Einleitung
Wohl wegen des geringen Ansehens einer solchen Tätigkeit42 erachtete es der Herzog für notwendig, die
Gemeindeglieder zur Übernahme der Aufgabe zu drängen und dem Amtmann den Schutz der Wroger und
ihrer Familien anzubefehlen. Anscheinend war auch ein jährlicher Wechsel im Amt vorgesehen. Dies legt
zumindest ein Eintrag im „Bericht unde verkleringe“ des Propstes Jürgen Boye nahe. Darin heißt es:
Scholen derhalven alle jar durch denn Amhtman twen wrogers in ider caspell gesettet werden, de up sulke broke
warenn und dem Ambtmann vorwitlichen, up dat tucht und erbedicheit mugen erholdenn bliveniZ. Das Amt der
Wroger blieb bis zum Ende des 18. Jh. erhalten. Noch 1794 finden die Wroger Erwähnung in einer Verord-
nung König Christians VIII.44 In ihr werden die Wroger als „Unteraufseher“ der Polizei beschrieben, mit
der Aufgabe, bußfällige Vergehen und andere Unordnung der Obrigkeit anzuzeigen45.
Had 3. Mandat für die Landschaft Nordstrand zur Berufung und Absetzung von Geistlichen, 7. Februar
1553 (Text S. 211)
Von der alten Landschaft Nordstrand sind heute nur noch die Inseln Nordstrand und Pellworm sowie die
Hallig Nordstrandischmoor übrig geblieben46. Der größte Teil des Gebietes des alten Nordstrand ging in der
Burchardiflut des Jahres 1634 verloren, bei der etwa zwei Drittel der 9.000 Einwohner ertranken. Alt-
Nordstrand gehörte zu den von Friesen bewohnten Utlanden (Außenland) an der Westküste des Herzog-
tums Schleswig (das heutige Nordfriesland)47.
Bei der Teilung von 1490 (s. oben S. 31) war Nordstrand an Friedrich I. gefallen. Im Jahr 1544 wurde es
dann Bestandteil des Hadersiebener Herzogtums. Nach dem Tode Johanns d.Ä. gelangte es 1581 schließlich
an Herzog Adolf I. von Gottorf48. Bis Ende des 16. Jh. war die Landschaft Nordstrand in fünf Harden
eingeteilt: die Beltrings-, die Edoms-, die Pellworm-, die Wyriks- und die Lundenbergharde; dann ging das
Gebiet der Wyriks- und der Lundenbergharde in den drei anderen Harden auf49. Im Unterschied zum
restlichen Teil des Herzogtums Schleswig, in dem das Jütische Recht (Jydske Lov) galt, fand auf Nord-
strand und den übrigen Teilen der Utlande das Friesische Recht Anwendung50.
Herzog Johann d.Ä. beauftragte im September 1552 Jürgen Boye, der kurz zuvor die Nachfolge des
verstorbenen Vincents Alberti als Propst für Nordstrand angetreten hatte, mit der Visitation der Kirchen
der Insel. Von dieser Visitation Boyes ist kein Bericht mehr erhalten51. Daher läßt sich auch nicht beur-
teilen, wie stark die Bedrohung durch Täufer und Sakramentierer auf Nordstrand wirklich war. In dem
Mandat vom 7. Februar 1553 ist jedenfalls davon die Rede, daß selbst unter den Predigern vele voedderdoper,
sacramentarien und andere anzutreffen seien. In der drei Jahre später erlassenen Nordstrander Kirchenord-
nung (Had Nr. 5) finden die devianten Gruppen dagegen keinerlei Erwähnung mehr. Dort wird lediglich
allgemein darüber geklagt, daß das salichmachende wort fast zum theil verächtlich gehalten, die sacramenta
auch wenich zu nutz undfrucht gebraucht und zu allem bösen, unbußfertigen, rugklosen wesen und leben verfall-
42 Das Wort wroger wird auch im Sinne von „Verräter“ ge-
braucht, s. Schiller / Lübben 5, S. 784.
43 Vgl. Rordam, M. Jorgen Boies Beretning, S. 280. Boye
behandelt die Wroger in seinem „Bericht unde verkle-
ringe“ im Abschnitt „Van des Provestes und des Schrivers
Ion“: Nach Einführung der Reformation fielen die Buß-
gelder für Frevel nicht mehr an den Propst, sondern an
den Amtmann.
44 Chronologische Sammlung der im Jahre 1794 ergangenen
Verordnungen und Verfügungen für die Herzogthümer
Schleswig und Holstein [...], Kiel 1795, Nr. 9, S. 9.
45 Vgl. Falck, Handbuch des Schleswig-Holsteinischen Pri-
vatrechts II 1,1, S. 102 mit Anm. 35.
46 Im 16. Jh. hatte Nordstrand die Form eines Hufeisens mit
den späteren Inseln Nordstrand und Pellworm an den bei-
den Enden.
47 Vgl. Schleswig-Holstein Lexikon, S. 441f. und 593; Han-
sen, Beiträge, S. 40f.; Boysen, Nordstrander Landrecht,
S. 13f.
48 Siehe die Karten in Historischer Atlas Schleswig-Hol-
stein, S. 155f. und Schindling / Ziegler, Territorien 2,
S. 142.
49 Siehe Stemann, Geschichte des öffentlichen und Privat-
rechts 3, Nr. 199, S. 302-304.
50 Vgl. Boysen, Nordstrander Landrecht, S. 16-18.
51 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 143; Ander-
sen, De Hansborgske Registranter 1, Nr. 12, S. 26f.
