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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0275
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Einleitung

selten wurde auch ein Sohn auf die Pfarrstelle des verstorbenen Vaters gesetzt, der seine Mutter und die
kleineren Geschwister versorgen konnte. Verschiedentlich scheinen Pfarreien innerhalb einer Familie von
einer Generation auf die nächste übergegangen zu sein. So war die Pfarrei in Vilstrup im 16. Jh. fest in den
Händen der Familie Boye69, die in Vonsbaek von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jh. in der Hand der
Familie Caspergaard70.
Darüber hinaus kam es in den Herzogtümern schon in der ersten Hälfte des 17. Jh. - also im Vergleich
zu anderen Territorien sehr früh - zur Gründung sogenannter „Pfarrwitwenkassen“. Im Amt Rendsburg
wurde 1639 auf die Initiative des Amtmanns Christian Rantzau hin ein Witwenfiscus zur Unterstützung der
Frauen verstorbener Geistlicher und ihrer Kinder gegründet. Rantzau selbst trug mit einer Spende von 100
Reichstalern zur Ausstattung des Fonds bei, aus dessen Zinsen die Witwen unterstützt wurden. Jeder
Geistliche hatte nach dem Antritt seines Dienstes eine Abgabe an die Witwenkasse zu bezahlen, die sich
nach der Höhe der Einkünfte seiner Pfründe richtete. Zusätzlich fand viermal im Jahr (Weihnachten,
Ostern, Pfingsten und Michaelis) eine besondere Sammlung im Gottesdienst für die Witwen statt. Ein Jahr
nach dem Amt Rendsburg wurde 1640 eine entsprechende Witwenkasse auch im Amt Flensburg errichtet
und 1668 dann im Gebiet der Münsterdorfer Propstei71. Sehr viel später gab es vergleichbare Bemühungen
im Gottorfer Teil der Herzogtümer72.
Kön 6. Kirchenordnung von Heiligenstedten, 1564 (Text S. 278)
Die Kirche in Heiligenstedten gehört zu den ältesten Pfarrkirchen in Holstein (s. oben S. 24). Nach der
Überlieferung des Geschichtsschreibers Adam von Bremen soll Ansgar, der Apostel des Nordens, hier die
Gebeine des Hl. Maternian niedergelegt haben73. 1406 gelangte das Patronatsrecht der Marienkirche an das
Kloster Itzehoe. Damit fiel deren Äbtissin die Besetzung der Pfarrstelle zu. Im Jahr 1477 legte der Kirch-
herr Hinrich Meyneke ein Missale an, in welchem sich verschiedene Aufzeichnungen zur Marienkirche
finden74. Die Aufzeichnungen wurden in der Reformationszeit weitergeführt und bilden eine wichtige Quelle
zur Geschichte der Kirche in Heiligenstedten75. Der Beginn der Reformation in dem Ort westlich von
Itzehoe läßt sich nicht genau bestimmen76. Erst bei dem aus Münster i. W. stammenden Magister Tilemann
Epping (1540-1544), der an der Universität Wittenberg studiert hatte, kann sicher von der Verkündigung
evangelischer Lehre ausgegangen werden77.
Auf Epping folgte Peter thom Torne, der die Pfarrei zwanzig Jahre lang innehatte. Torne starb am 8.
Januar 1564. Auf seine Stelle gelangte der bisherige Kaplan der Heiligenstedtener Kirche Peter Boye78. Im
Jahr von Boyes Amtsantritt kam es anläßlich der Prüfung der Kirchenrechnung im Pfarrhaus in Gegenwart
der Itzehoer Äbtissin und des Steinburger Amtmanns Klaus Rantzau zur Aufzeichnung der sogenannten

Situation der Pfarrwitwen am Ende des 16. und Anfang
des 17. Jahrhunderts in Pommern, in: Frühneuzeitliche
Konfessionskulturen, hrsg. von Thomas Kaufmann /
Anselm Schubert / Kaspar von Greyerz, Gütersloh
2008 (= SVRG 207), S. 319-345.
69 Arends, Gejstligheden 3, S. 11.
70 Ebd. 3, S. 12.
71 Die Anordnung des Münsterdorfer Konsistoriums zur
Schaffung einer Witwenkasse vom 2. April 1668 ist abge-
druckt in Cronhelm, Corpus constitutionum Regio-
Holsaticorum 2, S. 114-122.
72 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 418. Zu den
Pfarrwitwenkassen allgemein s. Bernd Wunder, Pfarr-
witwenkassen und Beamtenwitwen-Anstalten vom 16.-19.
Jahrhundert, in: ZHF 12 (1985), S. 429-498.

73 Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte
I, 18 (= MGH SS rer. Germ. 2, S. 25).
74 Vgl. dazu den Beitrag von Jensen, Memorienregister
und Missale; in diesem Aufsatz ist leider nur ein Teil des
älteren Missais abgedruckt.
75 Ebd., S. 275 (Aufzeichnungen von Pfarrer Peter thom
Torne).
76 Noch 1521 nahm der Pfarrer Johann Blomensadt die Stif-
tung einer Seelmesse entgegen, s. ebd., S. 295: Ibke Peter
Möllers dedit 3 mrk. [...] et erit memoria perpetua [...] anno
XXI. [1521],
77 Vgl. Jensen, Einführung der Reformation, S. 294f.;
Arends, Gejstligheden 1, S. 225 und 3, S. 139 (Epping
war zuvor Diakon an St. Petri in Hamburg gewesen).
78 Vgl. Arends, Gejstligheden 1, S. 75 und 2, S. 323.

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