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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0231
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Kirchenordnung von 1552.

215

kinderschulen sol gehalten werden, doch sol in
den visitation die gelegenheit in allen stedten und
flecken bedacht und bewogen werden.
Von den kinderschulen.
Erstlich sollen die kinder ördenlich in drei
oder vier heuflin nach gelegenheit geteilet werden.
Das erste heuflin sind die jüngsten, die an-
fahen die buchstaben zu kennen, und lernen
lesen, die sollen erstlich die gewöhnlich hand-
buchlin lernen, darin das alphabet, oratio dominica,
symbolum, decalogus zusamen gedruckt sein, und
sollen im anfang den kindern nicht andere bücher
furgeben werden.
Ernach sol man inen den Donat und Cato
zusamen furgeben, also das der schulmeister teg-
lich einen oder zween vers exponir, welche die
kinder ernach zu einer andern stund uffsagen,
das sie also anfahen, etliche latinische wörter zu
kennen, und vorrat schaffen, die latinische sprach
zu reden, und ist nützlich, das sie den Donat und
Cato nicht allein ein mal lesen, sondern auch das
ander mal.
Dabei sol man sie leren schreiben und ernst-
lich dazu halten, das sie teglich ire schrift dem
schulmeister weisen.
Item, damit sie des mehr latinischer wort
lernen, sol man inen teglich am abent zwei lati-
nische wörter zu lernen furgeben, die sie behalten
und morgens dem schulmeister uffsagen sollen, und
sollen sie in besondere büchlin schreiben oder
schreiben lassen, als deus gott, celum himel etc.
Diese kinder sollen auch zur musica gehalten
werden, und mit den andern singen, wie ernach
angezeiget wird.
Dat ander heuflin sind kinder, die nu im
lesen gewis sind, und die regulas grammaticae
anfahen.
Teglich sol man die erste stund nach mittag
alle knaben in der musica uben.
Ernach sol man diesem heuflin, das lesen
kan, welches mag genent werden secunda classis,
die zween tag, montag und dinstag, fabulas Esopi
exponirn, welche Jaochimus Camerarius latinisch
gemacht hat, und sol der schulmeister nach ge-
legenheit der knaben wehlen, welche er wil, mag
auch etlich liebliche colloquia Erasmi lesen, und
Erasmi buchlin de civilitate morum, und das
büchlin Joachimi Camerari, welches titel ist prae-
cepta morum etc. Aber Esopus sol nicht ganz
aus der schul komen.
Den donnerstag und freitag sol man diesem
heuflin Terentium exponirn, den sollen die knaben
von wort zu wort auswendig lernen, darum sol
man nicht viel uff ein mal fürgeben.
Am abend sol man diesen knaben, so sie zu
hause gehen, ein nützlichen spruch furschreiben

und exponirn, den sie als bald auch in ein be-
sonder büchlin schreiben, und daheim lernen ex-
ponirn und gedenken, das sie in morgens uff-
sagen, als timor domini, initium sapientiae. Omni-
bus in rebus, modus est pulcherrima virtus, und
dergleichen.
Morgens früe sollen diese knaben so viel sie
in Esopo oder Terentio gehört haben, widerum uff-
sagen, und sol der preceptor etliche nomina
declinirn lassen, und verba coniugirn nach ge-
legenheit der kinder viel oder wenig, und sol die
regeln de generibus, casibus, praeteritis und supi-
nis fleissig fordern.
So auch die kinder regulas constructionum
gelernet haben, sol er die constructio und die
regeln da von fordern.
Die ander stund vor mittag sol die vier tage
in der wochen, montag, zinstag, donnerstag, frei-
tag, allezeit also gebraucht werden, das denn die
knaben erstlich ein stück in etymologia aus-
wendig recitirn, darnach sol der preceptor die-
selbige regeln mit exempeln erkleren.
Und so sie die etymologiam gelernt haben,
sollen sie ernach syntaxin diese stund auch also
auswendig recitirn, und sol der preceptor ernach
dieselbige regeln mit exemplis erkleren, und die
knaben deudsch fragen, das sie exempla latina uff
die regel in syntaxi machen, als wie sol man im
latin sprechen, strafe folget gewislich nach ver-
achtung göttlicher gebot? Poena comitatur certo
contemtum divinarum legum.
Und sollen in alle weg die schulmeister diesen
vleis thun, das sie die jugent treiben regulas
grammaticae auswendig zu lernen, und sol diese
torheit nicht geduldet werden, das etlich die regeln
verachten, wollen die sprach one regeln lernen.
Auch ist nützlich, das im ganzen land eine
gleiche etymologia und syntaxis, und nicht
mancherlei gebraucht werden.
Den mitwoch und sonnabent sol man zum
catechismo brauchen durch aus in allen haufen,
und sollen die preceptores jeden jungen nach ein-
ander hören, ganz und deutlich sprechen deca-
logum, symbolum, praecationem dominicam, und
die grössern sol man weiter fragen im catechismo,
Quot sint personae divinitatis? quid sit lex? quid
peccatum? quid evangelium? quid poenitentia? quo-
modo homo accipit remissionem peccatorum? etc.
Und sol ernstlich befohlen werden, das ein gleicher
catechismus durchaus im land gebraucht werde.
Und dieselbigen tag sol man den knaben ein
lectio aus göttlicher schrift exponirn, am mitwoch
Mattheum oder proverbia Salomonis, am sonnabent
die erste epistel ad Timotheum, oder die epistel
ad Colossenses, oder ein gemeinen psalmen, als
miserere, de profundis, psalmum primum beatus
vir, secundum quare fremuerunt gentes, psalmum 24.
 
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