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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0064
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A. Die Ordnungen bis zur Teilung der Herzogtümer im Jahr 1544

Begründet wird die Abfassung der Hadersiebener Artikel mit der Notwendigkeit, die unter den Geist-
lichen herrschende Uneinheitlichkeit bei der Gestaltung der Zeremonien zu beseitigen. Anscheinend hatte
die im Vorjahr vorgenommene Einführung des evangelischen Gottesdienstes für große Unsicherheit in deren
Reihen gesorgt. Die Mehrzahl der Artikel (Art. 1-13) beschäftigt sich entsprechend mit Fragen des Got-
tesdienstes: Festgehalten wird am Messgewand, an den Lichtern auf dem Altar und an der Elevation. Vor
der Kommunion gilt weiterhin die Beichte als verpflichtend60. Eine Messe ohne Kommunikanten ist un-
zulässig; sind keine Kommunikanten vorhanden, soll der normale Gottesdienst mit singen und lesen nha der
predicke stattfinden. Grundlage der Predigten an den Sonn- und Feiertagen bilden die vorgeschriebenen
Evangelientexte. Als Richtschnur für die Textauslegung gelten Luthers Postillen61. Nach der Predigt soll an
jedem Sonntag der Katechismus behandelt werden; zusätzlich sind zweimal im Jahr besondere Katechis-
muspredigten vorgesehen (u.a. in den Wochen vor Ostern). An den meisten Feiertagen wird festgehalten;
nicht mehr feierlich begangen werden jedoch die Apostelfeste.
In den Art. 14-17 und 21 geht es um die Lebensführung und die rechtliche Stellung der Geistlichen und
um die Aufgaben der Pröpste. Die Verehelichung der Pfarrer gilt nunmehr als Regel. Wer sich nicht ver-
heiraten will, muß dies begründen. Die Aufsicht über die Geistlichen liegt in der Hand der Pröpste in den
einzelnen Harden. Sie sind auch für die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Geistlichen und ihren
Gemeindegliedern zuständig. Meist scheint es bei diesen Konflikten um die Verweigerung von Leistungen
der Gläubigen gegangen zu sein. Die Visitationen sollen möglichst jährlich stattfinden. Am Ende der Ha-
dersiebener Artikel findet sich eine Aufstellung der für die Visitationen zuständigen Hardespröpste62.
Die Taufe (Art. 18) soll in dänischer Sprache stattfinden. Genauere Anweisungen für ihren Ablauf
fehlen. Ist eine Nottaufe in ordentlicher Weise vollzogen worden, soll das Kind nicht noch einmal in der
Kirche getauft werden. Damit entfällt auch der Exorzismus, an dem sonst aber festgehalten wird. Kranken
und Sterbenden darf das Abendmahl (Art. 19 und 20) nicht vorenthalten werden. Der Abschluß einer Ehe
(Art. 22) wird von der Zustimmung der Eltern und Vormünder abhängig gemacht. Der Trauung voraus-
gehen muß die öffentliche Abkündigung der Ehe im sonntäglichen Gottesdienst63.
In der Literatur werden die Hadersiebener Artikel als die älteste Kirchenordnung Nordeuropas und eine
der ältesten Rechtsquellen des aufkommenden Landeskirchentums bezeichnet64. Umstritten ist ihre Bedeu-
tung für die lateinische Kirchenordnung von 1537, die „Ordinatio ecclesiastica“, und für die Schleswig-
Holsteinische Kirchenordnung von 154265.

4. Anweisung zur Verwendung von Geldern des Hadersiebener Domes für den Unterhalt der Kirchen- und
Schuldiener sowie für die Versorgung der Armen, 25. Mai 1533 (Text S. 69)
Die Anweisung Christians vom 25. Mai 1533 fällt in eine Zeit des Umbruchs. Am 10. April 1533 war sein
Vater, der König und Herzog Friedrich I., auf Schloß Gottorf gestorben. Beigesetzt wurde er nicht in
Kopenhagen, sondern im Schleswiger Dom. Die Predigt bei der Trauerfeier hielt der obengenannte Johan-

60 Die Beichte wird aber abgegrenzt gegen die „Papst-
beichte“ mit ihrer Aufzählung der einzelnen Sünden und
wird verstanden als Rechenschaft über das eigene Leben
und den eigenen Glauben.
61 Zu den Postillen vgl. die Hinweise unter Nr. 7, Anm. 118.
62 Zu den „Hardespröpsten“ und ihrer Bedeutung vgl. Ml-
chelsen, Kirchenordnung, S. 24f. Zu den genannten
Harden vgl. die Karte in Sonderjyllands Historie 2, nach
S. 416.
63 Ausführliche Inhaltsangaben der Hadersiebener Artikel
finden sich bei Michelsen, Kirchenordnung, S. 18-25
und Göbell, Hadersiebener Artikel, S. 13-21.

64 Vgl. Michelsen, Kirchenordnung, S. 18; Göbell, Ha-
dersiebener Artikel, S. 13.
65 Vgl. die Wertungen von Ramm, Wegbereiter, S. 289: „daß
die Kirchenordnung eine Erweiterung der von ihm
[Wendt] verfaßten Hadersiebener Artikel darstellt“, Mi-
chelsen, Kirchenordnung, S. 18: „bilden die Artikel die
Vorstufe unserer Kirchenordnung“, Feddersen, Kir-
chengeschichte 2, S. 42: „Sie sind die Urzelle der späteren
allgemeinen Kirchenordnung für Dänemark und die Her-
zogtümer“, und Göbell, Hadersiebener Artikel, S. 11:
„[sie] sind nur in sehr begrenztem Umfange die ‘Urzelle’
für die Vorbereitung der allgemeinen Kirchenordnung“.

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