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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0061
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Einleitung

(blekfl und seinem zunehmenden Reichtum zeugen die zahlreichen Stiftungen von Altären und Vikarien in
der Marienkirche22. Aufgrund der großen Zahl der Altäre wurde schließlich sogar eine Erweiterung der
Kirche notwendig23. Auch die Niederlassung der Franziskaner in Husum 1494 ist ein Beleg für die wach-
sende Prosperität des Ortes in dieser Zeit24.
Bis zum Jahr 1525 gibt es keine Hinweise auf reformatorische Bestrebungen in Husum. Im Juni dieses
Jahres gestattete Friedrich I. dem Magister Theodoricus van Metelen, dat word Gades und Evangelium in
unsem flecke Husshum thovorkhundigende. Der König sagte dem Prediger dafür ausdrücklich seinen Schutz
zu25. Bei dem in der Urkunde genannten Theodoricus van Metelen dürfte es sich wohl um Theodoricus bzw.
Dietrich Pistorius (Becker) handeln, der in mehreren Briefen aus dem 16. Jh. als der Geistliche bezeichnet
wird, der in Husum als erster lutherisch predigte26. Da der Kirchherr der Marienkirche ihm den Zutritt zur
Kirche verweigerte, hielt Pistorius seine Predigten im Haus von Matthias Knutzen, einem der vier Kirch-
geschworenen von St. Marien27. Im April 1526 übertrug Friedrich I. dann den Einwohnern Husums die
Vikarie St. Jürgen, deren Verleihung ihm zustand, damit die Einkünfte aus der Vikarie für den Unterhalt
des Predigers verwendet werden konnten28. Pistorius verheiratete sich; sein 1528 geborener Sohn Johannes
wurde später Pfarrer in Tetenbüll und erster Propst von Eiderstedt29.
Theodoricus Pistorius und wohl auch Knutzen scheinen sich bei König Friedrich I. für die Berufung des
aus Husum stammenden Hermann Tast als Prediger eingesetzt zu haben30. In einem Brief aus dem Jahr
1551 ist davon die Rede, daß Tast die Botschaft des Evangeliums aus den Händen von Pistorius empfangen
habe. Dies würde der landläufigen Ansicht von Tast als erstem Husumer Reformator widersprechen31. Wie
Pistorius predigte auch Tast zunächst im Haus von Matthias Knutzen, da ihm die Marienkirche versperrt
blieb. Als die Gruppe der Zuhörer immer mehr anwuchs, wich er auf den Friedhof aus32. Innerhalb von nur
zwei Jahren kam die Reformation durch das Wirken von Pistorius und Tast in Husum zum Durchbruch.
Von hier aus verbreitete sie sich dann nach Eiderstedt und Nordstrand33.
Vom raschen Erfolg der evangelischen Predigt in Husum zeugt der am 17. November 1527 König
Friedrich I. zur Bestätigung vorgelegte Vertrag zwischen den Vikaren der Marienkirche und der Gemeinde.
Darin versprachen die Vikare, fortan auf alle messen, vigilien und seelmeßen zu verzichten. Im Gegenzug
garantierte ihnen die Gemeinde die aus den Pfründen und aus frommen Stiftungen stammenden Einkünfte
auf Lebenszeit. Die Urkunden über die entsprechenden Einkünfte sollten von den Bevollmächtigten der
Gemeinde verzeichnet und dann Bürgern zur Verwahrung übergeben werden. Diese Regelung erwies sich
aber anscheinend als nicht besonders zweckmäßig, denn im August 1530 beschlossen Kirchgeschworene,
Rechensleute und Vikare gemeinsam, alle Urkunden in einer Lade zusammenzulegen. Für die mit drei
Schlössern gesicherte Truhe erhielt jede der drei Gruppen einen Schlüssel34.
Nach dem Tod eines Vikars sollten laut Vertrag dessen Einkünfte zur Versorgung der Armen verwendet
werden. Einige Monate nach dem Vertrag erlebte die Armenversorgung in Husum eine Neuordnung: Im
Juli 1528 räumten nämlich die Franziskaner ihr Kloster. Fortan konnten die Klostergebäude als hospitall

21 Husum wurde erst 1603 zur Stadt erhoben.
22 Vgl. Panten, Katholische Zeit, S. 34-38. Siehe dazu auch
die Liste der Vorsteher und Älterleute der insgesamt 15
Altäre bzw. Vikarien in Möller, Husumer Urkunden-
buch, S. 358f.
23 Vgl. Panten, Katholische Zeit, S. 38f.
24 Siehe vorne S. 34.
25 Möller, Husumer Urkundenbuch, Nr. 253, S. 87.
26 Vgl. Panten, Reformation, S. 49.
27 Ebd., S. 49.
28 Möller, Husumer Urkundenbuch, Nr. 259, S. 91f. Die
Urkunde war bereits im April 1526 abgefaßt worden; ihre

Ausfertigung erfolgte aber erst im Juni 1527 (vgl. Pan-
ten, Reformation, S. 49).
29 Vgl. das Biogramm zu Johannes Pistorius unter Got
Nr. 13, Anm. 1 sowie Arends, Gejstligheden 1, S. 38 und
3, S. 88.
30 Vgl. Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein 10,
S. 373-376; Rathjen, Reformation, S. 177.
31 Vgl. Panten, Reformation, S. 50: „Tast war also der Voll-
ender der Reformation in und um Husum. Husums ei-
gentlicher Reformator war Theodoricus Pistorius“.
32 Vgl. Rathjen, Reformation, S. 177.
33 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 30.
34 Möller, Husumer Urkundenbuch, Nr. 301, S. 110.

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