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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0096

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Die Kirchenordnungen. Die Mark Brandenburg.

zeit der ruhe, gesundheit und vermügens ver-
waren und mit geistlichen waffen, wie der heilig
S. Paulus beschreibt, rüsten, damit er in trüb-
saln, krankheiten und anfechtungen des teufels
auch in der letzten stunde bestehen und durch
Christum und sein wort uberwinden müge. Denn
wie der herr sagt: Wer da bestendig bleibt bis
ans ende, der sol selig werden, zu welcher zeit
der anfechtung am höchsten und heftigsten zu ge-
warten; demnach sollen die prediger oftmals und
viel dem volke die Ungewissheit der stunden des
tods furhalten und die grausamkeit des feinds
einbilden, damit er nicht durch schedliche Sicher-
heit verachtet, die nachlessigen ubereile und zu
im reisse, so sollen sie sich auch beweret machen
mit den waffen des göttlichen worts und aus der
heiligen schrift von der gnade unsers herrn Jesu
Christi etliche tröstliche sprüche wider allerlei
anfechtung und des teufels listen inen vilfeltiglich
furhalten mit vermanung, dieselben in ire herzen
zu beschliessen, oftmals bei inen zu betrachten
und im fall der not derselbigen tröstlich zu ge-
brauchen und also indem herrn, wie er selber
gethan, durch sein gottlich wort den feind zu
schlahen und zu uberwinden und ferner erinnern,
das sie sich darinnen teglich wollen uben und des
bis auf die krankheit und letzte stund nicht sparen;
denn es zur selbigen zeit erst zu lernen gar schwer-
lich eingehet und mancher darüber ubereilet und
verseumet wird.
Zum andern, dieweil der allmechtig gott die
busse gnediglich zugesagt, aber gleichwol das
leben, des heutigen noch morgenden tags, ja dieser
stunde, nicht verheischen, sollen sie auch mit
fleiss anhalten, das die leute, dieweil sie gesund,
frisch und bei vernunft sein, die heilig absolution
und das hochwirdig testament des waren leibs und
bluts Christi oftmals gebrauchen, mit Vermeidung
welcher gestalt, alda vergebung der sunde erlangt
und wir mit gott berichtet, das ist versünet werden,
denn etliche des unverstands sein, das sie meinen,
wenn sie nur eusserlich, mit dem munde, das
hochwirdig sacrament empfahen, das sie durch das
blosse werk, von inen volbracht, dadurch ver-
gebung der sunden erlangen und sehen mehr
darauf, was sie thun, denn was Chrjstus redt. und
thut, werden also forchtlos und frech und so sie
on scheu zuvor und hernacher auch die gröbsten
laster nicht unterlassen, vermeinen sie allein ire
sunde durch dis eusserliche empfahen des sacra-
ments zu tilgen, und empfahen also diese grosse
güter inen selber zu grossem schaden, wie Paulus
sagt, das sie in dem inen das gerichte essen und
trinken.
Sind derhalben solche rohe leut, dieweil sie
noch frisch und gesund, damit es nicht gesparet
werde, zur letzten stunde, da es denn schwer sein

wil, sie mit dem gottlichen gesetze zuschrecken
und zu demütigen, damit sie die sunde fülen, er-
kennen und bereuen und dester emsiger die gnad
suchen und begeren, und so sie denn ire gewissen
treibt zu diesem hochwirdigen testament Christi,
darinnen die vergebung der sunden verheischen;
das sie alsdenn auf die wort und werk Christi,
nemlich, da er solche verheissung thut und zu
mehrer Sicherung, als eines sichtigen worts, ge-
wissen pfands und warzeichen seiner gnad, auch
seinen heiligen waren leib und blut, mit dem
leiblichen munde warhaftig zu geniessen dargibt,
das darauf gesehen, gegründet und mit einem
festen, unwankelbarem glauben gefasset werde;
dadurch wird man der überschwenglichen reichen
gnad empfenglich und teilhaftig und das auch
(wie man singet im gesange, Jesus Christus) die
frucht nicht aussen bleibe, damit in der christ-
lichen liebe, besserung und verneurung des lebens
beweiset werde. Da nu das volk mit solchem
fleiss teglich zur letzten sund bereitet wird, ist es
soviel leichter durch göttliche gnade, wenn die
anfechtung und letzte zeit hergehet mit inen zu
handeln, wiewol es allweg mühe und arbeit er-
fordert und nachlessigkeit und schedliche Sicher-
heit zu vermeiden.
Daneben sollen die seelsorger bei irer selig-
keit und pflicht ires amts sich fur gott verbinden,
eingedenk sein der kranken und so in anfechtung
sein, treulich sich anzunemen, denn so Christus
am letzten gericht unter andern werken der barm-
herzigkeit, der besuchung der kranken gedenken
wil, soviel mehr gebürt den seelsorgern, in dem
dester ernster und fleissiger anzuhalten, denn da
ist erst der dienst des worts am höchsten 'von
nöten und sollen nicht allwege erwarten, bis sie
erst erfordert, sondern da sie es erfaren (darnach
sie auch erforschung haben), wo sie zugelassen,
an irem fleiss nicht mangeln lassen und irem
amt nach sterk und tröstung mitteilen, ungeachtet
der leute Undankbarkeit und das etliche derselbigen
in iren gesunden tagen sich nicht darzu geschickt,
die man im letzten darum gleichwol nicht ver- •
seumen sol, und ob es gleich bei allen nicht
mocht frucht bringen, so werden doch viel da-
durch mit göttlicher gnade dem bösen aus dem
rachen gerissen.
Es sollen auch in grossen stedten, da das
vermügen einer oder mehr sonderliche geschickte
priester darzu versoldet und gehalten werden, die
neben den andern kirchendienern allein dieser
sachen teglich warten und das dieselben desfals
der armen sowol als der reichen sich in allen
treuen annemen und das solchs von inen zuvoraus
in' geferlichen sterbens zeiten geschehe, darzu
auch die obrigkeit und der rath jedes orts leut
verordnen sol, der kranken zu warten, und sol
 
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