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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0042
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Einleitung

b) Das Fürstentum Siebenbürgen im 16. und 17. Jahrhundert
Dritter als Siebenbürgen bezeichneter Raum war ein frühneuzeitliches Fürstentum4. Neben der mittelal-
terlichen Woiwodschaft als namengebender Kernlandschaft umfasste es eine Anzahl angrenzender ungari-
scher Komitate wechselnden Umfangs. Zeitweilig haben diese als partes adnexae bzw. partium bezeichneten
Gebiete die Fläche fast verdoppelt; sie ließen das Territorium des Fürstentums Siebenbürgen neben dem
heutigen Rumänien in die modernen Staaten Ukraine, Slowakei, Ungarn und Serbien hineinragen.
Das Fürstentum entstand durch den politischen Umbruch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
durch den Untergang der regionalen Vormacht Ungarn, dem diese Gebiete jahrhundertelang angehört hat-
ten. Im 15. Jahrhundert zählte das Königreich Ungarn mit den Nebenländern Kroatien und Slawonien zu
den flächenmäßig größten Staaten Europas und befand sich unter König Matthias Corvinus (1458-1490)
auf einem politischen und kulturellen Höhepunkt. Matthias folgten, in Personalunion mit Böhmen, zwei
Könige aus einer Seitenlinie des polnischen Königshauses der Jagiellonen. Der Tod des kinderlosen Königs
Ludwig (Lajos) II. in der schweren militärischen Niederlage gegen die Osmanen bei Mohács 1526 löste
einen jahrelangen Thronstreit aus. Der spätere Kaiser Ferdinand L, Bruder Karls V., war zwar aufgrund
bestehender Erbverträge Ludwig in Böhmen und Kroatien nachgefolgt, ein Teil des ungarischen Adels
wählte jedoch den siebenbürgischen Woiwoden Johann Szapolyai (Zápolya / Szapolyai János), einen Onkel
Ludwigs und Schwager des polnischen Königs Sigismund L, zum ungarischen König. Neben Hilfen aus
Frankreich, Polen und Venedig erlangte Szapolyai 1528 gegen Anerkennung der Oberhoheit des Sultans
osmanische Unterstützung und konnte sich bis zu seinem Tod 1540 behaupten.
Der habsburgische Versuch, das bislang von Szapolyai (unter osmanischer Oberhoheit) verwaltete Zen-
tralungarn mit der Königsresidenz Ofen zu erobern, gab den Anstoß zur militärischen Besetzung durch die
Osmanen. Daraus resultierte eine Dreiteilung des mittelalterlichen Ungarns 1541/42, die bis zum Ende des
17. Jahrhunderts fortbestehen sollte5: Der flächenmäßig größte Teil mit der ungarischen Tiefebene und der
alten Hauptstadt Ofen wurde als Wilayet (Vilajet, Paschalik) unmittelbar vom Osmanischen Reich ver-
waltet; nach 1552 kam ein weiteres Wilayet Temeswar hinzu. Die Habsburger behaupteten als „königliches
Ungarn“ den gebirgigen Norden von Preßburg bis zur Zips, das an Österreich angrenzende Westungarn mit
Ödenburg und Raab sowie Teile Slawoniens und Kroatiens mit Zagreb.
Als de facto eigenständiges staatliches Gebilde mit (situativ unterschiedlich intensiver) doppelter Suze-
ränität gegenüber dem Osmanischen Reich und Habsburg6 entstand 1540/41 für Szapolyais kurz zuvor
geborenen Sohn Johann Sigismund ein eigenes Herrschaftsgebiet in Siebenbürgen und angrenzenden unga-
rischen Komitaten. Als Johann Sigismund Szapolyai 1570/71, kurz vor seinem Tod, auf den Anspruchstitel
rex electus Hungariae verzichtete, gestand ihm der Kaiser ad personam die Würde eines princeps Transyl-
vaniae ac partium regni Hungariae zu7. Diesen Titel führten seit 15768 bzw. 15939 auch seine Nachfolger in

4 Zur Geschichte des Fürstentums Barta, Anfänge,
S. 242-301, Péter, Blütezeit, S. 302-358 sowie Keul,
Transylvania.
5 Zum Verzicht auf die Annektion Ungarns unter Szapo-
lyai Matuz, Verzicht, S. 38-46. Kartendarstellung des
dreigeteilten Ungarns (Stand von 1570) Fata, Ungarn,
S. 17, des Fürstentums Siebenbürgens (Stand von 1606)
Roth, Kleine Geschichte, S. 46, der Verwaltungsgliede-
rung des Fürstentums mit den verschiedenen Grenzver-
schiebungen Barta, Anfänge, nach S. 288.
6 Zur besonderen staatsrechtlichen Stellung Volkmer,
Fürstentum.
I Der Titel wurde Johann Sigismund ad personam durch
den am 16. August 1570 abgeschlossenen, am 26. Dezem-

ber 1570 und 31. Januar 1571 ratifizierten Vertrag von
Speyer zugestanden mit der Klausel, gegenüber dem
Osmanischen Reich den Königstitel weiterzuführen.
Johann Sigismund starb bereits wenige Wochen später,
am 14. März 1571.
8 Äußerer Anlass war 1576 die Wahl des sich zuvor nur als
Woiwode bezeichnenden Stephan Báthory zum polni-
schen König; der sich seitdem nicht mehr in Siebenbür-
gen aufhaltende Herrscher ließ sich durch seinen Bruder
Christoph vertreten, dem er den Titel Woiwode verlieh.
Nach Stephans Tod 1586 führte der als Woiwode amtie-
rende Sohn Christophs, Sigismund Báthory, zunächst
den Woiwodentitel weiter.
9 Sigismund Báthory konfirmierte erstmals den Weißen-

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