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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0029
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Kirchenordnung für Riga von 1530.

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das evangelion deste lieber zu hören geneigt werden,
und also weiter dar nach zur rechten erkenntniss
der warheit bracht werden.
Denn sintemal der schedliche missbrauch der
ceremonien und des eusserlichen bapstischen gottis-
diensts samt der verdamten antichristischen messe,
durch gottis wort, eintrechtig in allen landen und
stedten, da das heilige evangelion, aus göttlicher
gnade lauter und klar gepredigt wird, getadelt
und verworfen ist worden, und man doch um der
jugent, einfeltigen und schwachen willen, der
ceremonien und kirchenübung samt eusserlichem
geberde nicht entberen kan, hat man, unter des,
und in mitler zeit überal etwas von vorigen cere-
monien, so ane missbrauch hat können geschehen,
behalten, oder etliche verendert, wie dann auch
alhie zu Riga, ein zeitlang geschehen ist.
Man hat aber dar neben aufgemerckt, und
steds den sinn behalten, das man aus mancherlei
ordnungen, die hie und da in diesen und andern
stedten, die das heilig evangelion angenommen
haben aufgericht würden, eine bequeme, form-
liche , bestendige weise mochte zusamen lesen,
und aus iglicher etwas behalten, oder nachlassen
so viel uns dienstlich oder undienstlich sein würde,
wie dann auch solchs zuvor (da der bepstische
missbrauch nidergelegt, und die weise, welche ein
zeitlang bisher gehalten, angerichtet ist worden)
der massen offentlich auf dem predigstul angezeigt
ist worden und bedinget, das man hirin eine ver-
enderung zu oder abe setzen, so es dienstlich oder
bequem sein würde, allenthalben frei unbehindert,
wolt furbehalten haben etc.
Die weil aber nu von vielen die sich stellen,
als wolten sie das evangelion hören und annemen,
grosse klag gehet, dass man hin und wider kein
eintrechtige weise halte in den ceremonien, das
an iglichem ort ein eigens und besonders gesehen
wird, auch ein solchs, dar an sie sich ihrer schwacheit iund alten eingeworzelten gewonheit nach, oftmals
ergern, in dieser stadt halte mans so, in einer
andern anders, in der dritten, vierten aber anders.
Und derhalben über solche mancherlei weise, der
deudschen messen nicht geringe ergernus gehet
unter den schwachen, und unter allerlei volck,
beide, einlendern und frömden, haben wir einen
begrieff gemacht solcher ordnung, damit wir ver-
hoffen vieler nachrede zu begegnen, als das wir
nicht allein mit den unsern alhie in Liefland,
sondern auch mit unsern nachparn und andern
stedten in deutschen landen, in welchen auch das
evangelion Christi klar und reichlich verkündigt
wird soviel es müglich, und den unsern dienstlich,
sonderlich in den vornehmsten stucken des eusser-
lichen gottisdiensts oder ceremonien über ein
kommen mügen, wie wol nicht in allen stucken
(denn solchs auch unnötig und unmüglich ist) doch
(denn solclis auch unnötig und unmöglich ist) doch

in den sonderlich dar in sich ihrer viel die dem
evangelio noch zur zeit nicht zugetan, ergern.
Wir sind auch solchs zuthun nicht wenig ver-
ursacht, durch den neuen irthum der grausamen
und erschrecklichen schwermerei der sacrament-
schender, die da freuelich verleucknen die heil-
same gegenwertigkeit des leibs und bluts Christi
im abentmal des heren, und sprechen und leren,
das nichts dann bloss brot und schlechter wein im
sacrament sei etc. welcher schedlicher irthum an
vielen orten (die weil er der vernunft gemess und
gefellig) ein reist. Das nu die obgemelten schwermer,
oder ihr anhang, nicht sich rhümen dürfen, als
hielte wirs in Liefland auch mit ihnen, die weil
wir so schlecht on alle zierheit, oder eusserliche
ehr erbietliche geberde und gesenge, das selbig
sacrament handelten, das auch das bepstische
heuchelvolck kein ursache zunemen hab, uns ver-
dechtlich zu halten (wie sich dann schon etliche
des haben verlauten lassen) als were wir den ob-
gemelten schwermern hirin anhengig, und ver-
achteten das sacrament des leibs und bluts Christi,
sein wir diese ordnung zu stellen, deste williger,
da durch des herrn abentmal etwas ehrlicher und
zirlicher gehandelt werde, dieweil uns von unserm
herrn Christo und seinem heiligen evangelio frei
zugelassen ist hir in zu geberden (one abeglaub
und missbrauch) wie es die liebe des nechsten er-
fodert auf das wir den schwachen im glauben auf-
nemen, und die gewissen nicht verwirren, auch
niemand irgent ein ergermiss geben, sondern un-
anstössig sein beide den juden und den heiden;
(wie S. Paul I Cor. X sagt) das ist, den werck-
heiligen und den rohen ungezogenen leuten und
der gemeine gottis, auf das unser ambt nicht ver-
lestert werde II Cor. VI.
Dis aber thu wir in keinem wege den hal-
starrigen verstockten papisten zu weichen gleich
als wolt wir uns ihnen vergleichen, die gottis wort,
und alles was daraus folget, lestern, und ihr anti-
christisch wesen und missbrauch hanthaben. Sie
werden sich auch zwar, unsrer ordnung halben,
als solte ihr thun recht sein, mit warheit nichts
zu berümen haben, viel weniger werden sie sich
der selbigen trösten oder freuen können, sintemal
wir von ihnen, was diese ordnung und ceremonien
betrifft, wol so weit (got habe lob) abgesondert
sein, als der himmel von der erden, sondern, wie
gesagt, geschicht solchs allein den schwachen auf
allen seiten, beide den so das evangelion haben
angenommen, wissen aber noch nicht genzlich sich
drein zu schicken, auch den die es noch nicht
angenommen, doch nicht verstockt sind auf zu
helfen, denn wir auch solchs zu thun der liebe
halben, schuldig sein, auch dem heiligen evangelio
zun ehren gerne thun sollen, auf das wir ihrer
viel darzu bringen mügen, gleich als auch eben
 
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