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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0309
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Klosterordnung 1569

Denn mit dem willen Gottes ist es nicht ge-
schaffen, wie mit eines königs oder fürsten
kanzley, dern heimligkeit niemand wissen solle
denn derselben kanzler und geheime rhat, son-
dern die geheimnis der himlischen kanzley 37
und des ewigen rhats Gottes, den Gott Vater,
Son und heiliger Geist miteinander beschlossen
haben, wie der mensch solle selig werden, ist
dermassen so klar, hell und deutlich geoffen-
baret, das denselben gelert und ungelert, weib
und man, jung und alt, klein und gros, hoch
und nider stands zugleich eigentlich wol und
gründlich merken und verstehen können. Denn
Christus spricht zu seinen jüngern [Joh. 15, 15]:
Alles was ich von meinem Vater gehöret hab,
das hab ich euch gesagt. Und S. Paulus zu den
eltesten zu Epheso spricht [Act. 20, 26 f.]: Ich
bezeuge mich auf den heutigen tag, das ich
rein bin von aller blut, denn ich hab nicht
underlassen, das ich euch allen rhat Gottes
offenbaret. Das ist, ich hab euch nichts ver-
halten, sondern alles gesagt, was euch zu euer
seligkeit zu wissen von nöten ist.

Das aber der bücher heiliger göttlicher schrift
so viel seind und so oft daraus gepredigt wird,
hat es damit die meinung gar nicht, als ob man
aus eim jeden buch der h.schrift ein besondern
glauben lernen müsse. Denn es haben 'alle
propheten und apostel nur ein einigen selig-
machenden glauben geleret [Heb.ll; Act. 10,43],
ein einigen weg, ein einige thür in himel ge-
wiesen [Joh. 10, 9; 14, 6]. Sondern darumb sind
der bücher h. schrift so viel, das diejenigen,
so gedachte bücher geschrieben, nicht alle zu
einer zeit und an einem ort gelebt haben.

Damit nun die ganze christenheit wissen
möchte, was vom anfang der welt her je und
allwegen der einig, recht, warhaftig glaub ge-
wesen, dardurch die patriarchen, könig, prophe-
ten, apostel und alle ausserwelte Christen selig
worden sind, so sind im alten testament zu
aller zeit propheten, wie im neuen die apostel
gewesen, die aufgeschrieben haben, was nach

37 a. R.: Die geheimnis des reichs Gottes sind
auch den leyen offenbar.

und nach zu jeder zeit der rechte glaub gewesen
sey. Also hat Moses beschrieben, was der glaub
Adam und Eve, unserer ersten eltern [Gen. 3],
■und ihrer nachkommen [Gen. 22; 28], Abraham,
Isaac, Jacob und seiner kinder, die Gott aus Egyp-
tenland gefüret hat, gewesen sey. Nach dem
Mose volget Samuel und zeuget, was zu seiner
zeit der rechte glaub und gottesdienst bey dem
rechten volk Gottes gewesen sey. Auf Samuel
volgen die andern propheten, welche auch nicht
zu einer zeit und allwegen an einem ort ge-
predigt haben. Diese haben nicht geleret ein
andern glauben denn Mose oder Samuel, sondern
eben denselbigen, dadurch das volk und die gott-
seligen könig David, Salomon, Assa, Josia, Josa-
phat, Hiskia und andere frome könig sind selig
worden, zugleich wie Adam, Eva, Abraham,
Isaac, Jacob, Mose die seligkeit durch denselben
glauben erlangt haben [Heb. 11].

Also im neuen testament beschreibet nicht
Mattheus ein besonders evangelium, Marcus ein
anders, Lucas ein anders und Johannes auch ein
anders, sondern weil sie nach der himelfart
Christi in die ganze welt verstreuet und keiner
bey dem andern, sondern einer in diesem, der
ander in eim andern land gewesen, haben sie
allezumal nur ein einigs evangelium 38 von Jhesu
Christo geleret und geschrieben, wer er sey,
beides, seiner ewigen und göttlichen geburt
halben vom Vater und seiner menschlichen ge-
burt von der hochgelobten jungfrau Maria, war-
haftiger Gott und mensch, wer nach dem fleisch
seine voreltern, wann und an welchem ort und
wie er geborn und auferzogen, was sein lehr
und werk gewesen und was er für ein weg zum
himel angezeigt, wie es mit seinem leiden,
sterben, auferstehung, himelfart geschaffen, was
er auch nach seiner himelfart in aller welt zu
predigen bevolen habe, welchs alles miteinander
nichts anders ist, denn das die propheten zuvor
verkündigt haben, wie S. Petrus klerlich bezeu-
get, da er zum Cornelio saget [Act. 10, 43]: Von
diesem Jhesu zeugen alle propheten, das ver-

38 a. .R.: Summa und inhalt aller evangelisten.

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