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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0329
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Einleitung

Got 6. Eid der Gottorfer Prediger [vor 15. September 1574] (Text S. 364) / Got 16a. Mitteilung über den
Erlaß eines neuen Predigereides, 4. Januar 1607 (Text S. 415) / Got 16b. Neuer Predigereid [4. Januar 1607]
(Text S. 416)
Der Erlaß des sogenannten „Predigereides“ war eine Reaktion auf die kryptocalvinistischen Wirren in
Kursachsen, die auch auf Dänemark und die Herzogtümer ausstrahlten145. Durch den Eid sollte im Her-
zogtum Gottorf das Eindringen calvinistischer Lehren in die Kirche des Landes verhindert werden. Zugleich
stellte er den Versuch dar, eine bindende und einheitsstiftende Lehrnorm zu finden146. Der Eid war vom
Superintendenten Paul von Eitzen verfaßt worden147. Nach einem Eintrag im Briefbuch des Tetenbüller
Pfarrers Johannes Pistorius legte der Superintendent den Eid auf die Weisung Herzog Adolfs I. (ex mandato
eiusdem [...] principis) den Geistlichen auf der Synode der Landschaft Eiderstedt in Garding am 15. Sep-
tember 1575 vor. In seiner Ansprache vor den Synodalen betonte Eitzen den Willen des Herzogs, die
coelestis doctrinae veritas et puritas sancta illibata et integra zu erhalten. Die Geistlichen mußten die „Formula
iuramenti“ nicht nur beschwören, sondern auch eigenhändig unterschreiben (manu propria subscripse-
runt)U8.
Welche Bedeutung Pistorius dem Eid beimaß, zeigt schon die Tatsache, daß er den Eid im vollständigen
Wortlaut in sein Briefbuch eintrug. Es enthält die ursprüngliche niederdeutsche Fassung des Eides. Au-
ßerdem gibt es noch eine frühneuhochdeutsche Übertragung. Sie ist im Anhang von Ernst Feddersens Werk
über „Schleswig-Holstein und die lutherische Konkordie“ parallel zum niederdeutschen Text abgedruckt.
Feddersens Einschätzung nach stammt sie aus den letzten Amtsjahren des Superintendenten149.
Bei dem Predigereid von 1574 handelt es sich um keinen Amtseid für Geistliche im landläufigen Sinne.
Die in anderen Amtseiden, wie auch dem Eid von 1606 (Got 16b), enthaltene Verpflichtung zur treuen
Erfüllung der mit dem Amt verbundenen Aufgaben und zu einer entsprechenden Lebensführung feh-
len150. Der Eid konzentriert sich vielmehr ausschließlich auf das Bekenntnis. Im Mittelpunkt steht unver-
kennbar die Abendmahlslehre. Wie Eitzens Katechismus von 1571 (Got Nr. 5) betont auch der Eid die
Klarheit und Eindeutigkeit der Einsetzungsworte zum Abendmahl. Aus ihnen ergibt sich, daß Christi Leib
und Blut im Abendmahl wahrhaftig und wesentlich gegenwärtig sind und von allen Menschen, gleich ob
gläubig oder ungläubig, empfangen werden151.
Neben der Abendmahlslehre spielt die Lehre von der Person Christi eine wichtige Rolle beim Prediger-
eid von 1574. Auch sie war von Eitzen bereits im „Examen catechismi“ behandelt worden, nämlich im
zweiten Teil „De evangelio“152. Hier wie dort verteidigt der Superintendent die Auffassung von der untrenn-
baren Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Natur in der einen ungeteilten Person Jesu Christi

145 Vgl. Feddersen, Lutherische Konkordie, S. 86. In Dä-
nemark kam es zu einer „kryptocalvinistischen Krisis“
durch das 1574 erschienene „Syntagma institutionum
Christianarum“ des Kopenhagener Theologieprofessors
Niels Hemmingsen (zu ihm vgl. Dansk Biografisk Leksi-
kon 6, S. 247-249; BBKL 2, Sp. 710f.; RGG4 3, Sp. 1623;
Martin Schwarz Lausten, Niels Hemmingsen, stor-
hed og fald, Kopenhagen 2013 [= KHS III, 18]) und seine
Abendmahlslehre. Der König bestellte Hemmingsen auf
das Schloß Frederiksborg ein und erteilte ihm die Wei-
sung, nicht mehr über das Abendmahl zu schreiben. Am
26. Juni 1574 erging dann ein Reskript Friedrichs II. an
die Bischöfe des Landes, daß in den Kirchen über das
Abendmahl nurmehr entsprechend der Confessio Au-
gustana gelehrt und gepredigt werden dürfe. Den Geist-
lichen wurde untersagt, auf der Kanzel oder sonst ande-

renorts in Gesprächen über das Sakrament oder andere
Glaubensartikel zu disputieren (Abdruck des Reskripts in
Danske Kirkelove 2, S. 234f.)
146 Vgl. Alwast, Kirchenregiment, S. 21.
147 Zum Predigereid vgl. ausführlich Feddersen, Lutheri-
sche Konkordie, S. 86-98.
148 Pistorius, Quattuor centuriae epistolarum, ed. Ander-
sen, Nr. 55, S. 177.
149 Vgl. Feddersen, Lutherische Konkordie, S. 87.
150 Ebd., S. 87: „Er ist gar kein gewöhnlicher Amtseid, son-
dern eine in Form eines Eides gekleidete Lehrschrift“.
151 Got Nr. 5, S. 356-359.
152 Got Nr. 5, S. 347: Quare Filius Dei homo factus est? Et
quare oportuit Redemptorem nostrum esse Deum et hominem
in una persona?

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