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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0338
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Die Ordnungen des Gottorfer Anteils

den 16 Jahren, die er in Garding wohnte, nur selten in die Kirche gekommen und hatte überhaupt nur
einmal an der Feier des Abendmahls teilgenommen. Mehrfach sei er von ihnen auf der Kanzel und zweimal
auch in persönlichen Schreiben zur Buße aufgefordert worden. Wegen seines Verhaltens hätten sie Thomsen
sogar den Visitatoren bei deren letztem Besuch in Eiderstedt gemeldet. Goldschmidt und Meyer baten den
Herzog, die Gründe zu würdigen, die sie zu ihrem Handeln veranlaßt hatten, und ersuchten ihn zugleich,
Thomsen anzuhalten, von seinem sündigen und ärgerlichen Leben abzustehen.
Am 22. Juni traf Johannes Pistorius mit Fabricius in Husum zusammen und übergab ihm die Schrift der
Gardinger Geistlichen. Im Unterschied zum Diakon Meyer einige Tage zuvor konnte er dem Generalpropst
wohl auch die Hintergründe des Falles ausführlich darlegen. Fabricius sagte Pistorius zu, mit dem Herzog
über die Angelegenheit sprechen zu wollen229. Unterdessen hatte Peter Thomsen jedoch durch eine zweite
Supplik230 ein weiteres Schreiben Johann Adolfs an Pistorius erwirkt. In diesem „Mandatum poenale“ vom
17. Juni forderte der Herzog den Eiderstedter Propst nachdrücklich auf, bey vermeidungh unserer willkürli-
chen straffe und Ungnade, Thomsen umgehend, ohne jenige vorhergehende öffentliche Poenitentz oder andere
aussfluchte, zum Abendmahl zuzulassen231.
Anscheinend gelang es Jakob Fabricius den Herzog bei einer Unterredung davon zu überzeugen, daß
Thomsens Verfehlungen doch etwas größer waren, als von diesem dargestellt, denn am 24. Juni erging ein
neuerliches Schreiben des Herzogs. Darin nahm er seine beiden Mandate vom 31. Mai und 17. Juni zwar
nicht zurück. Die Wiederzulassung Thomsens zum Abendmahl ohne öffentliche Kirchenbuße sollte aber
von der Verlesung einer Erklärung begleitet werden, worin den Gardinger Gemeindegliedern die Besonder-
heit der beschehnen spezial nachlassung solcher Kirchendisciplin vermittelt wurde, damit sie diese nicht als
Freibrief betrachteten, der auch ihnen einen Dispens von der Kirchenbuße garantierte232. Am darauffol-
genden Sonntag wurde die Erklärung (formula) auf der Kanzel in Garding verlesen233.
Got 14. Katechismus von Jakob Fabricius d.Ä., 1. Dezember 1602 (Text S. 388)
Siehe hierzu die Erläuterungen unter Got Nr. 5.

Got 15. Zuchtordnung für die Landschaft Nordstrand, 10. Februar 1605 (Text S. 409)
Die Insel Nordstrand war im Jahr 1581 aus dem Erbe Johanns d.Ä. von Hadersleben an die Herzoge von
Gottorf gekommen. Danach war die Propstei Nordstrand mit ihren 24 Kirchen zunächst vom Superinten-
denten Paul von Eitzen und dann vom Generalpropst Jakob Fabricius verwaltet worden234. Nach der
Burchardiflut vom Oktober 1634, bei der Nordstrand in mehrere Inseln und Halligen zerbrach, umfaßte die
Restpropstei nurmehr sechs Kirchen. Ihre Aufsicht übte ab 1637 der Pellwormer Pfarrer Johannes Heim-
reich235 aus236.
Herzog Johann d.Ä. hatte 1556 für Nordstrand eine Kirchenordnung erlassen (Had Nr. 5). Sie enthielt
Bestimmungen zum Gottesdienst, zu den Kirchendienern und zum Kirchenland. Bei der Ordnung Johann
Adolfs aus dem Jahr 1605 handelt es sich dagegen um eine typische Zuchtordnung. Das Ziel der Ordnung,
die fünf Teile umfaßt, war eine deutliche Reduktion des Aufwands bei den Feiern und bei der Kleidung.
Anscheinend überstiegen die Ausgaben dafür selbst die finanziellen Möglichkeiten der Bewohner des reichen
Nordstrand und hatten einige von ihnen in der Vergangenheit sogar in die Armut getrieben.

229 Ebd., Nr. 372i, S. 320.
230 Ebd., Nr. 372e, S. 316.
231 Ebd., Nr. 372f, S. 316.
232 Ebd., Nr. 372m und 372n, S. 321f.: Darmit nu nemant
manch yw edder sunst, alse hedden wy van uns sülvest solches
vorgenahmen, gedencken edder och sich düsses Exempels
herna tho gebruken understahen mochte (Zitat S. 321).

233 Vgl. die Mitteilung Goldschmidts an Pistorius vom 1. Juli
1602, ebd., Nr. 372o, S. 322.
234 Vgl. oben S. 314 sowie Feddersen, Kirchengeschichte 2,
S. 170.
235 Zu Johannes Heimreich s. die unter Got Nr. 7 überlieferte
Ordinationsbescheinigung.
236 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 170.

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