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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0421
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Kirchenordnung von 1585.

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sachen eine obrigkeit macht hat, den bauren einen
vogt zu setzen, und nicht schuldig ist, was sie
dazu sagen, von ihnen zu erkundigen.
Dass diss unchristlich sein wolte, zeugt die
schrift an vielen enden, denn es wird damit Christi
befehl nicht gehalten, da er gebeut, dass die
kirche umb den beruf ihrer prediger, bald im an-
fange der ganzen sachen, wissenschaft mithaben,
und ihren seelssorger von dem herrn der erndten
mit bitten solle, Matth. 9.
Zu dem könte dissfals niemand mit gutem
gewissen sagen und vor gott zu verantworten auf
sich nehmen, dass ein solcher aufgedrungener
prediger von gott dem vater gesand, von Jesu
Christo seiner kirchen geschenket, und vom heiligen
geiste uber die gemeine gesetzet were, weil die
kirche umb ihn nicht einen gedanken gehabt, viel
weniger ein vater unser gott für ihn gebetet hette,
Matt. 9. Ephes. 4. Actor. 20. Sintemal, er nur
vom patrono, aus blossen menschen rath, wie ein
seelen vogt, wider gottes willen und wort, uber
die gemeine, welche Christus mit seinem theuren
blute erarnet hat, gesetzt, und der kirchen wider
ihren willen aufgeladen were. Derhalben es hie
gewisslich heissen würde: sie liefen, und ich habe
sie nicht gesand, Jer. 28. Und würde sich gott
an solche aufgeworfene lehrer nicht binden lassen,
dass er sie wolte oder solte für seine diener
halten, und ihre ampt zur kirchen erbauunge und
heil segenen. Und zeuget auch die erfahrunge,
dass solcher beruf der prediger selten wol ge-
raten ist. Es würde auch dem heiligen evangelio
Jesu Christi einen geringen ruhm geberen, wenn
man dermassen uber der christen gewissen wolte
herrschen. Derhalben christliche gemeine billig
darumb wissenschaft haben, und fleissig zu solehen
sachen auch gezogen werden muss, auch mit raten
helfen. Denn ja ihr zum meisten daran gelegen
ist, dass sie wisse, weme sie ihre seelen vortrauen
solle. Und dieser ursachen halben, will gott mit
nichte die kirchen oder zuhörer, von der wahl
oder beruf der prediger ausgeschlossen, sonder
dabei, mit, an und über haben, als der er gleich
als seiner spons, alles ubergeben und vortrauet
hat. Es ist alles euer, spricht Paulus, es sei
Paulus oder Apollo, 1. Cor. 3. Und sagt nicht,
es ist alles der obrigkeit oder des patroni und
collatoris, dass der müge nach seinem willen alles
machen. Sol und muss derwegen die bestellunge
der prediger, vormöge göttliches wortes, bei der
ganzen gemeine jedes kirchspiels, nach gebür-
licher ordnung sein und bleiben, und die zuhörer
nicht aller dinge davon (wie im bapstthumb geschicht)
ausgeschlossen werden. Denn daher sagen die alte
christliche canones distinct. 63: Teneatur sub-
scriptio clericorum, honoratorum testimonium, ordi-
nis consensus et plebis. Item: Cleri plebisque con-

sensus et desiderium requiratur. Et: Sacerdotum
est electio, et fidelis populi consensus adhiben-
dus est.
Et: Vota civium, testimonia populorum, hono-
ratorum arbitrium, electio clericorum, in ordina-
tionibus sacerdotum constituantur.
Et: Per pacem et quietem, sacerdotes, qui
futuri sunt, postulentur, teneatur subscriptio cleri-
corum, honoratorum testimonium, ordinis conventus
et plebis.
Et Anastas. Imper.: C. de episcop. audient.
Ita eos praecipimus ordinari, ut reverendissimorum
episcoporum, nec non clericorum ac honoratorum,
possessorum et curialium decreto constituantur.
Et: Nullus detur invitis et non petentibus.
Ne plebs invita episcopum non optatum contemnat,
aut odio habeat.
Und zeugen auch die gebreuchliche alte wort:
Nominatio, postulatio, praesentatio, consensus, con-
firmatio, et collatio, was für eine ordnung in der
prediger beruf, anfenglich in der kirchen Christi
ist gehalten worden, und auch für und für bleiben
muss. Derwegen so wenig die gemeine macht
hat, ihres gefallens prediger sich aufzuladen,
2. Tim. 4. Also wenig wil es geziemen den
patronen, nach ihren willen und lüsten, der
kirchen, ohne ihr mitwissen, raht und bewilli-
gunge, seelssorger zu vorordenen, sondern soll und
muss die kirche billig mit darumb wissen, und
den erkennen, deme sie ihre seligkeit vortrauen
solle.
So were auch das nimmermehr mit gottes
worte und guten gewissen zu vorantworten, wenn
die kirche in einen mit gewalt aufgedrungenen
prediger willigen und zum seelsorger aufnehmen
und halten müste, welchen sie für ihrer gemeine
nicht zuvor hette müssen predigen hören, damit
sie spürete, ob er auch die gaben also zu lehren
von gott hette, dass sie seiner in der lehre ge-
bessert werden könten. Und hie kan darzu nichts
überall helfen, ob der prediger gleich nicht erst
aus der schulen kommen sei. Denn mit solchen
worten kan man wol für der welt den leuten
etwas fürgeben und einbilden, aber für gotte und
in dem gewissen würde es nicht bestehen. Wie
auch das unverantwortlich were, wenn man so un-
bedachtsam hierin wolte fahren, dass ein obrig-
keit oder patronus seinem prediger, mit nichte
dem superintendenten zu examiniren, wie er der
lehr erfahren, ob er darinnen rein oder nicht
sei, uberweisen und darbieten wolte, sondern
nur auf sein jus patronatus zur ungebür der-
massen bestehen, und fürgeben wolte, dass ein
solcher prediger allbereit eine zeitlang zuvor
anderswo examiniret, und zum predigampt vor-
ordenet were worden. Denn in so hoben wich-
tigen sachen muss die gemeine gottes nicht uber-
 
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