Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0066
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
A. Die Ordnungen bis zur Teilung der Herzogtümer im Jahr 1544

gerichteten Bittschrift76 ersuchten ihn die Prediger um eine möglichst rasche Neuordnung der kirchlichen
Verhältnisse. Neben der Umgestaltung der Gottesdienste und der Versorgung der Gemeinden mit geeigne-
ten evangelischen Geistlichen ging es in der von Hans Tausen verfaßten Bittschrift77 auch um die Frage, wer
an die Stelle der Bischöfe treten sollte: Vorgeschlagen wurde die Einsetzung „guter und gelehrter“ Superin-
tendenten für jedes Bistum. Die Bittschrift sah eine Wahl der Superintendenten durch die Kirchendiener
vor, jedoch mit der Zustimmung (weten und willen) des Herrschers. Aufgabe der Superintendenten sollte die
Durchführung der Visitationen in den einzelnen Sprengeln sein. Dabei sollten sie die Aufmerksamkeit
vorrangig auf die Ausführung gleicher Zeremonien in allen Kirchen ihres Gebiets richten. In weltliche
Angelegenheiten sollten sich die Superintendenten nicht einmischen. Vorgesehen war in der Bittschrift die
Berufung eines Obersuperintendenten für Dänemark aus dem Kreis der sieben Superintendenten78.
Der Rezeß des Kopenhagener Reichstags vom 30. Oktober 153679 bestätigte die Absetzung der altgläu-
bigen Bischöfe. Sie wurden der Behinderung des Evangeliums, der Einmischung in die Politik und vor allem
des Ungehorsams gegenüber dem König beschuldigt. An ihre Stelle sollten „andere christliche Bischöfe oder
Superattendenten treten, die das gemeine Volk lehren und das heilige Evangelium und Gottes Wort und den
christlichen Glauben predigen“80. Um eine Einmischung in die Politik zu verhindern, sollten die Superin-
tendenten nicht mehr dem Reichsrat angehören81.
Am 2. September 1537 Unterzeichnete König Christian III. die „Ordinatio ecclesiastica“82. Nach der
Kirchenordnung erhielten die Pfarrer in den größeren Städten das Vorschlagsrecht für die Superintenden-
ten; die eigentliche Entscheidung über ihre Berufung lag jedoch beim König. Mit ihrem Eid gelobten die
Superintendenten gegenüber dem König Gehorsam und die treue Erfüllung ihrer Amtspflichten. Am Zehn-
ten waren sie nicht mehr beteiligt; der bisher den Bischöfen zustehende dritte Teil des Zehnten floß nun in
die Kassen des Königs. Den Superintendenten unterstellt waren die Hardespröpste, die nach dem Haders-
iebener Vorbild das Visitationsrecht für die einzelnen Pfarreien der Harden (Herred) ausübten83.
Am Tag der Unterschrift des Königs unter die Kirchenordnung erfolgte die Ordination der ersten Su-
perintendenten durch Johannes Bugenhagen84. Der von den Predigern in ihrer Bittschrift unterbreitete
Vorschlag der Einsetzung eines Obersuperintendenten, wie er auch noch im Entwurf der „Ordinatio eccle-
siastica“ enthalten war, war aus der endgültigen Fassung der Kirchenordnung gestrichen worden85. In der
Praxis übernahm später der in Kopenhagen ansässige Superintendent von Seeland diese Funktion. Die
Bezeichnung „Superintendent“ bzw. „Superattendent“ vermochte sich in Dänemark aber nicht durchzu-
setzen, weil die Bevölkerung am gewohnten Bischofstitel festhielt86.
Zusammen mit der „Ordinatio ecclesiastica“ wollte Christian das Amt des Superintendenten auch in den
beiden Herzogtümern einführen. Vermutlich auf der 1538 von ihm auf Schloß Gottorf einberufenen Syn-

76 Abdruck der Bittschrift in Engelstoft, Reformantes et
Catholici, S. 185-188; William Norvin, Kobenhavns
Universitet i Reformationens og Orthodoxiens Tidsalder
2, Kopenhagen 1940, S. 1-3.
77 Zur Verfasserschaft Tausens vgl. Lausten, Christian d.
3., S. 110 und Ders., Kirchenordnungen, S. 279f.
78 Vgl. die Zusammenfassung der Forderungen in Michel-
sen, Kirchenordnung, S. 45, Lausten, Christian d. 3,
S. 109f. und Ders., Kirchenordnungen S. 278f.
79 Abdruck des „Rezesses“ in Sämling af danske Kongers
Haandfaestninger, Nr. 19, S. 82ff. Vgl. die Paraphrase der
„kirchlichen und kirchenpolitischen“ Bestimmungen des
„Rezesses“ in Lausten, Christian d. 3., S. 25f.
80 Zitat nach Michelsen, Kirchenordnung, S. 47.
81 Mit der Einrichtung des Amtes des Superintendenten an-

stelle des Bischofs folgte Dänemark dem kursächsischen
Vorbild, vgl. Hoffmann, Sieg der Reformation, S. 143.
82 Abdruck der „Ordinatio ecclesiastica regnorum Daniae et
Norwegiae et Ducatuum Sleswicensis Holsatiae“ in La-
teinische Kirchenordnung, S. 1-93 und Kirkeordinansen,
S. 92-149.
83 Lateinische Kirchenordnung, S. 47-55 bzw. Kirkeordi-
nansen, S.129-135.
84 Vgl. Michelsen, Kirchenordnung, S. 209-214. Bugen-
hagen verfaßte für die Ordination ein Ritual, das der fer-
tigen Kirchenordnung angefügt wurde.
85 Vgl. ebd., S. 215 („Es geschah dies offenbar, weil man ein
neues Erzbistum, die Aufrichtung einer Hierarchie fürch-
tete“).
86 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 92 mit Anm.
18.

46
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften