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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0322
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306

Mecklenburg.

Abschnitt noch einer gründlichen Sonderuntersuchung, die sich besonders auf das Verhältniss
zwischen Rath und Geistlichkeit und auch auf das Verhältniss zwischen Rathsgerichtsbarkeit
und dem herzoglichen Kirchengericht zu erstrecken hat; denn was Niebur in der obigen Stelle
uns glauben machen will, dass der Rath sofort mit der Einrichtung der herzoglichen Behörde
seine Thätigkeit eingestellt habe, klingt, wenn man insbesondere an die ähnliche Situation in
Rostock denkt, wenig glaubwürdig.
IV. Der Rath erliess eine ganze Reihe kirchlicher Ordnungen.
1. Eine Verordnung wegen Besoldung der lutherischen Prediger, 1543. Sie findet sich
im Rathsarchiv zu Wismar, Zeugebuch 1541—1550 S. 215, 216. Der Abdruck bei Schröder,
Evang. Mecklenburg 1, S. 469 weicht davon in einigen Punkten ab (Nr. 58).
2. Eine Begräbnisordnung für das graue Kloster. Diese hat der Klosterschreiber
Wint theils aus einem alten Buche von 1532, theils nach mündlicher Überlieferung im Jahre
1563 zusammengestellt. Sie ist erhalten im Rathsarchiv Wismar, Kirchenbuch des grauen
Klosters S. 69—75. Der Abdruck bei Schröder 2, S. 438—440 ist sehr ungenau. Wir
drucken erstmalig nach dem Kirchenbuche (Nr. 60).
Eine weitere Begräbnissordnung von 1575 druckt Schröder 3, S. 217 ff. Sie findet sich
im Rathsarchiv zu Wismar Tit. I, Nr. 6, Vol. b (Nr. 62).
3. Mehrere Hochzeitsordnungen (überwiegend luxus-polizeilicher Natur) sind über-
liefert. So von 1567, 1579. Dieselben sind jedoch nicht ins Leben getreten. Von der von
1579 ist nur der Artikel über die Kleidung der Dienstmädchen durch Ablesen von der Kanzel
publiziert worden (vgl. Techen, Bürgersprachen, S. 140 Anm. 2). Eine neue Hochzeitsordnung
wurde 1587 beschlossen, wurde aber schon 1588 wieder ausser Kraft erklärt. Näheres s. Raths-
archiv Wismar Tit. I, Nr. 3, Vol. 5.
Aus der letzteren Ordnung druckt Schröder 3, S. 478 (er druckt 28. Juli 1578 — dies
beruht aber offenbar auf einem Schreibfehler für 1587) die Bestimmung ab, dass die Hoch-
zeiten nicht mehr an Sonntagen nach der Predigt, wie bisher, sondern an den Werktagen in
der Woche gehalten werden sollten.
4. Von verschiedenen Bettelordnungen, 1579 ff., finden sich Entwürfe im Archiv
zu Wismar.
5. Beachtenswerthe Anordnungen des Rathes bieten auch die Bürgersprachen von
1580—1608 und 1610, Techen, a. a. O. S. 346 ff. So Vorschriften gegen Schwören und
Fluchen, über Sonntagsheiligung, gegen Sakramentirer und Widertäufer; Kinder sollen nach
drei Tagen getauft werden, „bei strafe eines thalers an die pfarrkirche“. Jede Trauung
„hat durch den zuständigen pfarrer zu geschehen, bei strafe von 40 Mark Lübisch“; alle
ehelichen Verlöbnisse sollen in der Kirche vollzogen werden „by peen 4 mark Lub.“; die
Ehe ohne Erlaubniss der Eltern ist bei willkürlicher Strafe des Rathes verboten. Die „Ver-
löbnisse“ in der Kirche werden auch in den Hochzeitsordnungen von 1567 § 3 („nach
altem Herkommen“) und von 1579 § 21 geboten. Was es mit diesem in Wismar für eine
eigene Bewandtniss hat, geht aus einem Bericht des Superintendenten Wigand in Wismar
(1562—1570) hervor, den Schröder 2, S. 283 abdruckt und der lautet: „Wie es sonsten um
diese Zeit mit den Verlöbnissen in Wismar gehalten worden, das ist aus folgendem zu er-
sehen. D. Johannes Wigandus schreibet in Tractatu de Conjugio, dass zu Wismar dieser Gebrauch
gehalten werde; wenn ihrer 2 sich mit einander verloben wollen, wird eine öffentliche Zu-
sammenkunft in der Kirchen angestellet und treten zur Rechten der Bräutigam mit seinen
Eltern und nechsten Anverwandten, zur Linken diejenigen, welche der Braut zugethan. Unter
denselben trit eine fürnehme Person herfür und meldet, warum sie zusammen gekommen, mit
Bitte, dass ein jeder seine Meinung wegen vorstehender Heirath sagen wolle. Wenn denn
ein jeder erkläret, dass dieselbige wohl geschehen könne, werden beide Personen öffentlich im
 
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