Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0285
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Neubrandenburg. Kirchenordnung von 1559.

269

zeiten, wie christen eigent und gepürt, messig
leben soll.
Zum elften. Nachdem ihre F. G. in glaub-
wirdiger erfahrung gekomen, das diese stadt in
grossen verderb und schaden stehe und von jahren
zu jahren abnehme, so wollen ihr F. G., soviel
muiglich, dem unrathe, welcher die stadt in ver-
derben fueret, wehren und furkomen. Dieweil
dan die brautlachten und kindelbiere nicht wenig
dazu helfen, so setzen und ordnen hochgedachte
ihr F. G. hiemit und befehlen ernstlich, das erst-
lich die grossen unkostungen mit den geleubden
abgetan sein und sollen zum gelubde hinfurter
nicht mehr als drei tische menner, frauen und
junckfrauen aufs höchste gebeten werden.
Zum zwölften sollen die stauenbade, darmit
viel verspildet und vergeundet wirth, ganz und
gar abgethan sein, und zur hochzeit nicht mehr
volks als hiebevorn in unser gn. fürsten und herrn
ausgegangenen ordnung bevolen und publiziert
worden, gebeten und geladen werden.
Zum dreizehnten sollen alle kosten oder braut-
lachten nicht mehr auf den sontage, besundern
der kirchenordnung nach des negestfolgenden
montags gehalten werden, und sollen zu achten
vormitags mit junckfrauen und allem volke in
der kirche sein, daselbst soll testament gehalten,
gepredigt, derselben fort in der kirche vertrauet
werden. Und also die junckfrauen (wie bisher
hie eine bosse weisse gewest) nicht mehr vor
dem kirchoff stehn, besundern mit in der kirchen
gehen, und sie gottes wort mit an horen lassen.
Es soll auch ein jede braut und breutgam,
nach ihrem vermugen des montags einen tisch full
armer leute, weiniger oder mehr, speisen, damit
also godt der almechtige in seinen armen ge-
preiset und gelobet werde.
Zum vierzehenden. Wiewoll in allen ehr-
lichen frolicheiden, hochzeiten und andern, auch
das tantzen und andere pilliche freude zugelassen
und dennoch von etlichen mutwilligen unflaten
gespürt und gefunden, das sie auch in dem tanze
keine zucht noch erbarkeit halten, besundern
auch eherliche frauen und junckfrauen unzüchtig
umschwengen und sich mit ihnen verdregen. Nach-
dem solchs auch nicht zugedulden, gepieten hoch-
gedachte ihre F. G. ernstlich, das ein jeder, er
sei wer er will, sich solchs umbschwengens und
dreiens im tanze gentzlich enthalte. Wer aber
diss verechtlich halten, soll vier wochen mit dem
gefengnis gestraft und mit wasser und brot ge-
speiset werden, damit er also dadurch im tanze
auf ein ander mal züchtig zu sein lernen moge.
Zum funfzehenden. Nachdem augenschein-
lich, das an den heiligen tagen fürnemlich die
kindelbier und ander gasterei, welche alle zu
merklicher verhinderung godtliches wortes ge-

reichen, allhie gehalten werden, so sollen hin-
fürter keine kindelbier, noch gastebot auf den
sontag, besundern auf dem dinstage oder donners-
tage, da sie der predig keinen hinder zufügen
konnen, gescheen. Es soll auch niemantz, bei pene
vier taler, mehr zum kindelbier bitten als die
drei gevattern, ihr vater, mutter, schwester und
bruder, und die grossen vergeuntenden kindel-
bier bei itzt gemelter pene ganz und gar abgetan
sein. Item welche nicht zum sacrament gehn und
die ordnung unsers lieben herrn Christ verachten,
auch die, welche in offenbaren lastern, als hurerei,
ehebruch etc. leben, sollen nicht bei der taufe zu
stehn gestattet werden.
Zum sechzehenden wollen auch unser gnedige
fürsten und herrn endlich haben, das alhie vor
der stadt zwei gotsacker oder kirchove ausgesehen
und bestelt, dahin man die toten begrebt. Und
soll von nun an hinfürter niemantz mehr in der
stadt (und stanck und ungesunde luft dadurch zu
vermieden) begraben werden. Wer aber je die
seinen will auf den kirchof begraben, soll den
vorstendern einen gulden, und die in der kirche
wollen begraben lassen, vor ein jedes leich fünf
gulden den vorstendern geben.
Zum siebenzehenden. Mancher gehet nicht
bei gesunden liebe zum hochwirdigen sacrament,
und wen er krank wirth, verzeucht er auch da-
mit, bis ihm die sehle auf den lippen sitzt, wil
darnach erstlich, wen er nicht mehr sprechen
kan, das sacrament entfangen. Solche verechter
sollen verbannet sein, und wo sie sich nicht bei
gesunden liebe bekeren und busse thuen, soll
ihnen in den eussersten nothen kein sacrament
verreicht und sie ohne die absolution hinsterben
lassen. Darnach soll ihm kein christen nach zu-
grabe folgen und ohn alle christliche gesenge be-
graben werden. Ein jeder soll auch nicht alleine
aufs osterliche fest, sundern durchs ganze jahr
zum sacrament gehn.
Zum achtzehnten. Wenn toten seint, hat
man alhie ein heidschen gebrauch, helt nacht-
wache, bredt das kalb und treibt viel super-
stitiones, wie die nicht alle konnen genennet
werden, die sollen hiemit ganz abgeschafft sein.
Es soll auch in oder vor den heusern keine vigilie
mehr gesungen, besundern wenn die schuler
komen, soll das leich fort heraus nach dem
kirchove getragen werden, und der cantor mit
den schulern vorher und bei dem grabe singen,
bis das der corper begraben ist. Darnach soll
der predicanten einer eine kurze vermahnung von
des menschen muhseligen leben und der frolichen
auferstehung thuen. Welcher nun bei der be-
grabnuss solche vermahnung will haben, soll sich
jegen dem predicanten, so mit zu der begrebnuss
gebeten wirt, dankbarlich erzeigen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften