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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0053
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Einleitung

Unter seiner Regierung erfolgte eine Differenzierung der (lateinischen) Westkirche, die für die weitere
Kirchengeschichte Siebenbürgens prägend wurde. De facto vier Konfessionskirchen hatten sich bis zum
Ende seiner Herrschaft etabliert und staatliche Anerkennung erhalten. Johann Sigismund und Teile des
Hofes hatten nacheinander allen angehangen bzw. ihnen nahegestanden. Nach seiner katholischen Mutter
beeinflußte ihn zunächst der wittenbergisch ausgerichtete Kanzler Michael Csaki, ein früherer Weißenbur-
ger Domherr. Im Land und am Hof fanden reformierte Ansichten steigenden Zuspruch. Für sie gewann
Kálmáncsehis Nachfolger in Debreczin Petrus Melius Juhász auch den Klausenburger Stadtpfarrer Franz
Davidis67 und weite Teile des siebenbürgischen Komitatsbodens. Seit etwa 1565 wirkten durch Vermittlung
von Johann Sigismunds Leibarzt Giorgio Biandrata68 unitarische (antitrinitarische) Lehren Servets und
Sozzinis.
Die Etablierung einer unitarischen Kirchenorganisation in Siebenbürgen war ein europaweiter Sonder-
fall. Sie formierte sich als übernationale und in den verschiedensten Bevölkerungsgruppen präsente Kirche:
vom Hochadel über das Bürgertum bis zu den Dorfgemeinschaften auf dem Lande, selbst in entlegenen
Tälern des Szeklergebietes. Die Unitarier besaßen durch Gemeindeentscheid eine größere Anzahl alter
Pfarrkirchen und dominierten in Klausenburg, wo der Rat 1568 die anderskonfessionellen Prediger aus-
wies69. An der Spitze der unitarischen Kirchenorganisation stand der zum Hofprediger avancierte Franz
Davidis, der bereits als Prediger, Flugschriftenautor und Kirchenorganisator anderer Konfessionen gewirkt
hatte.
Andererseits blieben Teile der zuvor dominierenden Kirchen und der mit ihnen verbundenen politischen
Kräfte vehemente Verteidiger ihrer Bekenntnisse: die Siebenbürger Sachsen mit dem Hermannstädter
Superintendenten Matthias Hebler der lutherischen, die nördlichen partes adnexae mit dem Debrecziner
Superintendenten Peter Melius Juhász der reformierten Konfession. Auch in den ungarischsprachigen
Gemeinden auf siebenbürgischem Komitatsboden bestanden wittenbergisch orientierte Gemeinden fort;
ihre Führung hatte der Pfarrer von Fenesch (bei Klausenburg) Dionysius Alesius (Madár/Alesi Denes)70,
der zeitweilig als Superintendent der gesamten ecclesia nationis Hungariae amtierte.
Hinreichend starke Kräfte standen somit einer landesweiten Dominanz der am Hofe vorherrschenden
Konfession entgegen und ließen Siebenbürgen zu einer „Pionierregion“ konfessioneller Koexistenz und Tole-
ranz werden. Hierbei erwies sich der Landtag als besonders konsensorientiert. In ihm bestand lange die
Hoffnung, der innerevangelische Dissens zwischen Wittenberger und Schweizer Orientierung ließe sich

67 Franz Davidis (Franz Hertel, Dávid Ferenc), geb. in
Klausenburg, immatrikuliert 1545 am Gymnasium
Kronstadt, 1548 an der Universität Wittenberg, wurde
1551 Rektor der Stadtschule von Bistritz, dann Pfarrer
in Petersdorf im Bistritzer Kapitel und 1553 Rektor der
Klausenburger Schule. 1557 Klausenburger Stadtpfarrer
und Superintendent der ungarischen (Klausenburger)
Kirche, schloss er sich 1559 der reformierten, 1567 der
unitarischen Konfession an und wurde Hofprediger
Johann Sigismunds. Von 1572 bis 1579 amtierte er als
erster unitarischer Superintendent. Zuletzt bestritt er
die Anbetungswürdigkeit Christi (Nonadorantismus),
verlor die Unterstützung der unitarischen Synode, wurde
als Glaubensneuerer angeklagt und starb 1579 in Haft;
Wagner, Pfarrer, Nr. 331; BLSOE II, S. 377; BBKL I,
Sp. 1236f.; Wien, Grenzgänger, S. 123-127; Abdruck
seiner Werke BiDi XXVI.
68 Giorgio Biandrata (Blandrata), geb. in in Saluzzo (Pie-
mont), studierte in Pavia Medizin, war Leibarzt der pol-
nischen Königin Bona Sforza und wirkte 1552 als Arzt in

Pavia, 1556 in Genf, dann in Polen. 1560 war er Senior
(weltlicher Vorsteher) der reformierten Gemeinden
Kleinpolens. 1563 kam er nach Siebenbürgen und wurde
Leibarzt von Bonas Enkel Johann Sigismund. Dieses
Amt behielt er auch unter Stephan Báthory. Er starb
1588 oder 1590; BBKL I, Sp. 611; Dán/pirnát, Anti-
trinitarism, S. 157-191; Huttmann, Ärzte, 185-192.
69 Fata, Ungarn, S. 154-156.
70 Dionysius Alesius, geb. in Klausenburg, studierte 1546
in Wittenberg, dann in Frankfurt/Oder. 1557 war er
Pfarrer in [Sächsisch-] Fenesch bei Klausenburg und
Dechant des Bezirks Julmarkt, 1559 Superintendent der
ungarischen (Klausenburger) Kirche. Vor der Straßbur-
ger Synode 1564 abgesetzt, wählten ihn die wittenber-
gisch orientierten ungarischen Geistlichen erneut zum
Superintendenten. In diesem Amt starb er 1577; Wag-
ner, Pfarrer, Nr. 61; Teutsch, Geschichte I, S. 280.
Benkö, Transsilvania II, S. 172 Anm. 3 nennt Madár
(ung. Vogel) als ursprüngliche Form des zu Alesius lati-
nisierten Familiennamens.

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