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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0120
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104

Kurland.

mit gottes worte und den sacramenten versehen
lassen.
Es sol auch die obrigkeit samt allen andern
gerichts personen den armen verurteilten ge-
fangenen raume und bequeme zeit gönnen, darinne
sie reichen trost und unterrichtung notturftig er-
langen mügen.
Es sollen auch die kirchendiener ungespartes
fleisses allen ernst anwenden, damit das arme
volk für ihrem abscheide aus diesem jammer und
trauerthale an irer seelenweide nicht verwarloset
werde.
Da aber die armen leute also grob und un-
geschickt weren, das man ihnen das sacrament
mit gutem gewissen nicht verreichen könte, sol
man dennoch mügelichen fleis an wenden, das sie
aus gottes wort unterrichtet, mit dem evangelio
getröstet und in ihrem letzten mit dem gebete
befürdert werden.
Uber die sterbenden, die in die letzten züge
geraten seind, sol man fleissig ohne unterlas beten,
und zu etzlichen kurzen trostsprüchen des evan-
gelii und den fürnemsten haubtartickeln unsers
christlichen symboli greifen, mit wenig worten
und ohne grossem geschrei sie trösten und fest
anhalten, das sie aus dem 31. psalm nach dem
exempel David, Christi und Stephani sprechen:
In manus tuas domine commendo spiritum meum,
In deine hende bevehl ich herr meinen geist, du
hast mich erlöst, du treuer heiland. Item, aus
dem 116. psalm reden : Revertere anima mea in
requiem tuam, Kere widerum meine seele und sei
zufrieden, denn der herr thut dir gutes.
Da aber der sterbende bei voller vernunft
und sprache bis ans ende bleiben würde, kan
man etzliche bus und betpsalmen, sonderlich den
3, 23., 75., 91. psalm. Item, das 53. capitel
Esaiae, das 3., 14., 15., 16., 17. Johannis, und
das achte zu den Römern lesen, darnach mit dem
umstand niederknien, das vater unser beten und
darauf ein andechtig gebet, so in sterbensnöthen
gebreuchlich, sprechen, dis oder ein ander.
Herr gott, himlischer vater, du hast uns durch
deinen sohn Christum zugesagt, wo zween unter
euch eins werden auf erden, warum sie bitten
wollen, sol ihnen widerfahren von meinem vater
im himel. Auf solche deine zusage bitten wir,
für gegenwertigen N., deinen diener, welcher in
dem namen Jesu getauft und dich ewigen gott
samt deinem sohn und dem heiligen geist für uns
offentlich bekennet hat, du wollest ihn gnediglich
annemen, für aller anfechtung behüten und ewig
selig machen durch Jesum Christum, deinen sohn,
unsern herrn, amen.

Das ein und zwanzigste stück, von der
christlichen begrebnus.
Gleich wie der kranken trost und besuchung
ein werk der barmherzigkeit ist, also ist der toten
begrebnus das letzte werk der christlichen liebe,
so wir unserm nechsten nach aller heiligen exempel
zuthun schüldig seind. Darum sol ersten für der
begrebnus der tote abgekündigt werden mit diesen
worten: Es ist in gott dem herrn verstorben
N. N., des seele gott gnedig.
Es werden aber zu einer jedern christlichen
und ehrlichen begrebnus fünferlei fürnemlich ge-
fürdert.
Corporis sumptuosa praeparatio, das der gebür
und personen gelegenheit nach der verstorbenen
leich mit specereie, schweisstüchern und not-
türftigen grabkleidern verhullet, bedecket und
verwaret sei, als Sirach leret cap. 38., und die
exempla Lazari Johan. 11., Christi Johan. 19.,
solchs klerlich bezeugen, und in diesen landen
ein alter christlicher gebrauch der verkleidung und
der sarken stetes gewesen ist.
Pompa funebris, der verwandten nechsten
blutfreunde, nachbar und anderer gottseligen,
frommen christen process, damit die leich zum
begrebnus getragen und gebracht wird, nach dem
exempel der bürgerschaft zu Nain, Lucae 7. cap.,
und der von Bethanien Johan. 11.
Situs sive sepulturae sacer locus, die ver-
ordente stete der begrebnus von allen andern profan
örtern unterscheiden und abgesündert. Diese örter
der begrebnusse nennet die schrift coemiteria, schlaf-
stete und ruhekammern. Esaiae am 26. capitel:
Gehe hin mein volk in ein kammer und schlus
die thür nach dir zu, verberge dich ein klein
augenblick, bis der zorn fürüber gehet. Und am
56.; Der gerechte kümt um und niemand ist, der
es zu herzen neme, und heilige leute werden auf-
gerafft, und niemands achtet darauf, denn die ge-
rechten werden weg gerafft für dem ungelücke,
und die richtig für sich gehandelt haben, kommen
zu fried und ruhen in ihren kammern Sapient. 4.
idem.
Diese ruhestete seind bei uns zugleich kirchen
und kirchhöfe, da die deutschen ihre erbbegrebnus
haben, dieselben sollen mit aller gebürlicher reinig-
keit zierlich erhalten werden, darum, das da die
heiligen cörper der gleubigen ruhen, und wir
selbst envarten nach ausweisung unsers christ-
lichen glaubens der herligkeit, welche in al-
gemeiner auferstehung des fleisches am jüngsten
tage an den kindern und erben gottes sol geoffen-
baret werden, 1. Petri. 1., 2. Timot. 4., Sapien-
tiae 3. et 4., Daniel. 12.
Es sol auch consuetudine sordidorum, nach
vieler unbescheidener groben filzen gewonheit,
 
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