Die Ordnungen des königlichen Anteils
Häufig gab es jedoch Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für die Pf an-
stelle. Zahlreiche Stellen konnten nicht innerhalb eines Jahres besetzt werden. Die umliegenden Pfarrer
waren daher gezwungen, den verstorbenen Kollegen zu vertreten, wenn es nicht vor Ort einen Kaplan gab,
der die Aufgaben übernahm62. Nicht selten blieben die Gemeinden aber über einen längeren Zeitraum
hinweg unversorgt63. Und selbst in den Fällen, in denen rasch ein Nachfolger gefunden wurde, traten häufig
Probleme im Zusammenleben der Familie des verstorbenen Pfarrers und des neuen Stelleninhabers auf, der
mit im Pfarrhaus wohnte64.
Die am 18. Juni 1596 durch die Geistlichen des Segeberger Kalands getroffene Entscheidung zum Gna-
denjahr der Pfarrwitwen (Kön Nr. 5b) zeugt von den Schwierigkeiten bei der Auslegung der Bestimmungen
der Kirchenordnung und bei der konkreten Ausgestaltung des Verhältnisses von Pfarrwitwe und neu be-
rufenem Geistlichen. Anlaß war der Streit zwischen der Frau des an Weihnachten 1595 verstorbenen Pfar-
rers Statius Detharding und seinem Nachfolger Gerhard Guben. Die bei dem Beschluß gefundene Linie
sollte nach dem Willen der Mitglieder des Kalands in Zukunft auch auf gleichgelagerte Fälle angewendet
werden: Demnach standen der Pfarrwitwe die gesamten Einnahmen eines Jahres zu (idt si up dem felde, in
der kerken und sonsten). Aus diesen sollte sie dem Geistlichen einen festgelegten Lohn bezahlen. Darüber
hinaus erhielt er die Gebühren aus bestimmten Amtshandlungen: Erwähnt sind hier die Einkünfte aus der
Krankenseelsorge und der Beichte. Was mit den Stolgebühren aus Taufe, Eheeinsegnung und Begräbnis
geschah, geht aus dem Beschluß nicht hervor. Die Auswahl des Geistlichen erfolgte durch den Amtmann,
den Propst und die Kirchgeschworenen als Vertretern der Kirchengemeinde. Eine Konsultation der Witwe,
wie sie in Pommern und Mecklenburg wegen der sogenannten „Pfarrkonservation“65 üblich war, sah die
Regelung nicht vor.
Den von Johann d.Ä. in seinem Beschluß vom September 1569 (Had. Nr. 11) für sein Herzogtum
gewählten Weg bei der Frage der Abgeltung von Aufwendungen für Haus und Hof durch den Amtsnach-
folger schlug auch der Segeberger Kaland ein, wenn er Guben dazu verpflichtete, die von seinem Vorgänger
Statius Detharding bezahlten Gelder für die Anlage eines Zaunes und eines Grabens zu ersetzen. Herzog
Johann d.Ä. hatte seinerzeit auf ein Gesuch von zwölf Pfarrern der Hviding-Harde hin entschieden, daß ein
neuberufener Geistlicher die Auslagen seines Vorgängers für den Bau und die Renovierung des Pfarrhauses
ersetzen sollte. Das Geld kam dann der Witwe und den Kindern des Verstorbenen zugute66.
Das Gnadenjahr war aber nur eine zeitlich eng begrenzte Lösung der Versorgungsfrage. Wie in anderen
Gebieten dürfte auch in den beiden Herzogtümern nicht selten der Ausweg über eine Heirat der Pfarrwitwe
oder einer Tochter des verstorbenen Pfarrers mit dem neuen Stelleninhaber gesucht worden sein. Für den
Gottorfer Anteil gibt es eine Urkunde von 1592, in welcher Herzog Johann Adolf der Witwe des verstor-
benen Hoyener Pfarrers Sven Hansen gestattete, daß sie hinfürten bey der Wedeme pleiben und also nicht
abgewiesen unnd verstoßen werden möchte, weil sie ihren ansehnlichen Brautschatz eingebracht hatte, um zur
Pfarrei gehörendes Kirchenland auszulösen, das der Vater ihres Mannes versetzt hatte. Der Bewerber um
die Pfarrstelle sollte die Witwe ehelichen und fryen, damit sie unnd er also bey der Pfarre sein unnd plei-
ben67. Das aus Mecklenburg und Pommern bekannte „System“ der Konservierung von Pfarrwitwen und
Pfarrtöchtern bei der Pfarrstelle68 scheint es in Schleswig-Holstein aber nicht gegeben zu haben. Nicht
62 Siehe die entsprechenden Bestimmungen für den Heili-
genstedtener Kaplan in Kön Nr. 6, S. 278f.
63 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 417.
64 Ebd., S. 417.
65 Vgl. unten Anm. 68.
66 Siehe die Einleitung zu Had Nr. 11 auf S. 198f.
67 Abdruck der Urkunde in Christian Rolfs, Zur Ge-
schichte der Fürsorge für die Predigerwitwen und -waisen
im nördlichen Schleswig, in: SVSHKG II 3 (1904-1905),
S. 480-483. Vgl. dazu auch Lorentzen, Bugenhagen als
Reformator, S. 416-428.
