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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0030
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Livland.

die ceremonien nichts anders sollen sein, dann
gleich als ein offentliche reizunge zum evangelio,
zum glauben und zum christenthum.
So aber iemant sagen wolt, es würde ergernus
bringen so man etwas behielte von ceremonien,
so zuvorn im bapstum auch braucht sind worden,
als da sind etliche noten und geseng, kleidung,
oder leuchter etc. Dem sei kurzlich hierauf ge-
antwortet. Es werden die rechtschaffenen christen,
so nu starck genug sein, sich hirin ungezweifelt
wol wissen zu richten, auch mit ihrer sterck der
schwacheit des nechsten gerne dienen die weil sie
wol wissen, das niemand, was sein ist, sondern
ein iglicher, was eins andern ist suchen sol I Cor. X.
Die schwachen aber, so nu das evangelion
hören und lieben, können durch gottis wort teglich
vom predigstul wol hirin unterrichtet werden, eben
sowol als sie den greuel des bapstthums teglich
verwerfen hören, und wird ihn angezeigt, wie den
reinen alles rein ist. Titum I. Welchs nicht allein
von der speise zu verstehen ist, sondern von allem,
es sei kleider oder etwas anders, dis oder jens,
das durch menschen lere und satzung, zu gebrauchen
verboten wird, denn solchs ist zu nachteil des
glaubens und zur verwirrung der gewissen ver-
boten. Widerum so ist den unreinen und un-
gleubigen nichts rein, sondern unrein ist beide
ihr sinn und gewissen. Also, wer des tages wandelt
der stöst sich nicht, denn er siehet das liecht dieser
welt. Wer aber des nachtes wandelt, der stöst
sich, denn es ist kein liecht in ihm, sagt Christus
Joann am XI.
Derhalben die weil das warhaftig liecht des
evangelions scheinet, und gottis wort im schwang
gehet, können die christen solche ceremonien und
eusserlichen kirchendienst, gleich wie alle andere
ding, die frei sind, mit guten gewissen recht
und wol zur ehre gottis, und dem nechsten zu
nutz brauchen. Wo aber das liecht nicht recht
leuchtet, da kan man nichts recht brauchen etc.
Es wird auch den schwachen, so noch halb
und halb im bapstthum schweben, und doch sonst
zum evangelio etzlicher massen lust haben, dienst-
lich sein, das sie deste williger das evangelion
zu hören sich begeben. Auch ligt die schwacheit
(welcher man aufhelfen soll) mehr bei jennem teil,
so von ceremonien aus alter gewonheit, noch etwas
halten, dann bei diesem teil, so die selbigen cere-
monien vernichten, oder nu durchs evangelion ge-
hört haben, das sie nicht nötig sind zur seligkeit.
Darum wenn man in dieser sache, von erger-
nuss reden wil, muss man gar wol zuschauen,
welchs teil es am meisten betrifft, und welchem
am nötigsten zu helfen ist. Den unsern, so gottis
wort teglich hören, ist dadurch leichtlich geholfen.
Wo bleiben aber die andern, so noch halb und

halb schweben etc. Denn gleich wie zur apostel-
zeit die grösste ergernuss bei den juden war, die
da meinten es were unbillich, das man das gesetz
so ganz und gar solte verschlagen. Also auch
itzund ist die grösste ergernuss auf der iennigen
seite, die da meinen, man musse den eusserlichen
gotisdienst, nicht so stracks verwerfen, und muss
also hirin das heilige götliche wort nachteil
leiden etc. Wird derhalben von vielen veracht,
und etliche haben deste weniger liebe dazu, die
weil sie es noch immer dafür halten, man musse
ie die ceremonien nicht sogar hin weg thun etc.
und ist ihre grösste klage, man gehe mit dem
heiligen sacrament des altars um, gleich als were
es ein schinck oder stuck rindfleisch, eins teils
spotten, es stehe der diener da vorm altar, so er
das sacrament darreichen sol, gleich als ein schmiede-
knecht, oder schuster etc. Darum muss man ie
also in die sache sehen, das man des bapstthums
ceremonien und missbrauch also verachte, und
verwerfe, das ie nicht damit Christus ceremonien,
das ist das hochwirdig sacrament seins leibs und
bluts mit dem wort verachtet und vernichtet, oder
verschimpft werde.
Und so etliche weren, die es dafur hielten,
als were es alles gotlose ding und sünd, so man
etwas brauchet im kirchendienst, das zuvor im
bapstthum ist missbraucht worden, es sei noten
oder geseng, chorröckel oder chormentel etc. Die
würden gar weit aus der bane laufen, ja irren
und fehlen, dann es ist ein gross unterscheid
zwischen missbrauch und rechten brauch, auch
zwischen sünd, und dem ding das sündlich ge-
braucht wird, und ist nicht von nöten, das man um des
missbrauchs willen, das ding verwerfe, so miss-
braucht kan werden, denn solte man alles hinweg
tun, das im bapstthum missbraucht ist worden, so
musst man die kirchen, das evangelionbuch, mit
der bibel, die tauf, und das sacrament des leibs
und bluts Christi etc. alszusamen verwerfen, denn
derselbigen ist keins das nicht in der bepstischen
kirch ist missbraucht worden etc.
Wenn auch so gar hochfliegende geister sich
erfur theten, und wolten fur geben, wie sie wissen,
man müsse gott allein im geist und in der warheit
anbeten, als Christus Joannis am IIII. sagt. Item
das kein eusserlich ding vor gott gelte etc. Den
muss man guter meinung nicht bergen. Zum ersten,
wie das gewissen aufbleset, und die liebe bessert,
und als S. Paul I. Corin. VIII sagt. So sich
iemand duncken lest, er wisse etwas, der weis
noch nicht wie man wissen solle. Wir reden auch
nicht von ceremonien der massen, das sie ein
sonderlicher gottis dienst sein sollen, oder ihre
werck nötig zur seligkeit, gleich als stünde das
christenthum in solchem gesange oder eusserlichem
geberde etc. Sondern, wie oftmals zuvor berurt
 
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