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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0128
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Die Ordnungen bis zur Teilung der Herzogtümer 1544

Avendtmals des Heren | K lr | sampt andern kindtli-
ken gebeden. Und des avendes schal men se alletidt
mit twen Latinischen vocabulen tho hus ghan laten.
De averst de wÖrde leren tho hope setten241 unde nu
dat Enchiridion wol gelert hebben, de scholen heb-
ben eren Donatum242 unde Catonem243, dessen leren
lesen, yenne averst leren van worden tho worden
uthdüden, daryn men se moth vlitig Öven. Unde
wen se de Böke ein mal uthgehört, so schal men van
nyen wedder anheven, bet dat se wol lesen können.
Desulven scholen ock alle dage etwes schriven und
ere schriffte den Scholemestern wisen up den avent,
mit twen Latinischen vocabulen tho hus ghan, de se
des morgens sampt erer Lectien upseggen scholen.
De Ander Hupe244
Hyryn gehören, de nu wol lesen können unde de
Grammatica leren. Ere Böke des morgens syn
Grammatica Philippi245, und thor Övinge der Gram-
matica dat se den Esopum düden leren sick gewen-

1 A: Regulens, B: Regulen.

241 Ebd. Bl. I lv: Dictionarii.
242 Die von Aelius Donatus (ca. 310-380) verfaßte „Ars
grammatica“ zählt zu den wirkungsmächtigsten lateini-
schen Lehrwerken. Im Mittelalter setzte sich eine Tren-
nung in die „Ars minor“ (Donatus vulgaris), die als Ele-
mentargrammatik verwendet wurde, und die „Ars
maior“ durch. Hier ist die „Ars minor“ gemeint. Vgl.
DNP 3, Sp. 775; Lex. d. MA. 3, Sp. 1238-1240.
243 Die „Disticha Catonis“ sind eine spätantike Sammlung
von Sentenzen, die in insgesamt 144 hexametrischen Di-
stichen Regeln für eine gelungene Lebensführung geben.
Während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit dien-
ten die „Disticha Catonis“ als Eingangslektüre für den
Lateinunterricht an Schulen und Universitäten.
244 Vgl. Sehling, EKO I, S. 172f.
245 Melanchthons lateinische Grammatik war das am wei-
testen verbreitete lateinische Lehrbuch in der zweiten
Hälfte des 16. und im 17. Jh. (mehr als 250 Auflagen). In
vielen Schulen ersetzte es Donats „Ars minor“ und das
„Doctrinale“ des Alexander de Villa Dei. Vgl. Leon-
hardt, Melanchthon und das Lehrbuch, S. 59-101.
246 Petrus Mosellanus versuchte mit der „Paedologia in
puerorum usum conscripta“ anhand von 37 Dialogen

nen, tho Declineren unde Conjungeren, ock de Re-
gelen darup, Na middage de Fabule Esopi, Up den
avent Pedologiam Moselani246. Unde wen se daryn
verdich syn, mag men dartho don etlike uthgelesen
Colloquia Erasmi247. In middeler tidt schal men se
dartho holden, dat se alle tidt Latin reden, recht
schriven und na der kunst düden können, Des aven-
des se laten mit einem latinischen spröke tho hus
ghan, de se tho guden seden vormamen, und den des
morgens upseggen. |K lv|
De Drüdde Hupe248
Hyryn gehören, de yn der Grammatica ytchteswes
geövet, können nu Declineren, Conjugeren unde de
wörde recht tho hopen setten. Ere Böke des morgens
syn noch eins Grammatica Philippi, unde thor övin-
ge der Grammatica lese men ene den Therentium,
de thohopesettinge der wort van en forderen unde
dat se de Regulen1 Grammatices uthwendich upseg-
gen, Na middage Therentium, den se ock van buten
leren scholen249. Wen se daryn etwas geövet syn,

(seit 1520) aus dem Alltag der Schüler und Studenten
das Lateinische als Umgangssprache zu vermitteln, aber
auch die Sitten der Lernenden ad regulam Christianam zu
bessern. Von der „Paedologia“, deren Gebrauch in den
Schulen Luther und Melanchthon empfahlen, erschienen
bis 1570 mindestens 84 Drucke. Vgl. Deutscher Huma-
nismus 1480-1520. Verfasserlexikon 2, Sp. 246 f.
247 Anhand der „Colloquia familiaria“ sollten den Schülern
die nötigen Grundlagen der lateinischen Konversation
vermittelt werden. Eine erste Ausgabe veröffentlichte
Beatus Rhenanus 1518 bei Froben in Basel ohne Eras-
mus’ Wissen; da diese voller Fehler war, brachte Eras-
mus im folgenden Jahr eine eigene Ausgabe heraus. 1522
erschien eine völlig neue und veränderte Fassung, die
neben den Gesprächsformeln im Anhang eine Sammlung
von kleineren oder umfangreichen selbständigen Dialo-
gen enthielt. In die folgenden Auflagen fügte der Hu-
manist immer wieder neue Gespräche ein. Neben der
Bibel waren die „Colloquia“ das meistgedruckte Buch
der Frühen Neuzeit. Vgl. TRE 10, S. 6 f.; Deutscher Hu-
manismus 1480-1520. Verfasserlexikon 1, Sp. 723-727;
Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften 4,
S. VII-XXVII.
248 Vgl. Sehling, EKO I, S. 173.
249 Auswendig lernen sollen.

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