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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0269
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Klosterordnung von 1572.

253

Wiewol nun den psalter täglich lesen, singen,
beten, rechte erkäntniss und furcht gottes, wahr-
haftigen glauben und kräftigen trost in allen
trübsaln, anrufung und danksagung und gehorsam
gegen gott, daraus in unsern herzen anzuzünden
und zu erwecken an sich selbst ein recht christ-
lich und heilig werk ist, — so ist doch nicht
allein dieses stracks wieder solchen rechten und
nützlichen gebrauch des psalters, dass die closter-
jungfrauen denselben in unbekanter lateinischen
sprachen ohne allen verstand und andacht, allein
mit dem mund und nicht mit dem herzen haben
dahin singen müssen, daher das sprichword ent-
sprossen : Du liesest eben , wie ein nonn den
psalter, sondern auch, dass sie mit diesem lesen
oder singen des psalters ihre und anderer leute
sünde büssen und den seelen aus dem fegfeur
helfen wollen. Vielmehr aber ist disse öffentliche
heidnische abgötterei zum höchsten sträflich, dass
sie über diesen unverstand und missbrauch des
psalters die verstorbenen heiligen menschen,
Mariam, Annam, Claram, Catharinam etc. und
ihre bilder täglich angebetet und ihr vertrauen
uff der heiligen verdienst und vorbitte gesetzet,
wie die collecten offentlich ausweisen; auch von
den heiligen selbst nicht allein fürbitte für die
lebendigen und todten, sondern auch hülf und
errettung aus allerlei noht (wie dann namhaftig
vierzehn nohthelfer für andern sind gerühmet und
das salve Regina und gebetlein Maria mater
gratiae, tu nos ab hoste protege, in hora mortis
suscipe und dergleichen bezeugen) begehret haben
und gedichtet, gott und die heiligen sind gnädiger
und erhören besser bei einem bilde, dan bei dem
andern, und dieses alles wider die ewige un-
wandelbare regul des ersten gebots: Du solt gott
deinen herrn anbeten und ihm allein dienen.
Rufe mich an in der noht, so will ich dich er-
hören, dass du mich preisen solt. Kommet her
zu mir alle, die ihr beschweret und beladen seid.
Ich will euch erquicken. Und von den ver-
storbenen heiligen spricht der prophet ausdrück-
lich, dass sie uns nicht hören oder kennen. Es. 63.
Bistu doch unser vater, den Abraham weiss von
uns nichts, und Israel kennet uns nicht. Du aber
herr bist unser vater und unser erlöser. Der-
halben auch kein gottesword noch befehl , noch
exempel von der verstorbenen heiligen anrufung
in der ganzen heiligen schrift zu finden ist. Die-
weil auch nur ein mittler ist zwischen gott und
den menschen, der mensch Jesus Christus, welcher
zur rechten des vaters für uns bittet. Rom. 8.
Ebr. 7 und kein ander name unter dem himmel
ist, in welchem wir können selig werden, den
allein der name Christi, so können wir uns auch
allein auf seinen und nicht der heiligen verdienst
verlassen.

Also ist die ganze lehre von der christlichen
busse oder bekehrung zu gott, von der beicht und
absolution, von glauben und vertrauen auf das
einige verdienst und genugthuung Jesu Christi
und von guten werken ganz in den clöstern ver-
fälschet und verkehret, wie allein diese gemeine
forma absolutionis alzusehr ausweiset: Passio do-
mini nostri Jesu Christi, meritum et integritas
beatae Mariae semper virginis, intercessio omnium
sanctorum, obedientia, labor et rigor ordinis,
omnia bona quae feceritis et adversa, quae propter
deum sustinueritis, sint vobis in remissionem om-
nium peccatorum vestrorum. Amen.
Wollen itzund der gemeinen irthümern von
der busse geschweigen, dass unser reu und leid
vergebung der sünden verdiene (welche doch allein
Christus verdienet) und müsse gnugsam sein
(welche unmüglich ist). Item man müsse satis-
faction oder genugthuen für die sünde mit unsern
werken, so doch Christus allein für unsere sünden
genug gethan hat. Item, dass wir nicht gewiss-
lich glauben, sondern zweifeln sollen, ob uns die
sünden von gott vergeben sind. So doch gott
eben darum die verheissung der gnade im evan-
gelio offenbaret hat, dass wir nicht im zweifel
stecken bleiben, wie die heiden, sondern der-
selbigen glauben sollen, gleichwie der gichtbrüch-
tige dieser verheissungen: Sohn, dir sind deine
sünden vergeben, von herzen glaubte und nicht
daran hat zweifeln sollen, dass ihm selbst seine
sünden gewisslich vergeben waren. Den wer gott
nicht glaubet, der macht ihn zum lügner, wer
aber an den sohn gottes gläubet, der hat das
ewige leben. Joh. 3.
Desgleichen ist das hochwürdige sacrament
des leibes und bluds Christi vielfeltig verkehret,
das man wieder die einsetzung des testaments und
letzten willens unseres herrn Jesu Christi nicht
allein den closterjungfrauen wie auch andern
christen nur einen theil des sacraments gereichet,
sondern auch in ein täglich opfer für die sünde
der lebendigen und der todten, welcher seelen
dadurch aus dem fegfeuer erlöset werden sollen,
verwandelt hat. Da doch gottes word öffentlich
bezeuget, dass nur ein einig versühnopfer für die
sünde der lebendigen und der todten sei, welches
Christus einmal am creuz gethan hat, da er sich
selbst opferte, und durch sein eigen blut eingangen
ist einmal in das allerheiligste und hat eine ewige
erlösung erfunden, und mit einem opfer hat er in
ewigkeit vollendet, die geheiliget. werden, Ebr. 9.10.
So weiss die h. schrift nichts vom fegfeuer
nach diesem leben, sondern von dem feuer der
anfechtung, jammer und elendes alhie auf erden
redet sie oft. Auch sagt Christus Matth. 7 allein
von zweien wegen, einen zur seligkeit, den andern
zur verdamniss, wie Luc. 16 der reiche mann ins
 
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