Rostock.
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nicht erfüllt werden; denn wenn ein solches Consistorium eingerichtet würde, so würde ja
eine weitere Instanz entstehen; die erste Instanz wäre dann das städtische Consistorium, von
diesem ginge die Berufung an den Delegirenden, den Rath, und dann erst käme das herzog-
liche Consistorium an die Reihe; deswegen müsse der Rath dabei bleiben, dass die Ehesachen
in erster Instanz gerichtlich vom Rathe entschieden würden. Der Rath wolle aber dem
Ministerium entgegenkommen und anordnen, dass zuerst ein Prozess in Güte versucht werden
solle vor einer Commission, die aus dem superintendenten und den Pastoren der drei Haupt-
kirchen, dem Bürgermeister, zwei Rathsverwandten und einem Juristen bestehen sollte. Diese
Punkte fasste der Rath in einem besonderen Mandate zusammen, worüber sofort das Nähere
zu sagen ist. In dem Schreiben an das Ministerium finden sich noch weitere Zugeständnisse.
Nach der Beweisaufnahme und vor der definitiven Entscheidung will der Rath die Parteien
nochmals „zur Versuchung der Güte“ an die Verordenten verweisen und, falls dieser Güte-
versuch ebenfalls misslingt, vor Abfassung des Urtheils die Akten dem Superintendenten und
den Pastoren nochmals vorlegen, damit diese noch etwaige Erinnerungen vorbringen könnten;
die Urtheile sollten dann aber, wie alle anderen Urtheile, auf dem Rathhause publizirt werden,
damit die Parteien dann sofort gemäss dem Erbvertrage an das Mecklenburgische Consistorium
appelliren könnten. Der Rath spricht die Erwartung aus, dass das Ministerium damit zufrieden
sei. Es waren in der That, wie man sieht, bedeutende Zugeständnisse an die Geistlichen damit
gemacht. Das alte Raths-Consistorium war in der alten Zusammensetzung wieder eingesetzt
worden; allerdings führte es diesen Namen nicht mehr, und es war keine entscheidende Instanz
mehr, sondern lediglich ein Sühnegericht. Dieses sollte aber zweimal im Lauf des Prozesses
thätig werden. Ausserdem erhielten die Geistlichen nach Abschluss der Akten diese zur Begut-
achtung übersandt und konnten ihren speziellen Standpunkt noch rechtzeitig vor der Ent-
scheidung geltend machen. Das Urtheil fällte allerdings der Rath, und wie er dabei die Er-
innerungen der Geistlichen berücksichtigte, war seine Sache. Der Rath hatte damit die vom
Fürsten ihm persönlich zugesprochene Zuständigkeit in Ehesachen formulirt, gleichzeitig eine
Art Consistorium behalten und dem Ministerium einen wichtigen Einfluss gesichert. Es war
dies also eine nicht ungeschickte Entwirrung und Lösung der schwierigen Frage. —
Unter dem 9. März 1585 erliess der Rath ein Mandat über den Eheprozess, welches die
oben erwähnten Punkte formulirt.
Dasselbe gelangt hier nach dem Rathsarchiv Rostock, Akta betr. Consistorium Vol. II,
erstmalig zum Abdruck. (Eine schöne zeitgenössische Abschrift findet sich auch im Archiv des
Geistl. Ministeriums Rostock, Tom. VII, Bl. 219.) (Nr. 54.) Nach dieser Verordnung wurde
in Zukunft verfahren. Die Vorladungen und Entscheidungen erfolgten jetzt stets von „Bürger-
meister und Rath“ (vgl. Archiv des Geistl. Min. Tom. VII Bl. 225 ff.). Die Protokollbände des
Rathsarchivs Rostock (Protokolle in Ehestandssachen, Vol. I und II) enthalten sehr inter-
essantes Material zur Geschichte des protestantischen Eherechts.
IV. Die schon im Vorhergehenden erwähnten Erbverträge zwischen den Herzögen und
der Stadt vom 21. September 1578 und 28. Februar 1584 enthalten verschiedene kirchliche
Regelungen. Diese werden hier abgedruckt (Nr. 45 u. 52) nach den Drucken, Rostock 1644
und 1763; die Artikel von Bestellung der Superintendenten und Pfarrer aus dem Erbvertrage
von 1573 sind auch in Abschrift im Archiv des Geistl. Min. zu Rostock Tom. III erhalten);
ein weiterer Abdruck steht bei Westphalen, Diplom. Mecklenburg. IV, 1155 bzw. 1158.
Diese Verträge vermochten aber eben so wenig wie der schon oben behandelte Vertrag
wegen Visitation und Confirmation der Prediger vom 13. Dezember 1578 den Frieden völlig zu
garantieren; das gegenseitige Misstrauen blieb bestehen und kam auch gelegentlich wieder zum
Durchbruch. So bei den Berathungen über die Kirchenordnung 1584 ff. Vgl. Schnell,
Kirchenordnungen S. 103, 107, 108, 111, wie denn auch der Rath gegen die Ordnung von 1602
förmlichen Protest erhob. (Vgl. Schnell, a. a. O. S. 117.)