68 Vgl. Hanna Würth, Pfarrwitwenversorgung im Her-
zogtum Mecklenburg-Schwerin von der Reformation bis
zum 20. Jahrhundert, phil. Diss. Göttingen 2004, S. 66-
102; Maciej PtaszyNski, „...was für große sorge und
mühe ein heiliger ehestandt wehre“ (1599). Zur Lebens-
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Häufig gab es jedoch Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für die Pf an-
stelle. Zahlreiche Stellen konnten nicht innerhalb eines Jahres besetzt werden. Die umliegenden Pfarrer
waren daher gezwungen, den verstorbenen Kollegen zu vertreten, wenn es nicht vor Ort einen Kaplan gab,
der die Aufgaben übernahm62. Nicht selten blieben die Gemeinden aber über einen längeren Zeitraum
hinweg unversorgt63. Und selbst in den Fällen, in denen rasch ein Nachfolger gefunden wurde, traten häufig
Probleme im Zusammenleben der Familie des verstorbenen Pfarrers und des neuen Stelleninhabers auf, der
mit im Pfarrhaus wohnte64.
Die am 18. Juni 1596 durch die Geistlichen des Segeberger Kalands getroffene Entscheidung zum Gna-
denjahr der Pfarrwitwen (Kön Nr. 5b) zeugt von den Schwierigkeiten bei der Auslegung der Bestimmungen
der Kirchenordnung und bei der konkreten Ausgestaltung des Verhältnisses von Pfarrwitwe und neu be-
rufenem Geistlichen. Anlaß war der Streit zwischen der Frau des an Weihnachten 1595 verstorbenen Pfar-
rers Statius Detharding und seinem Nachfolger Gerhard Guben. Die bei dem Beschluß gefundene Linie
sollte nach dem Willen der Mitglieder des Kalands in Zukunft auch auf gleichgelagerte Fälle angewendet
werden: Demnach standen der Pfarrwitwe die gesamten Einnahmen eines Jahres zu (idt si up dem felde, in
der kerken und sonsten). Aus diesen sollte sie dem Geistlichen einen festgelegten Lohn bezahlen. Darüber
hinaus erhielt er die Gebühren aus bestimmten Amtshandlungen: Erwähnt sind hier die Einkünfte aus der
Krankenseelsorge und der Beichte. Was mit den Stolgebühren aus Taufe, Eheeinsegnung und Begräbnis
geschah, geht aus dem Beschluß nicht hervor. Die Auswahl des Geistlichen erfolgte durch den Amtmann,
den Propst und die Kirchgeschworenen als Vertretern der Kirchengemeinde. Eine Konsultation der Witwe,
wie sie in Pommern und Mecklenburg wegen der sogenannten „Pfarrkonservation“65 üblich war, sah die
Regelung nicht vor.
Den von Johann d.Ä. in seinem Beschluß vom September 1569 (Had. Nr. 11) für sein Herzogtum
gewählten Weg bei der Frage der Abgeltung von Aufwendungen für Haus und Hof durch den Amtsnach-
folger schlug auch der Segeberger Kaland ein, wenn er Guben dazu verpflichtete, die von seinem Vorgänger
Statius Detharding bezahlten Gelder für die Anlage eines Zaunes und eines Grabens zu ersetzen. Herzog
Johann d.Ä. hatte seinerzeit auf ein Gesuch von zwölf Pfarrern der Hviding-Harde hin entschieden, daß ein
neuberufener Geistlicher die Auslagen seines Vorgängers für den Bau und die Renovierung des Pfarrhauses
ersetzen sollte. Das Geld kam dann der Witwe und den Kindern des Verstorbenen zugute66.
Das Gnadenjahr war aber nur eine zeitlich eng begrenzte Lösung der Versorgungsfrage. Wie in anderen
Gebieten dürfte auch in den beiden Herzogtümern nicht selten der Ausweg über eine Heirat der Pfarrwitwe
oder einer Tochter des verstorbenen Pfarrers mit dem neuen Stelleninhaber gesucht worden sein. Für den
Gottorfer Anteil gibt es eine Urkunde von 1592, in welcher Herzog Johann Adolf der Witwe des verstor-
benen Hoyener Pfarrers Sven Hansen gestattete, daß sie hinfürten bey der Wedeme pleiben und also nicht
abgewiesen unnd verstoßen werden möchte, weil sie ihren ansehnlichen Brautschatz eingebracht hatte, um zur
Pfarrei gehörendes Kirchenland auszulösen, das der Vater ihres Mannes versetzt hatte. Der Bewerber um
die Pfarrstelle sollte die Witwe ehelichen und fryen, damit sie unnd er also bey der Pfarre sein unnd plei-
ben67. Das aus Mecklenburg und Pommern bekannte „System“ der Konservierung von Pfarrwitwen und
Pfarrtöchtern bei der Pfarrstelle68 scheint es in Schleswig-Holstein aber nicht gegeben zu haben. Nicht
62 Siehe die entsprechenden Bestimmungen für den Heili-
genstedtener Kaplan in Kön Nr. 6, S. 278f.
63 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 417.
64 Ebd., S. 417.
65 Vgl. unten Anm. 68.
66 Siehe die Einleitung zu Had Nr. 11 auf S. 198f.
67 Abdruck der Urkunde in Christian Rolfs, Zur Ge-
schichte der Fürsorge für die Predigerwitwen und -waisen
im nördlichen Schleswig, in: SVSHKG II 3 (1904-1905),
S. 480-483. Vgl. dazu auch Lorentzen, Bugenhagen als
Reformator, S. 416-428.
68 Vgl. Hanna Würth, Pfarrwitwenversorgung im Her-
zogtum Mecklenburg-Schwerin von der Reformation bis
zum 20. Jahrhundert, phil. Diss. Göttingen 2004, S. 66-
102; Maciej PtaszyNski, „...was für große sorge und
mühe ein heiliger ehestandt wehre“ (1599). Zur Lebens-
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