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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0096
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Kurland.

6. Das benedicite und gratias etc. Mit andern
kurzen und nützlichen gebeten.
Mit den ceremonien und gesengen, vor und
nach der predigte, sol es nach der gewönlichen
Rigeschen ordnung, desgleichen mit der absolution
und verreichung der hochwirdigen sacramenten,
nach der unterrichtung Lutheri gehalten werden.
Nach allen predigten, deutschen und un-
deutscheil sermonen, sollen dem volke die stücke
des catechismi ordentlich, wie oben angezeigt, für-
gehalten und eingebildet, darzu nach gelegenheit
etzliche von den zuhörern examinirt, was sie ge-
lernet und proficiert haben und dasselbige in keine
vergessenheit stellen.
Des müssen die pastores, deutsch und un-
deutsch, alle sontage grossen und fleissigen ernst
anwenden, auf die zuhörer und ihre pfarkinder
aufsicht zu haben, ob sie auch alle zur kirchen
und zum gottesdienst kommen, und derentwegen
nach bewilligung der herschaft, die pauren, von
den eltisten allzeit nach der predigte uberrufen
lassen, die ungehorsame und ausbleibende an-
merken, und durch die aufgerichtete und nun in
dieser visitation publicirte kirchenstrafe als durch
ein notwendig christlich compelle intrare zum
gottesdienst nötigen.
Und weiln es des sontags nicht gnug sein
wil, den armen albern leutlein gottes wort in der
gemeine fürzupredigen, zum gebete und den ge-
sengen halten, so fördert es die grosse notturft,
das die kirchendiener auch die werkeltage uber
höchstes vermügenden fleisses nach, die pauren,
junk und alt, frauen und mans personen, aus den
gesinden zu sich bescheiden, oder nach gelegen-
heit zu ihnen verreisen, damit sie im catechismo
exercirt, examinirt und endlich darinne confirmirt
werden.
Es sol auch die herschaft dahin gerichtet und
in den predigten gehalten werden, das vermüge
der kirchenordnung das arme arbeitende volk,
sonderlich wenn des werkeltags geprediget und
des sonnabends die vesperzeit heran trit, bei guter
zeit enturlaubet und der gewönlichen arbeit ent-
lediget werden, sich desto besser zu dem gottes-
dienste zubereiten und bequemen.
Die zenkische, feindliche, ungütliche und un-
gebürliche beschickung des sontags, für und nach
der predigte, sol hinferner zu lande allenthalben
abgeschaffet sein, also das niemand schüldig,
seinem widerpart zu antworten, das spacirn auf
oder um den kirchof unter der predigt und cere-
monien sol gestrafet werden.
Für der predigte sol an keinem orte bier,
mete, wein geschenket und zu grosser profanation
des sabbats, darzu zu verhindernus des gottes-
diensts, bei vermeidung grosser strafe, verkauft
werden.

Alle morgen, mittag, und abent sol die bete-
glocke geleutet und stets das volk zum feurigen
und eiverigen gebete vermahnet, sowol allerhand
gegenwertige und künftige strafe des zorns gottes
zu entfliehen und dem langwirigen kriege vor-
zukommen. Das ave Maria, aus papistischer ge-
wonheit gebraucht, sol mit der zeit abgebracht
werden, und gemeinlich des sontags die letania
gesungen, ganz heftigen wider den babst, türk,
gog und magog, mesech und die tabernackel
kedar, den teufel selbst und alle seine glieder,
tyrannen und ketzer gebeten werden.
Die leute sollen gar fleissig vermahnet werden,
die jungen kinder ohne verseumnus zur taufe zu-
tragen , keinen kindern, trunkenen und unver-
stendigen die gefatterschaft gestatten, sondern all-
zeit sie examinirn für der taufe und verhören,
was sie können und gelernet haben und von der
taufe verstehen.
Das gemein volk sol ohne unterlass gestrafet
und mit ernst dahin gehalten werden, das der
violentus raptus grosser gewaltsamer mutwille den
pauren nicht vergönnet werde, jemand die seinen
zu entspennen, seine kinder und gesinde mit ge-
walt zu entfremden, aus ihrem gewarbsam oder
von den strassen weg zu füren, und mit gewalt
zu verehemalen, unchristlicher, heidnischer weise
zubeschlafen, viel weniger auch jenige uneheliche
beiwohnung, den undeutschen oder andern lenger
gestatten, sondern abschaffen, bei höchster strafe
gnugsam in der visitation publicirt und specificirt.
Des muss man das volk unterweisen, das sie
sich in ihrer krankheit von den predigern be-
suchen lassen, um trostes willen ihrer conscientien,
auch mit den sacramenten versehen, das sie christ-
lich abscheiden mügen, und nach ihrem tödlichen
abgang einer christlichen begrebnus befleissigen.
Die begrebnus aber sol nirgends denn bei den
kirchen vorgenommen werden.
Nach allen predigten, sonderlich unter den
deutschen, sol man erinnerung thun des land re-
cesses, das ein jedar sich gehorsamlich und ge-
bürlich mit den seinen dar nach zuverhalten wisse.
Nach allen deutschen und undeutschen ser-
monen , wenn sonst für das geistliche regiment
gebeten, sol man ausdrücklich für das eiverige
christliche vornemen der obrigket, vor den super-
intendenten und die hern visitatorn bitten, das gott
ihr heilwertigs angefangenes werk und amt zum
ehren seines allein heiligen namens und aller
seligkeit volführe.
Zum letzsten sollen die pastores, pfarhern,
diaconi, seelsorger und kirchendiener sich einer
reinen, gesunden, christlichen lehr und erbarlichen
lebens befleissigen, sich nicht alzu gemein unter
ihren zuhörern in allen collatien und zechen machen
Nimia enim familiaritas parit contemptum, et per
 
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