Franz von Sickingens Thaten, Pläne, Freunde
und Ausgang 3, Stuttgart / Tübingen 1829, S. 75-77.

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