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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0362
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Münster im Münstertal

Abt aber nach Münster zurück. Der von Werner Wölflin, Kommissar des kaiserlichen Landvogts, zwischen
dem Abt und der Gemeinde vermittelte Vertrag vom 14. Juli 1525 verpflichtete Stadt und Tal zur Besei-
tigung der im Kloster entstandenen Schäden. Die Gemeinde mußte die Mönche und Amtsleute des Klosters
wieder aus dem Bürgerrecht entlassen. Die Rechte des Klosters und ihres Abtes wurden noch einmal
ausdrücklich bestätigt, darunter auch das Jagd- und Fischereirecht30.
Möglicherweise von reformatorischen Ideen beeinflußt, legte Abt Burckard Nagel 1536 gegen die Zu-
sicherung einer Leibrente sein Amt nieder. Er zog nach Mülhausen, wo er heiratete und das Bürgerrecht
erwarb. Wegen der Eheschließung verweigerte sein Nachfolger die Auszahlung der Rente. Nach dem Tod
Nagels 1542 verklagte seine Witwe Margarethe Mourin deshalb die Abtei. Der Rat der Stadt Colmar
erkannte als Schiedsrichter der Witwe und ihren beiden Kindern schließlich eine Abfindung von 240 Gulden
durch das Kloster zu31.
Ein wichtiger Antrieb für die Einführung der Reformation in Münster war die Hoffnung der Gemeinde
auf eine Befreiung von der Herrschaft der Abtei und eine Ablösung der ihr gegenüber zu leistenden Dienste
und Zahlungen. Begünstigt wurde die Einführung der Reformation durch die Schwäche der Abtei: Die vom
Konstanzer Konzil angestoßenen Reformen im Benediktinerorden waren in Münster ohne Wirkung geblie-
ben. Die Zahl der Mönche sank; nach der Pest Anfang der vierziger Jahre des 16. Jh. zählte das Kloster
nurmehr zwei Konventualen. Konflikte zwischen Abt und Konvent erschwerten den inneren Zusammenhalt
der Gemeinschaft. Überdies traten bei der Besetzung der Abtswürde immer wieder lange Vakanzen auf, so
daß die Abtei über viele Jahre hin ohne Führung blieb32.
Nach dem oben genannten Gesandtschaftsbericht kam es aber erst im Laufe der fünfziger Jahren des
16. Jh. zu durchgreifenden kirchlichen Veränderungen in Münster und im Münstertal. Der erste bekannte
evangelische Prediger war der seit 1543 als Pfarrer an St. Leodegar in Münster tätige Thomas Wiel
(Weil)33. Über die Person Wiels ist kaum etwas bekannt. Nach Bopp war er zweimal verheiratet; die
Einsegnung der zweiten Ehe mit Helena Weyland aus Fülingen erfolgte 1554 in St. Nikolaus in Straßburg,
der Gemeinde Johannes Marbachs34. Ein Sohn Wiels findet Erwähnung als Student an der Universität
Basel und später als Pfarrer in Ostheim35. In Mühlbach und den anderen Orten des Großtals wurde die
Reformation erst nach 1559 durch den Kaplan Georg Jung eingeführt. Der aus Hagenau stammende Jung
war, bevor er die Stelle in Mühlbach antrat, Schulmeister und Helfer Wiels in Münster gewesen. Kurz nach
seinem Amtsantritt in Mühlbach verheiratete sich Jung36.
Durch den Augsburger Religionsfrieden von 1555 entstand eine neue Situation. Zusammen mit den
anderen zur Reichslandvogtei Hagenau gehörenden Städten unterzeichnete Münster den entsprechenden
Reichsabschied37. In den bald darauf beginnenden kirchlichen Auseinandersetzungen mit der Abtei und den
habsburgischen Unterlandvögten38 zogen sich Stadt und Tal immer wieder auf die Bestimmungen des Reli-
gionsfriedens zurück.

30 Vgl. Matter, Communitas, S. 12f.
31 Vgl. Calmet, Histoire, S. 151-154 (le plus scandaleux
prélat de Munster); Ohl, Geschichte, S. 236f. Nagel
hatte seit 1514 der Abtei vorgestanden.
32 Vgl. Calmet, Histoire, S. 160 und 162; Ohl,
Geschichte, S. 238f. und 247; Bornert, Monastères
II,1, S. 387f. und die Liste der Äbte und ihrer Amtszei-
ten ebd., S. 472.
33 Bei der Berufung Wiels hatte sich der Rat seinerzeit
gegen Abt Petermann von Aponnex durchgesetzt, der
einen anderen Kandidaten bevorzugte.
34 Zu Johannes Marbach vgl. Sehling, EKO XX,1,
S. 373, Anm. 1 und passim.
35 Bopp, Geistliche, Nr. 4641.
36 Vgl. Bopp, Protestantische Pfarrer II, S. 86f.; Scher-

len, Muhlbach, S. 24. Jungs Anstellung in Münster war
1556 durch einen vom Unterlandvogt Eberhard von
Erbach vermittelten Vergleich zwischen dem Rat und
Abt Joachim Breuning möglich geworden, der das Klo-
ster zur Besoldung des Schulmeisters verpflichtete.
37 Vgl. RTA, JR 20,4, Nr. 390, S. 3157. Die Stadtschreiber
von Hagenau und Colmar, Veit Moll und Balthasar von
Helm, unterzeichneten das Dokument im Namen der
Städte.
38 Im Jahr 1558 war die Reichslandvogtei von Kaiser Fer-
dinand I. von den Pfalzgrafen ausgelöst worden. Wie bei
anderen Städten der Dekapolis wurde sie in Münster zu
einem wichtigen Instrument der habsburgischen Religi-
onspolitik.

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