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Wohl wegen des geringen Ansehens einer solchen Tätigkeit42 erachtete es der Herzog für notwendig, die
Gemeindeglieder zur Übernahme der Aufgabe zu drängen und dem Amtmann den Schutz der Wroger und
ihrer Familien anzubefehlen. Anscheinend war auch ein jährlicher Wechsel im Amt vorgesehen. Dies legt
zumindest ein Eintrag im „Bericht unde verkleringe“ des Propstes Jürgen Boye nahe. Darin heißt es:
Scholen derhalven alle jar durch denn Amhtman twen wrogers in ider caspell gesettet werden, de up sulke broke
warenn und dem Ambtmann vorwitlichen, up dat tucht und erbedicheit mugen erholdenn bliveniZ. Das Amt der
Wroger blieb bis zum Ende des 18. Jh. erhalten. Noch 1794 finden die Wroger Erwähnung in einer Verord-
nung König Christians VIII.44 In ihr werden die Wroger als „Unteraufseher“ der Polizei beschrieben, mit
der Aufgabe, bußfällige Vergehen und andere Unordnung der Obrigkeit anzuzeigen45.
Had 3. Mandat für die Landschaft Nordstrand zur Berufung und Absetzung von Geistlichen, 7. Februar
1553 (Text S. 211)
Von der alten Landschaft Nordstrand sind heute nur noch die Inseln Nordstrand und Pellworm sowie die
Hallig Nordstrandischmoor übrig geblieben46. Der größte Teil des Gebietes des alten Nordstrand ging in der
Burchardiflut des Jahres 1634 verloren, bei der etwa zwei Drittel der 9.000 Einwohner ertranken. Alt-
Nordstrand gehörte zu den von Friesen bewohnten Utlanden (Außenland) an der Westküste des Herzog-
tums Schleswig (das heutige Nordfriesland)47.
Bei der Teilung von 1490 (s. oben S. 31) war Nordstrand an Friedrich I. gefallen. Im Jahr 1544 wurde es
dann Bestandteil des Hadersiebener Herzogtums. Nach dem Tode Johanns d.Ä. gelangte es 1581 schließlich
an Herzog Adolf I. von Gottorf48. Bis Ende des 16. Jh. war die Landschaft Nordstrand in fünf Harden
eingeteilt: die Beltrings-, die Edoms-, die Pellworm-, die Wyriks- und die Lundenbergharde; dann ging das
Gebiet der Wyriks- und der Lundenbergharde in den drei anderen Harden auf49. Im Unterschied zum
restlichen Teil des Herzogtums Schleswig, in dem das Jütische Recht (Jydske Lov) galt, fand auf Nord-
strand und den übrigen Teilen der Utlande das Friesische Recht Anwendung50.
Herzog Johann d.Ä. beauftragte im September 1552 Jürgen Boye, der kurz zuvor die Nachfolge des
verstorbenen Vincents Alberti als Propst für Nordstrand angetreten hatte, mit der Visitation der Kirchen
der Insel. Von dieser Visitation Boyes ist kein Bericht mehr erhalten51. Daher läßt sich auch nicht beur-
teilen, wie stark die Bedrohung durch Täufer und Sakramentierer auf Nordstrand wirklich war. In dem
Mandat vom 7. Februar 1553 ist jedenfalls davon die Rede, daß selbst unter den Predigern vele voedderdoper,
sacramentarien und andere anzutreffen seien. In der drei Jahre später erlassenen Nordstrander Kirchenord-
nung (Had Nr. 5) finden die devianten Gruppen dagegen keinerlei Erwähnung mehr. Dort wird lediglich
allgemein darüber geklagt, daß das salichmachende wort fast zum theil verächtlich gehalten, die sacramenta
auch wenich zu nutz undfrucht gebraucht und zu allem bösen, unbußfertigen, rugklosen wesen und leben verfall-
42 Das Wort wroger wird auch im Sinne von „Verräter“ ge-
braucht, s. Schiller / Lübben 5, S. 784.
43 Vgl. Rordam, M. Jorgen Boies Beretning, S. 280. Boye
behandelt die Wroger in seinem „Bericht unde verkle-
ringe“ im Abschnitt „Van des Provestes und des Schrivers
Ion“: Nach Einführung der Reformation fielen die Buß-
gelder für Frevel nicht mehr an den Propst, sondern an
den Amtmann.
44 Chronologische Sammlung der im Jahre 1794 ergangenen
Verordnungen und Verfügungen für die Herzogthümer
Schleswig und Holstein [...], Kiel 1795, Nr. 9, S. 9.
45 Vgl. Falck, Handbuch des Schleswig-Holsteinischen Pri-
vatrechts II 1,1, S. 102 mit Anm. 35.
46 Im 16. Jh. hatte Nordstrand die Form eines Hufeisens mit
den späteren Inseln Nordstrand und Pellworm an den bei-
den Enden.
47 Vgl. Schleswig-Holstein Lexikon, S. 441f. und 593; Han-
sen, Beiträge, S. 40f.; Boysen, Nordstrander Landrecht,
S. 13f.
48 Siehe die Karten in Historischer Atlas Schleswig-Hol-
stein, S. 155f. und Schindling / Ziegler, Territorien 2,
S. 142.
49 Siehe Stemann, Geschichte des öffentlichen und Privat-
rechts 3, Nr. 199, S. 302-304.
50 Vgl. Boysen, Nordstrander Landrecht, S. 16-18.
51 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 143; Ander-
sen, De Hansborgske Registranter 1, Nr. 12, S. 26f.
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