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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0416
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Münster im Münstertal

6. Sittenmandata
24. Juni 1580
Mandat von dem gewölten, schwammen undt sontags tantzen

Wir, der vogt, burgermeister undt räthe deß
heyl[igen] reichß stadt Münster in S. Gregorien
thaal, thun kundt:
Wiewohl in unßerer vorfahren und unßerer löblichen
kirchen ordnung, so jährlich nach dem rathsatz ge-
meiner kirchenb offentlich verleßen und vorgehalten
wird, neben andern lastern auch des ärgerlich gwel-
ten1, schwammen2 und tantzen gantz ernstlich ver-
botten3, auch bißhero, wo wir deßen |45v| in erfah-
rung kommen, der gebühr nach gestrafft worden ist,
und wir unß demnach unzweiffentlich versehen, es
werden solche geboth und verboth durch drauf er-
folgte straffen, so wieder die verbrecher4 vorgenom-
men, nicht allein bey der herwachßenden jugendt,
söhn und töchtern, knecht und kellerin5, verfangen,
sondern auch bey den eltern, meistern und frauen
soviel gewürcket haben, daß sie ihre kinder und ge-
sindt zu billich schuldigem gehorsam, Gottes furcht,
zucht undt disciplin angemanet undt gehalten het-
ten, besonderlich, weil unßere vorfahren ein ernstli-
ches mandat des christlichen banns halben offent-
lich verkünden und in demselben männiglich vor
allem gottloßen, ärgerlich undt unzüchtigen leben
gantz vätterlich haben vermahnen laßen6, |46r| so be-
finden wir doch leyder abermahls das lauter wieder-
spiehl7, nehmblich, daß unßer vätterliche fürsorg
und unßerer getreüen kirchen diener embsig undt

a Textvorlage (Handschrift): AM Munster AA 8, Bl. 45r-
48v. Abdruck: Pfleger, Verbot, S. 69f.
b Gestr.: ordnung.
c Hs.: kriegen.

1 Vgl. die Erläuterungen unter Nr. 2, Anm. 54.
2 Ebd., Anm. 55.
3 Nr. 2, S. 376 und 381.
4 Übertreter der Ordnung.
5 Mägde, s. FWb 8, Sp. 784f.

eyfferig zusprechen und vermahnen allerdings für
nichts geachtet und von jungen und alten für ein
gespött und gelächter gehalten9 wird, welches denn
auß dem leichtlich abzunehmen ist, daß nicht allein
die ärgerliche gweltstuben10 und das schwammen
bey der jugendt fortgetrieben, sondern auch darzu
durch die eltern, alß ob es nicht eine sünd und un-
recht seye, verthetigt11 wirdt. Ja, waß noch mehr
ist, so müsßen wir auch augenscheinlich erfahren,
daß das junge gesindt, söhn und töchter, knecht und
kellerin, nicht allein leichtfertiger weiß zusamen lie-
genc, sich unordentlich |46v| vermischen, ihren leib
und gliedmaßen durch die unzucht dem leydigen
teuffel ergeben, sich mehr denn einer persohnen eh-
lich verpflichten, daßelb wieder auffkünden und da-
mit und dardurch ihre eltern, so sie mit großer müh,
arbeit und unkosten aufferzogen, betrüben und mit
hertzenleyd in die gruben bringen, sondern daß auch
etliche junge töchter dermaßen schändlichs und vor
aller erbarkeit abscheulichs hurenlieder zu dichten
sich unterstehen, daß es wohl gemeinen offentlichen
metzen12 oder bälgen13 zu viel wäre.
Weil wir unß nun unßers tragenden und von Gott
aufferlegten ambts, auch der täglich fürlauffenden
straffen, plagen und zeichen halber, so unß Gott, der
allmächtige, zu wohl verdienter |47r| straff über den
halß schicket und sehen läßet14, schuldig erkennen,

6 Nr. 4.
7 Gegenteil, s. Wb. d. elsäss. Mundarten 2, S. 539.
8 Ganz und gar, s. FWb 1, Sp. 790f.
9 Mit Spott und Gelächter bedacht.
10 Vgl. dazu die Einleitung, S. 349f.
11 Verteidigt.
12 Dirnen, s. DRW 9, Sp. 592 (Metze 2).
13 Unzüchtigen Frauen, s. FWb 3, Sp. 1753f.
14 Vgl. die Vorrede zur Kirchenordnung Nr. 2, S. 370.

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