Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0279
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1569

weniger als die mansklöster wiederumb in den
alten und gottseligen christlichen brauch ge-
bracht werden mögen.

Demnach und zum ersten, weil die glübde oder
verhieissungen, so anfangs den jungfrauen,
welche in die klöster eingenommen, auferiegt,
sich nicht weiter erstrecket haben, denn das
eine jede jungfrau, so in dem kloster zu sein,
sich auß gehorsam gegen deren eltern bewilliget,
der dominae, als der mutter, verheissen und ver-
sprechen müssen, derselben in allem, das erbar,
und nicht wieder Gott, zu gehorsamen, keusch
und züchtig zu leben, desgleichen an des klosters
speis und trank etc. und dergleichen nodturft
sich genügen zu lassen, und aber solche gelübde
nachmals weiter gedeutet und solcher jung-
frauen gewissen zur ewigen jungfrauschaft
ausserhalb dem ehestand und gehorsam dieses
klosterlebens verstrickt und verbunden, daraus
nachmals viel und mancherley beschwernussen
der gewissen, besonders bey den personen, so
zum ehestand von Gott erschaffen und beruffen,
zu grossem nachtheil ihrer seelen geraten, auch
sunsten viel und gros ergernis daher entstanden,
solchen, so viel an uns, zu begegnen, und den
gefangenen gewissen zu raten, wollen wir, das
hinfuro die jungfrauen mit solchen gelübden
nicht mehr verstrickt, noch gefangen, sondern
wie sie Gottes wort frey machet, also sol es
auch allen und jeden erleubt sein, im kloster
ausserhalb dem ehestand zu bleiben (sich doch
der jungfreulichen keuscheit und aller christ-
lichen zucht befleissigen) oder ausserhalb dem
kloster sich in den ehestand zu begeben, zu
welchen ihnen auch, da sie ördentlicherweiß
und mit unserm gnedigen vorwissen sich darin
begeben, mit der außsteur gnediglich geholfen
und gerahten werden sol.

Desgleichen weil der alten klosterjungfrauen
viel ihrer ordenskleider also gewohnet, das ihnen
beschwerlich, dieselbigen alsbald hinzulegen, sol-
len sie darzu nicht genötiget, sonder ihnen frey

gelassen sein, gemelte ordenskleider so lang, das
sie auß Gottes wort gnugsamen und gründ-
lichen bericht empfangen, zu behalten oder als-
bald hinzulegen. Gleichwol sollen sie erinnert
werden, welcher gestalt und worumb solche
ihre kleider vor dieser zeit geistlich genennet,
wie sie geweihet und die leut gewiesen und ge-
rehret worden, mit solchen kleidern und allem
des ordens verdienst ihre sünde vor Gottes an-
gesicht zu bedecken, der ursach auch die leut,
so ausserhalb den klöstern im ehestand gelebet,
sich in solchen ordenskleidern zu vergraben ver-
ordnet haben :1° c dardurch alles verdienstes des
ordens für Gott zur fürderlicher vergebung der
sünden teilhaftig zu werden, welchs unserm
christlichen glauben genzlich zuwieder, der uns
lehret, das wir durch den einigen verdienst des
allerheiligsten leidens und sterbens Christi ver-
gebung aller sünden haben, und die das gleuben,
sich mit solchen kleidern wol werden wissen
christlich zu verhalten.

Dargegen aber sollen auch solche klosterjung-
frauen, so ihren habitum und ordenskleider
noch zur zeit behalten, die andern nicht hassen,
verachten, schelten oder deshalben ubel halten,
so umb ihres gewissens willen dieselben auß-
gezogen und hingelegt, sondern bey und mit-
einander in gutem christlichen frieden und gott-
seliger einigkeit leben, biß durch die gnad
Gottes sie durchauß einerley christlichen ver-
stand im glauben und Gottes wort erlangen.

Zum dritten, es sol auch niemand mit under-
scheid der speiß auf gewisse tag gefangen sein,
sonder in solchen zugleich wie mit den ordens-
kleidern, soviel das gewissen belangt, jedes
seine freyheit behalten, dabey gleichwol umb
guter und nutzlicher haußhaltung willen ord-
nung sol gehalten werden, die auch nach ge-
legenheit der zeit also angestelt werden sol,
damit christliche freyheit in demselbigen öffent-
lich erwiesen und doch der schwachgleubigen in
allwege, soviel müglich, verschonet werde.

0OC Vgl. Apol. IV, 361: Bek. Schr. S. 228.

32

259
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften