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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0290
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274

Mecklenburg.

Der politische Gegensatz zwischen Fürst und Stadt zeigte sich in den schärfsten Formen
bei Gelegenheit der Visitation von 1564. Im Sommer 1564 wollten die Landesherrn wieder in
Rostock visitieren lassen. Die Instruktion für die Visitatoren vom 3. August 1564 findet sich im
Staatsarchiv Schwerin, Kirchen und Pfarren zu Rostock. Die Commission verhandelte vom
12.—19. August mit dem Rathe über die Bedingungen, unter denen dieser sie zuzulassen bereit
war. Man kam zu keinem Ergebnisse und brach die Verhandlungen ab. Am 19. Februar 1566
setzten die Landesherren die Visitation mit Waffengewalt durch und führten sie vom 13. Februar
1566 zunächst bis zum März 1566, und später wieder im November durch. Über das Ergebniss
wurde den Herzögen am 13. Mai 1567 in Doberan Bericht erstattet. Die Visitationsakten im
Staatsarchiv Schwerin, Kirchen und Pfarren zu Rostock, liefern für uns keine Ausbeute.
Neue Streitigkeiten entstanden 1578 wegen der Exekution der Visitation und der Con-
firmirung der Prediger. Fürsten und Rath unterwarfen sich einem Schiedsspruche von Rechts-
gelehrten und schlossen am 28. Januar 1578 daraufhin einen Vertrag über die Bedingungen,
unter denen die Visitation in Rostock fortgesetzt werden sollte. Der Vertrag ist abgedruckt
bei Schröder 3, S. 469: Beide Theile wollen dem Superintendenten Pauli Deputirte zu-
gesellen; wenn der jetzige Oeconomus sterbe oder abziehe, solle der Superintendent einen ge-
eigneten Nachfolger vorschlagen, über den sich dann beide Theile einigen würden. Dieser
Vertrag erledigte die prinzipiellen Streitpunkte nicht; beide Theile behielten sich ihre Rechte
vor, aber man hatte wenigstens einen provisorischen Modus vivendi geschaffen. Nunmehr ver-
glich man sich am 13. Dezember 1578 weiter über die Instruktion der Visitatoren und die
Form des Eides des Oeconomus. Die Visitatoren mussten auf diese verglichene Instruktion ein
Gelübde ablegen. Die Instruktion, der Eid der Visitatoren und der Eid des Oeconomus finden
sich in zeitgenössischen Handschriften im Ratsarchiv zu Rostock, Ecclesiastica V, Visitation.
Sie sind abgedruckt in „Gelehrte Beiträge zu den Mecklenburgischen Schwerinschen Nach-
richten, 15., 16., 17. Stück. Sonnabend den 13. bis zum 27. April 1782“; bei Schröder 3,
S. 469 (Instruktion und Visitatorengelübde). Ich drucke nur die Instruktion ab (Nr. 50).
III. Hatte der Rath somit in der Visitationsfrage sich nicht die völlige Unabhängigkeit
vom Landesherrn erringen können , so kam es natürlich bei andern Ausflüssen des kirchlichen
Regiments zu nicht minder bedeutsamen Zusammenstössen.
Wie Rostock von Stadt-Obrigkeits wegen selbständig mit reformatorischen Massregeln
vorgegangen war und sich damit das Regiment angeeignet hatte, so suchte es auch unabhängig
vom Landesherrn dieses Kirchenregiment zu behaupten und auszubilden. 1554 hatte es sich
zur Unterstützung des Raths in kirchlichen Angelegenheiten einen eigenen Superintendenten
bestellt und sich somit von der Zuständigkeit des landesherrlichen Superintendenten losgesagt.
Über die Bestellung dieses Superintendenten fanden viele Streitigkeiten statt zwischen dem Rath,
dem Fürsten und dem Ministerium, worüber zahlreiche Akten im Archiv des geistlichen Mini-
steriums zu Rostock Aufschluss geben.
Gegen den Gedanken eines städtischen Superintendenten, oder eines Superintendenten
für ein Stadtgebiet an sich hatten die Fürsten noch nicht einmal so viel einzuwenden, denn
solche Beamten kamen auch anderweitig vor. Ganz anders aber gestaltete sich die Machtfrage,
als der Rath sein eigenes Consistorium errichten wollte; denn damit nahm der Rath ein Recht
für sich in Anspruch, welches überall in Deutschland als ein Kronrecht des Landesherrn be-
trachtet wurde.
Dieser Conflikt ist hier näher zu schildern. (Man vergleiche dazu Koppmann, Ge-
schichte der Stadt Rostock. Theil 1. 1887; Schirrmacher 1, S. 422 ff.; Krabbe, Gesch,
der Universität Rostock.)
Die Stadt Rostock wollte ihre eigene Consistorialgerichtsbarkeit haben. Dass sie daher
dem Plane der Errichtung eines Landesconsistoriums und besonders dessen Verbindung mit der
Universität Rostock (die der Rath übrigens in ziemliche Abhängigkeit von sich gebracht hatte [vgl.
 
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