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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0346
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Die freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf.

schwärmen und liess es in die Bürgersprache einverleiben (Staatsarchiv Lübeck, Index rer.
eccles. Bl. 365). —
Nachdem der Sieg der Reformation in der Stadt entschieden war, galt es noch, mit
dem Bischof und dem Capitel sich abzufinden. Das bereitete noch viele Schwierigkeiten. Mit
dem Domkapitel schloss man einen Vergleich (Schreiber, a. a. O. S. 86). Als Eutin 1534
in den Besitz Lübecks kam, floh Bischof Heinrich nach Hamburg. Er starb 1535 und es wurde
ein der evangelischen Lehre geneigter Bischof gewählt. Im Capitel siegte das lutherische Be-
kenntniss, als 1561 Eberhard von Holle Bischof wurde. Vgl. auch unten „Stiftsgebiet Lübeck“. —
II. Dieser erste Abschnitt der lübeckischen Kirchengeschichte bietet das erfreuliche
Bild eines steten Fortschrittes. Weniger schön stellt sich das kirchliche Bild in der späteren
Entwickelung dar. Kein Wunder, dass sich die Litteratur fast nur mit dem ersten Theil be-
schäftigt hat, und aus der Folgezeit nur von Lehrstreitigkeiten zu berichten weiss. (Vgl. statt
Aller: Starck, Kirchenhistorie.) Richtig ist ja allerdings, dass durch die letzteren die be-
teiligten Faktoren stark in Anspruch genommen und viele Kräfte lahm gelegt wurden. Immerhin
ist auch aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Manches zu berichten. Ich musste dies
im Wesentlichen aus den Archiven herausarbeiten, und möchte hier auf die dankenswerthe
Aufgabe einer eingehenden historischen Darstellung der lübeckischen Kirchenverfassung auf-
merksam machen.
Der Rath hatte die Leitung der Dinge in die Hand genommen. Die Geistlichen hatten
sich mit ihren Wünschen an ihn zu wenden. Der Rath entsprach diesen Wünschen, wenn es
ihm passte. So erliess er zwei Mandate vom 5. November 1575 und vom 8. November 1579,
welche hier erstmalig aus dem Staatsarchiv Lübeck, Archiv des Geistl. Min. Vol. II, Fasc. 4
abgedruckt werden (Nr. 66 und 67).
Für die rechtliche Situation sind namentlich die Vorgänge aus dem Jahre 1582 charakte-
ristisch. Das Ministerium hatte dem Rathe allerlei Wünsche vorgetragen gehabt, der Rath
hatte darauf hin auch Einiges verbessert. Das Ministerium hatte sich aber dabei nicht be-
ruhigt, sondern erneut petitionirt. Darauf gab der Rath durch Beschluss vom 3. Januar
1582 eine äusserst scharfe Antwort, in der den Geistlichen verschiedene Vorwürfe gemacht und
allerlei Anordnungen getroffen wurden. Die scharfe Tonart scheint, wie aus den Akten hervor-
geht, namentlich auf den Syndikus Calixt Schein zurückzuführen zu sein. Gleichzeitig erliess
der Rath für die Geistlichen eine allgemeine Dienst-Instruktion vom 3. Januar 1582.
Diese Stücke sind mehrfach erhalten (Staatsarchiv Lübeck, Archiv des Geistlichen
Min. Vol. I, fac. 3, Nr. 1, und Vol. II, fasc. 4) und werden hieraus erstmalig abgedruckt
(Nr. 68 und 69).
Gegen die Vorwürfe des Rathes in dem Beschlusse vom 3. Januar 1582 vertheidigte sich
das Ministerium. Eine ausführliche Darstellung dieser ganzen Wirrnisse giebt ein Aktenstück
„Narration des harten Strausses und Tragedien vom Rade dieser stadt wider ein Ehrw.
Ministerium dieser Kirchen durch Missgünstiger und Neider anbringen erregt“, welches sich
mehrfach erhalten hat, Staatsarchiv Lübeck, Archiv des Geistl. Min. Register Bl. 355 ff., Vol. II,
fasc. 4; Tom. II, 345 ff., 355 ff.
Der Rath behielt das Regiment in eigenen Händen und erledigte die kirchlichen An-
gelegenheiten , so weit thunlich, selbständig. Bisweilen bildete er eigene Kommissionen, die
aus Rathsdeputirten, dem Superintendenten und einigen Geistlichen bestanden; eine solche
Kommission wurde später ständig formirt und „Consistorial-Kommission“ genannt, worüber so-
gleich näher zu reden ist. Es war dies keine kirchliche Behörde, sondern eine Rathsbehörde
für kirchliche Angelegenheiten; denn selbst Angelegenheiten der Kirchenzucht nahm der Rath
in seine Competenz und übertrug deren Erledigung nach Belieben. So entschied er 1588,
dass die Frage, ob ein Vergehen notorisch sei oder nicht, „bei dem superattendenten und
 
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