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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0203
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Kirchenordnung von 1552.

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Und kan diesen grossen schaden keine creatur
begreifen, den das eheverbot gebracht hat. Daraus
so viel unzucht gefolget, rechte anrufung gottes
verhindert, gottes erkentnis verloschen und die
herzen blind und unsinnig worden, und viel hundert
tausent seelen in ewige straf gefallen sind, und
gottes zorn ganze land zerstöret. Denn das ist
ganz gewiss, das die grossen strafen, krieg und
verwüstungen, gemeine blindheit und finsternis in
der lere, elend der kinder und nachkomen, durch
die welt gehen, furnemlich von wegen der ab-
götterei, todschlags und unzucht.
Und sollen die prediger zugleich rechte lere
vom ehestand und von gottes zorn wider alle un-
zucht dem volk furtragen. Und dabei selbs gott
bitten und das volk zu beten vermanen, das uns
gott, der reinikeit und keuscheit liebet, wolle
gnediglich regieren und bewaren, das wir nicht
mit unzucht befleckt werden, sondern das wir in
mit gutem gewissen anrufen können, und nicht in
blindheit und unsinnikeit fallen, und andere leib-
liche strafen uns zu schwer werden. Denn also
ist geschrieben im buch der weisheit, cap. 8.:
Dieses ist auch weisheit, wissen, das keuscheit
gottes gabe ist, und darum hab ich in ge-
beten. Und im ehestand christlich leben, ist auch
keuscheit.
Und sollen die leute oft erinnert werden,
das sie betrachten, warum gott diese tugend so
hoch und ernstlich geboten hat nemlich, das wir
diese tugend verstehen, und damit klare unter-
schied zwischen gott und den teufeln machen
sollen. Denn dieweil wir gott nicht mit leiblichen
augen anschauen, und nicht mit unsern henden
ergreifen können, müssen wir in mit den augen
des glaubens anschauen und bedenken, wo er sich
geoffenbaret hat, und wie er sich in seinem wort
zu erkennen gibet, und sich von allen andern
dingen und sonderlich von den teufeln unter-
scheidet. Nu ist diese unterschied seer klar. Die
teufel haben lust an unzucht, treiben dazu viel
tausent menschen und thun solchs gott zu verdries
und zu verderbung der elenden menschen. Da-
gegen ist gott ein rein wesen, und wil, das wir
im gleichförmig sein, er wil uns auch selbs
keuscheit geben und keuscheit mit andern gaben
zieren, wie er an Joseph erzeiget hat.
Diese unterschied sollen wir in unserm gebet
betrachten, das wir den warhaftigen gott an-
sprechen , der rein ist und keuscheit liebet, und
in unterscheiden von allen unreinen dingen. Wir
sollen auch als denn unser selb unreinikeit er-
kennen und beklagen.
Und ist viel heimlicher und hoher weisheit
begriffen in diesem rat, von erschaffung des mans
und der frauen, und von ordnung der ehe. Denn
gott hette wol ein andere weise gefunden, da-

durch menschen geboren weren. Er wil aber, das
im menschlichen geschlecht ein kirche sei, darum
hat er zwo personen erstlich erschaffen, und nem-
lich den man und das weib, das ein herzliche,
ordenliche liebe sein möchte. Und bedeut der
man den ewigen son gottes, und die frau die
menschliche natur, die er an sich genomen hat,
und die herzliche liebe im man gegen der frauen
bedeutet die herzliche liebe im son gottes gegen
der menschlichen natur und gegen uns.
Und alle solche betrachtung sol uns bewegen,
den ehestand zu ehren als ein besonder göttlich
werk, das aus hoher weisheit also beschlossen
ist, und gottes weisheit preisen. Zu dieser ehr-
erbietung gehöret auch, das eheleut selb züchtig-
lich und freundlich mit einander leben und selbst
auch gottes kirche sind, wie Adam und Heva,
Zacharias und Elisabeth gewesen sind.
Was weiter vom ehestand zu wissen ist,
wird zum teil ernach in den kirchengerichten ge-
meldet.
Von weltlicher oberkeit.
Sagen die widerteufer recht, das weltliche
oberkeit, gericht und rechtmessige strafen eitel
sünde sei, und das ein christlicher mensch nicht
sol weltliche regierung haben?
Antwort. Diese lere der widerteufer ist ge-
wislich teuflische lügen und lesterung wider gottes
weisheit und gaben, und ist ursach zu uffruhrn,
mord und zerstörungen. Und sollen die leut
vleissig bericht werden von beiden emtern, dem
predigamt und der weltlichen regierung und von
unterschied der selbigen.
Sage unterschied.
Das predigamt ist ein befehl, den gott mit
ausgedruckten worten geben hat, das heilig evan-
gelium zu predigen, sacramenta zu reichen, sünden
zu vergeben, prediger samt der kirchen zu ordnen,
sünde zu strafen, allein mit gottes wort und nicht
mit leiblicher gewalt. Und ist gott durch dieses
amt kreftig, gibet vergebung der sünden, heiligen
geist, leben und trost und ewige selikeit.
Von diesem befehl redet der herr Christus,
Joh. 20.: Wie mich der vater gesand hat, also
sende ich euch. In diesen worten ist klar aus-
gedruckt, erstlich, das die göttliche maiestet selbst
das predigamt eingesetzt hat, und dazu den son
erstlich geweihet, der den vetern und propheten
sein wort geoffenbaret hat, und hat ernach sicht-
bar in menschlicher natur gepredigt, und die
aposteln gesand, die befehl gethan, fur und fur
prediger zu berufen. Und bleibet doch allezeit
der son gottes hoherpriester, der das predigamt
erhelt, ist kreftig dadurch, wie Ephe. 4. ge-
schrieben ist: Er sitzt zur rechten hand des ewigen
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