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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0035
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Dorpat.

19

In gleich feierlicher Weise wird Crispinus von den Vertretern der beiden Gilden und
den Vorstehern des gemeinen Kastens bestätigt (damit nicht ein Geistlicher glaube, es werde
ihm mehr Ehre erwiesen als dem anderen). Ähnlich wird Johann Kackerack bestätigt u. s. w.
Die Annahme von neuen Geistlichen bringt der Rath 1550 vor die zwei Gilden und die
Schwarzen Häupter. Die grosse Gilde verspricht, einen Capellan anzunehmen und aus ihren
Mitteln zu besolden; die kleine Gilde will wenigstens für zwei Jahre 50 Mk. dazuthun, mehr
könne sie nicht leisten; die Schwarzen Häupter machen Ausflüchte; sie werden später auch bei
den Besetzungen nicht mehr herangezogen.
Die Annahme der Pastoren (deren es zwei gab, zu St. Johannis und St. Marien) ge-
schah ebenfalls durch den Rath mit Zustimmung der Gilden. So wird Johannes Fegesack 1551
als Pastor zu St. Johannis bestätigt. Er wird am 20. Dezember 1551 durch Pastor Marsow und
zwei Kapläne mit Auflegung der Hände „vor einen pastor geweiet und konfirmirt“.
Dies gilt als die erste Ordination in Livland (vgl. oben unter Riga; Richter, a. a. O.
1, S. 305; Brachmann, a. a. O. S. 202).
Die Wahl des obersten Pastors der Stadt 1554 wird unten eingehend zu schildern sein.
Dabei werden sich die unklaren Competenzverhältnisse zwischen Rath und Gilden besonders
evident zeigen (die „dritte Partei“, die Geistlichen, sind nur Gutachter).
Der Rath muss die Streitigkeiten unter den Geistlichen schlichten. So (Prot, consulare
Bl. 36—38 a) zwischen Hermann Marsow und dem Predikanten Joachim Moltzow. Der Rath
bringt unter Beiziehung der beiden Gilden einen Vergleich zu wege. Im Jahre 1552 wurde ein
Streit Marsow’s mit anderen Geistlichen und Schullehrern beigelegt (Prot. Bl. 251 b). Pastor
Marsow wurde schliesslich vom Rathe wegen Unverträglichkeit abgesetzt. Er wünschte eine
Entschädigung für seinen langen Dienst; aber der Rath war erbittert gegen ihn (vgl. auch
unten bei der Wahl des obersten Pastors) und bewilligte nichts; interessant ist, dass sich bei
den Verhandlungen des Rathes mit den Gilden über die Entschädigungsfrage der katholische
Bischof Hermann II. zu Gunsten Marsow’s verwendete, wenn auch ohne Erfolg.
Man sieht schon aus dem Vorstehenden, dass der Rath auch die Disciplinar-Gewalt über
die Geistlichen handhabt, wie das aus dem Recht der Annahme und Enturlaubung auch von
selbst folgte. So weist der Rath die Geistlichen an, „sich wes eingezogener in iren reden auf
der kanzel zu messigen und nicht so weitläufig auszulauffen“ (Prot. 23. Oktober 1553 Bl. 355 a);
oder „wenn einer über seine Besoldung oder sonst etwas zu klagen hätte, solle er es nicht auf
die Kanzel bringen, sondern an die zuständige Stelle“. Am 8. November 1553 schärft der Rath
ein, sich kürzer zu fassen und auf der Kanzel nicht zu schmähen.
Unter dem 4. Juni 1554 berichtet der Syndikus, Stephanus Gercke, wie er in Gegenwart
etlicher Verordneter des Rathes und etlicher aus den Gilden sämtlichen Geistlichen vorgehalten
habe, nicht „so heftig zu predigen, wenn man unseren Gnedigen Herrn und die anderen Capitels-
Verwandten zu gaste bede“. Es war deswegen eine Beschwerde des Domprobstes eingelaufen.
Als der Pastor zu St. Johannis ein für alle Male um die Rathserlaubniss bittet, auf
Wunsch zwecks Verrichtung von Casualien zu Adligen auf das Land gehen zu dürfen,
wird ihm nahe gelegt, sich lieber um seine Gemeinde zu bekümmern, von der er seine
Besoldung habe. Es soll vielmehr die Dispensation für jeden einzelnen Fall vom Bürger-
meister geschehen, „der zu jeder Zeit als ein Mitvorsteher solcher gemeinen Kasten verordnet
sein wird“.
Am 20. März 1553 zeigt der Vorsteher der grossen Gilde, Ditmar Meyer, dem Rathe
an, dass der Capellan Petrus Kindt sehr unfleissig sei, und dass ihm an seinem Amt nichts zu
liegen scheine; der Rath möge doch dafür sorgen, dass er sich bessere (Protoc. cons. Bl. 309 a);
auch über die Schulmeister wird Klage geführt (ebenda). —
 
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