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nicht erfüllt werden; denn wenn ein solches Consistorium eingerichtet würde, so würde ja
eine weitere Instanz entstehen; die erste Instanz wäre dann das städtische Consistorium, von
diesem ginge die Berufung an den Delegirenden, den Rath, und dann erst käme das herzog-
liche Consistorium an die Reihe; deswegen müsse der Rath dabei bleiben, dass die Ehesachen
in erster Instanz gerichtlich vom Rathe entschieden würden. Der Rath wolle aber dem
Ministerium entgegenkommen und anordnen, dass zuerst ein Prozess in Güte versucht werden
solle vor einer Commission, die aus dem superintendenten und den Pastoren der drei Haupt-
kirchen, dem Bürgermeister, zwei Rathsverwandten und einem Juristen bestehen sollte. Diese
Punkte fasste der Rath in einem besonderen Mandate zusammen, worüber sofort das Nähere
zu sagen ist. In dem Schreiben an das Ministerium finden sich noch weitere Zugeständnisse.
Nach der Beweisaufnahme und vor der definitiven Entscheidung will der Rath die Parteien
nochmals „zur Versuchung der Güte“ an die Verordenten verweisen und, falls dieser Güte-
versuch ebenfalls misslingt, vor Abfassung des Urtheils die Akten dem Superintendenten und
den Pastoren nochmals vorlegen, damit diese noch etwaige Erinnerungen vorbringen könnten;
die Urtheile sollten dann aber, wie alle anderen Urtheile, auf dem Rathhause publizirt werden,
damit die Parteien dann sofort gemäss dem Erbvertrage an das Mecklenburgische Consistorium
appelliren könnten. Der Rath spricht die Erwartung aus, dass das Ministerium damit zufrieden
sei. Es waren in der That, wie man sieht, bedeutende Zugeständnisse an die Geistlichen damit
gemacht. Das alte Raths-Consistorium war in der alten Zusammensetzung wieder eingesetzt
worden; allerdings führte es diesen Namen nicht mehr, und es war keine entscheidende Instanz
mehr, sondern lediglich ein Sühnegericht. Dieses sollte aber zweimal im Lauf des Prozesses
thätig werden. Ausserdem erhielten die Geistlichen nach Abschluss der Akten diese zur Begut-
achtung übersandt und konnten ihren speziellen Standpunkt noch rechtzeitig vor der Ent-
scheidung geltend machen. Das Urtheil fällte allerdings der Rath, und wie er dabei die Er-
innerungen der Geistlichen berücksichtigte, war seine Sache. Der Rath hatte damit die vom
Fürsten ihm persönlich zugesprochene Zuständigkeit in Ehesachen formulirt, gleichzeitig eine
Art Consistorium behalten und dem Ministerium einen wichtigen Einfluss gesichert. Es war
dies also eine nicht ungeschickte Entwirrung und Lösung der schwierigen Frage. —
Unter dem 9. März 1585 erliess der Rath ein Mandat über den Eheprozess, welches die
oben erwähnten Punkte formulirt.
Dasselbe gelangt hier nach dem Rathsarchiv Rostock, Akta betr. Consistorium Vol. II,
erstmalig zum Abdruck. (Eine schöne zeitgenössische Abschrift findet sich auch im Archiv des
Geistl. Ministeriums Rostock, Tom. VII, Bl. 219.) (Nr. 54.) Nach dieser Verordnung wurde
in Zukunft verfahren. Die Vorladungen und Entscheidungen erfolgten jetzt stets von „Bürger-
meister und Rath“ (vgl. Archiv des Geistl. Min. Tom. VII Bl. 225 ff.). Die Protokollbände des
Rathsarchivs Rostock (Protokolle in Ehestandssachen, Vol. I und II) enthalten sehr inter-
essantes Material zur Geschichte des protestantischen Eherechts.
IV. Die schon im Vorhergehenden erwähnten Erbverträge zwischen den Herzögen und
der Stadt vom 21. September 1578 und 28. Februar 1584 enthalten verschiedene kirchliche
Regelungen. Diese werden hier abgedruckt (Nr. 45 u. 52) nach den Drucken, Rostock 1644
und 1763; die Artikel von Bestellung der Superintendenten und Pfarrer aus dem Erbvertrage
von 1573 sind auch in Abschrift im Archiv des Geistl. Min. zu Rostock Tom. III erhalten);
ein weiterer Abdruck steht bei Westphalen, Diplom. Mecklenburg. IV, 1155 bzw. 1158.
Diese Verträge vermochten aber eben so wenig wie der schon oben behandelte Vertrag
wegen Visitation und Confirmation der Prediger vom 13. Dezember 1578 den Frieden völlig zu
garantieren; das gegenseitige Misstrauen blieb bestehen und kam auch gelegentlich wieder zum
Durchbruch. So bei den Berathungen über die Kirchenordnung 1584 ff. Vgl. Schnell,
Kirchenordnungen S. 103, 107, 108, 111, wie denn auch der Rath gegen die Ordnung von 1602
förmlichen Protest erhob. (Vgl. Schnell, a. a. O. S. 117.)