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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0459
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Kirchenordnung von 1585.

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sich begeben habe, decerniret und vom consistorio
mitgeteilet werden, dass das beklagte teil auf
eine ziemliche frist zur klage peremptorie citiret,
und die citation offentlich an gemelten örten
publicirt und abgelesen oder angeschlagen werde,
und wenn der angestalter termin iudicii ver-
flossen, mit der klage und beweis publicirter
citation vor unserm consistorio vorfahren, und die
unschüldige person, wo sie sich in dieser ihrer
einsamkeit wol und unvorweisslich verhalten, von
dem vörigen ehegelübde und ehegaden loss ge-
zelet, und ihrer gelegenheit nach sich zu vor-
heiraten, gefreiet und gemechtiget werden. Denn
solche leufer sein selten ohne schuld der unzucht
und ehebruchs, derwegen dem unschüldigen teil
muss und sol rat und hülfe geschaffet werden.
Und diss sein die zwo ursachen allein, welche
auch Chrysostomus anzeucht, 1. Cor. 7, umb
welcher willen ehescheidunge geschehen können.
Und was uber diese zwo ursachen noch andere
von etlichen keisern, als Theodosio, Valentiniano,
Leone, Justiniano angezogen worden, können nicht
zur ehescheidunge genuchsam sein.
Es begibt sich auch zu zeiten, dass sich leute
mit solchen personen uber zuvorsicht und willen
vorehelichen, welche zu dem ehestande undüchtig,
und derhalben keine ehe zwischen solchen leuten
sein noch werden kan. Wo derwegen solche
klagen fürkommen würden, sol man sich nicht
hierin ubereilen, weil zauberei und anders etwa
hie kan zu befürchten sein, sondern mit fleisse
erkundigen, ob auch bestendige und würkliche
ehe zwischen ihnen ehemals worden sei, oder ob
solcher schade nach dem vorlöbnuss und ehelichen
beiwonunge erfolget sei. Denn wenn solches er-
wiesen, so bleiben sie billig ungescheiden, wo
aber solcher beweis und bestendiger bericht nicht
kan eingebracht werden, sondern für dem ver-
löbniss solcher mängel gewesen, und allewege her-
nach ist in der ehe gespüret worden, sol das be-
klagte theil bei den arzten gewisse zeit über rat
zu suchen, ermanet und angehalten werden. Wo
aber in dreien jaren gar und ganz keine besse-
rung erfolget, und das ander theil sich hoch be-
schweret findet, kan dem gesunden teil eine
andere ehe, und derhalben die losszelunge von
der undüchtigen personen mit rechte nicht vor-
weigert werden. Aber alle freundliche zusammen-
teidigunge und vorsönunge, die sache etwas zu
vorlengern, sol hie fleissig für die hand genommen
werden.
Weil aber vielmal schwere klagen für-
kommen, dass oft ein ehegemahl das ander hoch
beschüldiget, und sich zum heftigsten und ganz
engstlichen beklaget über seins ehegatten wütrigen
sinn und mordliches fürnemen, das er entweder
mit gift oder sonsten dem andern theil nach dem

lebende trachte, und also in lebendes stetiger gefahr
für seinem gemahl nicht zu bleiben wisse, und
derhalben die ehescheidung suchet, wissen wir,
dass diese ursache vom herrn Christo, auch nirgend
in gottes worte mit angezogen wirt, als darumb
eheleute von einander gescheiden werden mügen.
Weil aber Theodosius und Valentinianus, auch
Authentica collat. 4 titul. 1 de nupt. §. mitiores
itaque, in solchem falle grössers unrats halben
zu vorhüten, die ehescheidunge zulassen, haben
etzliche der fürnemsten von den gelerten unser
zeit solcher constitution Theodosii beigepflichtet,
und dieselbige auf vorgehenden genugsamen voll-
fürten beweis approbiret und zugelassen, dabei
wir es unsers theils auch wol konten bewenden
lassen. Weil aber die heilige ehe ein grosses
geheimniss und stiftunge gottes, und derwegen
nicht unvorsichtiges hiegegen mit ergernisse vor-
zunemen, als sol unser consistorium in diesem
fall diese ordnung halten, dass für allen dingen
aller groll, unwille, grimm, neid, hass, bittrigkeit,
gefahr und feindschaft zwischen solchen eheleuten,
sampt den ursachen, daher solch ubel erquillet,
aufgehoben, versönet und zu grunde beigelegt
werde, und also mit frieden, liebe und ohne ge-
fahre beide personen bei einandern sein, leben und
bleiben mügen, und auf des schüldigen teils seite
alles hoch vorbürget, vorpfendet und vorpflichtet
werden, und von beider teilen freunden fleissig
aufsicht geschehen, dass solch gedempftes feuer
nicht wiederumb ausbrechen müge. Und wo hie-
gegen wiederumb gefahr, unlust und ubel zu vor-
muhten sein würde, sol gegen das schüldige theil
mit gefengnussen und dergleichen politischen
strafen ernstlich vorfahren werden. Wo aber
auch damit der sachen noch nicht solte geraten
sein, sollen ein zeitlang die personen zu bette
und tische gescheiden, und von einandern genommen
werden, ob gott die herzen wiederumb erleuchten
und brechen wolte. Wo aber alles umbsonsten und
verloren sein solte, wirt die unumbgengliche not
vorursachen, mehr und grössers vorstehendes un-
glücke , wo dasselbige gewisslich nicht aussen
bleiben, sondern zuerwarten und zubefürchtende sein
würde, zu vorhüten, hierin sich zu bedenken, und
weiter rat zu haben, dass das unschüldige teil
gerettet, und für solcher gefahr seines lebendes und
seines gemahls tyranneie gesichert werde, und die
constitution des kaisers Theodosii nicht aller dinge
vorachtet, sondern das schüldige teil in ernste
strafe genommen, auch wol des landes vorwiesen
werde. Aber doch also, dass hierin nicht un-
besunnen und plötzlich, mit unbedacht in ehe-
scheidinge gehandelt werde, sondern genugsame
bestendige und unvorneintliche zeugnuissen von des
schüldigen, wütrigen und freventlichen teils
tyranneie vorher gefodert und beigebracht werden,
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