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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0071
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Kurländische Kirchenreformation von 1570.

55

wie gewöhnlich durch die vorsteher mit umtragen
der seckel die eleemosinae gesucht und in den
gemeinen gottskasten gesamlet werden, den armen
und dürftigen zu gelegner und notwendiger zeit
auszutheilen. Zu diesem gottskasten sollen zwei
schlüssel gemachet und einem jedern der fur-
münder um verdachts willen zu treuer verwarung
einer uberreicht werden.
Und sollen dieselben vorsteher wol zu sehen
nach dem spruch Sirach cap. 12: Wiltu gutes
thun, so sihe zu, weme du es thust. Item, gib
dem gottfurchtigen, thue gutes dem elenden und
nicht dem gottlosen : das sie keine in die armen
heuser annemen, die zu arbeiten düchtig und
redlichen leuten sonst ihr brod abverdienen können,
wie auch ins gemeine alle und jede, die darinnen
zu sein begeren, ihres herkommens urkund mit-
bringen sollen, und die so anders wohin gehörig
oder von den ihrigen erhalten und erneret.
werden könten, sollen ihnen wieder zugewiesen
oder mit einem billichen einkauf auf ein jarlichs
oder eins für alle eingenommen werden.
Sonderlich aber sol das grosse laster der
schentlichen undanckbarkeit, so bei den un-
deutschen dieses landes sehr eingerissen und die
uberhant allenthalben gegen die veraltete, ge-
schwechte, krancke, verarmete und gelemete eltern
genommen, nicht gestattet, viel weniger gehand-
habet werden, besonder die vermügende gesinde
und pauren dahin gehalten, das sie nach dem
vierten gebot und nach dem spruche Esai. 58:
Carnem tuam ne despexeris, entzeuch dich nicht
von deinem fleische, sich der armen, durftigen,
unvermügenden eltern, blutsverwanten, hausboten
annemen und nottürftig nach vermüge versorgen,
das dadurch nicht die andern armen verkürzet
und die ganze gemeine beschweret werde nach
der lehre Pauli 1, Timot. 5 und 2. Corint. 8:
nicht das andere ruhe haben und ihr trübsal.
Denn es gehören solche menschen, viel
weniger gottlose und böse muthwillige, nicht unter
die armen, besonder die dürftigen frommen christen,
wie Syrach redet, und des glaubens genossen, da-
von Paulus ad Galat. 6 des gleichen nicht die
jennigen, die das ihre unnütz zugebracht, ihre
gesuntheit verwarloset und sich nicht redlich ver-
halten, von denen geschrieben stehet 2. Thessa. 3:
der nicht arbeitet, sol auch nicht essen.
Das nun ein jeder christ mit sonderlichem
ernst und freiwilligem geiste die stiftung, an-
richtung, erbauung und fundationes der kirchen,
schulen und hospitalen müge allezeit ohne unter-
las helfen befürderen und ernstlich fortstellen,
so sollen sie dazu nicht so sehr gereizet und ver-
manet werden durch diese unsere ordnung, christ-
liche und gutherzige wolmeinung, edict und bevehl,
besonder viel mehr durch den verheissen segen

zeitlicher und ewiger wolfart, worvon Levit. 26,
Deut. 28, Psal. 122 und wiederum von der grossen
undanckbarkeit und mutwilliger gottloser untreu
gegen gottes wort und die heiligen, hochwirdigen
sacrament abgehalten und abscheulich verwarnet
werden durch die schreckliche bedrauung gött-
lichs eiverigs zorns und unvermeidlichen strafen,
wovon die schrift in obberürten örtern und sonder-
lich der prophet Jeremias cap. 12 und Aggaei
primo, da also geschrieben stehet:
So spricht der herr Zebaoth, dis volck
spricht, die zeit ist noch nicht da, da man des
herrn haus baue.
Und des herrn wort geschah durch den
propheten Haggai: Aber euer zeit is kommen,
das ihr in gewelbten heusern wohnet, und dis
haus mus wüste stehen, nun so spricht der herr
Zebaoth, schauet, wie es euch gehet, ihr seet
viel und bringet wenig inn, ihr esset und werdet
doch nicht sat, ihr trincket und werdet doch nicht
truncken, ihr kleidet euch und könnet euch doch
nicht erwermen, und welcher gelt verdienet, der
legts in einen löcherten beutel.
So spricht der herr Zebaoth: Schauet, wie
es euch gehet, gehet hin aufs gebirge und holet
holz und bauet das hauss, das sol mir angeneme
sein, und wil meine ehre erzeigen, spricht der
herr. Denn ir wartet wol auf viel, und sihe, es
wird wenig, und ob ihrs schon heim bringet, so
zersteube ichs doch, warum das spricht der herr
Zebaoth? Darum das mein haus so wüst stehet
und ein itzlich eilet auf sein hauss, darum hat
der himel uber euch den thau verhalten und das
erdreich sein gewechs, und ich habe die dürre
gerufen, beide uber land und berge, uber korn,
most, olie und uber alles, was aus der erden
kümt, auch uber leute und viehe und uber alle
arbeit der hende.
Caput V.
Von widtmen und wohnungen der pastorn
und semtliclien kirchendienern.
Nicht weniger auf das gebeu der kirchen sol
unser superintendens neben den andern verordenten
visitatorn und reformatorn gar fleissige acht und
aufmerckung haben, als auf die widtmen und der
pastorn wohnungen, das, wo die verfallen, sie
wiederum zum aller fürderlichsten müge instaurirt
und da noch keine verhanden, von neuen, welche
erbauet und bequemlich darinne zu wohnen, zu-
gefertigt und bereitet werden und dasselbige auf
gleichmessigkeit der zuthat oder anlage deren, so
zu demselbigen gotshause gehörig und gelegt, das
sie semtlich zusammen thun, die kirchen, widtmen,
rigen, stelle, stauen, zeune, greben bauen und er-
halten wolten.
Die auch zu den neuen widtmen und woh-
 
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