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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0097
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Kirchenordnung Joachim’s II. von 1540.

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nicht gestattet werden, das die munche, so noch
in irem irthum verstockt, ersoffen oder verdechtig
weren, sich solchs amts anmassen, damit sie die
leut nicht von Christo ab und auf ire superstition
im letzten ende füren und sie dadurch verderben
und dem teufel vollend in den rachen schieben,
wie leider allzu oft geschehen.
Wenn nu die pfarherrn, caplan oder ver-
ordnete kirchendiener die kranken besuchen, sollen
'sie die oder die iren nicht mit stürrigem gemüte,
wie etliche, so sie etwas mangel sehen, zu thun
pflegen, anfaren und erschrecken, denn da ist
nicht die zeit des Schreckens, sondern tröstens.
Aber gleichwol, so mangel verhanden, darum sich
zu reden gebüret, sollen sie sich solchs mit ge-
lindigkeit aus lieb und wolmeinung herflissend
anzeigen und mit Sanftmut strafen, und wiewol
sich gebüret, den kranken die grosse der sunde
zu erinnern, damit sie destermehr die gnad be-
geren, so ist doch das furnemste, das man sie im
glauben sterke und tröste, damit sie nicht in* ver-
zweifelung von hinnen scheiden.
So haben auch viel gelerter und geschickter
leut mancherlei weise und form beschrieben, wie
die kranken zu ermanen und zu trösten sein.
Aber dieweil die kranken nicht einerlei sind,
auch mit unterschiedlichen anfechtungen beladen,
einer nicht so wol unterricht als der ander, einer
auch nicht also vermögend Unterrichtung als der
ander zuhören, und mit etlichen geeilet mus
werden und gnugsam, das man inen einen tröst-
lichen sprach oder zween vorsage, darauf sie sich
zu verlassen. Demnach müssen die seelsorger
uber die gemeine gestelte form, anderer besser
ordnung nach, sich zu richten wissen, nach ge-
legenheit zu verkürzen oder auszubreiten und nach
gelegenheit des gebrechens den leuten rethig zu
sein, darzu inen keine andere wege und mass an-
zuweisen und zu geben, denn das sie sich mit
fleiss im göttlichen wort uben, das sie auch aus
andern gelerten schriften und sonst sich erkunden
und befragen und des warnemen, damit sie die
betrübte gewissen trösten sollen.
So nu ein kranker gnugsam unterrichtet, die
heilig absolution und das hochwirdig sacrament
begeret, sol im das zu keiner zeit oder stund ge-
weigert werden, als fern es müglich, im das mit-
zuteilen nach des herrn einsetzung, aber anders
nicht, denn es sonst'besser ganz unterlassen. Und
so ein kranker sich nicht aus mutwillen, sondern
schwacheit hierinnen nicht schicken konte, das er
gleichwol ausserhalb dem, bis an das ende durch
das göttliche wort ermanet und getröstet werde.
Auf den fall aber, so ein kranker des priesters
und hochwirdigen sacraments begeret, und in der
eil nicht haben mocht, so sollen die prediger oft-
mals das volk unterrichten, wie in solchen nöten,

seine negste verwandten, nachbarn und sonst einer
den andern trösten und guts vorsagen sol. Und
das nichts desterminder, ob sie das hochwirdig
testament Christi nach gehabtem fleiss nicht be-
komen können, gleichwol darum nicht verzagen,
sondern den worten, der zusage des herrn festig-
lich glauben, darauf vertrauen und es also geistlich
geniessen und sich damit in des herrn hende be-
fehlen sollen.
Wo es auch des kranken gelegenheit leiden
wolt, sol er den abend zuvor, so er die communion
zu empfahen bedacht, dem pfarherrn oder caplan
-sich darnach zu richten vermelden und es folgen-
den tags vormittag gewertig sein. Were auch
sein schwacheit nicht so gros, das er on schaden
ausgehen mocht und gleichwol nicht vermüglich, in
gemeiner Versamlung das hochwirdig sacrament zu
empfahen, so were es denn bequem, das im solchs
in sonderheit in der kirchen zu bequemer zeit
gereichet würde.
Wenn aber der kranke so schwach were, das
man im das sacrament zu haus bringen must, sol
es im nach beschehener forderung und ankündigung,
als obstet, aus der kirchen von dem altar, wenn
man die communion helt consecriret von dem
priester mit gebürlicher reverenz,^als vorgehendem
custer, der ein glocken und lucern, darin ein
brennend licht ist, tragen sol, auch das der priester
ein korrock anhabe, zugetragen werden, um ursach
willen vieler unschickligkeiten, so sich hin und
wider begeben, auch um deren willen, so noch
schwach sind.
Were es aber mit dem kranken dermassen
gelegen, das er mit plötzlicher krankheit uber-
fallen und zu besorgen, das er des morgens nicht
abharren mocht und must also ausserhalb der zeit,
da man die communion in den kirchen heldet,
aus not das sacrament im, als nach mittage, auf
den abend oder in der nacht gereichet werden,
sol sich der priester, wenn es im angesagt oder
er durch ein zeichen einer glocken^ die man in
der kirchen darzu leuten sol, erfordert wird, in die
kirchen verfügen und, wenn er komet, in gegen-
wart deren, so alda verhanden weren, zum Zeug-
nis, damit der sprach des herrn erfüllet: Quo-
ciescunque duo vel tres fuerint congregati in
nomine meo etc. erstlich fur dem altar die gegen-
wertigen ermanen, fur den kranken zu bitten,
darnach das vater unser sprechen, folgend die_
consecration thun und denn, als obstehet, das
hochwirdig sacrament dem kranken in seinem
viatico oder gefess, so darzu bereitet, in beider
gestalt wol bewaret zu tragen. Es ist auch on
not, das der priester hierbei viel andere mehr
ceremonien halten solt, damit die kranken nicht
verseumet werden.
Und wenn nu der priester zum kranken komt,
 
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