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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0325
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Klosterordnung 1569

Dabey sich auch die klosterjungfrauen 9 zu
erinnern haben, nicht allein, wie ubel sie in
diesem stück verfüret, sondern auch, wie
schmelich sie von ihren leiblichen und christ-
lichen müttern in ihren herzen halten, von
denen sie in diese welt geboren sind. Denn sind
sie darumb eine braut Jhesu Christi, das sie
im jungfraustand und diesem orden leben,
wes braut ist denn ihrer jeden mutter? Sind
ihre mütter nicht auch des Herrn Christi braut,
so müssen sie seines feindes braut sein. Sind
sie aber auch Christus braut, so haben die
klosterjungfrauen ihres standes und ordens
halben keinen vorteil vor den gottsfürchtigen
eheweibern.

Ja, wenn wir sie sampt ihren werken mit
einander vergleichen, so wird sichs befinden,
das die fromen eheweiber 10 die rechte braut
Christi sind. Dargegen aber die klosterjung-
frauen in solchem stand (wie derselbige dieser
zeit beschaffen) sind nicht die braut Christi
blieben, noch ihre kron, so sie in der heiligen
taufe empfangen, behalten mögen, es sey denn,
das sie sich aus Gottes wort anders und bessers
weisen lassen.

Denn den ehelichen stand 11 hat Gott selbst
gestiftet und eingesetzet [Gen.3; vgl. Gen l,27f.
und 2, 21 ff.; Matth. 19, 4 ff.; 1. Cor. 7, 10], darzu
im paradis, ehe Adam und Eva gesündiget ha-
ben, darumb es auch ein geistlicher und Gott
gefelliger stand ist, den der heilige Geist selbst
hat geordnet, der ursachen auch die werk, so
eine christliche hausmutter mit der haushaltung
und uffziehung der kinder verrichten und also
oft ihren sanften schlaff brechen, auch mehr
denn ein, zwey, drey mal mit den saugenden,
kranken kindern zur metten gehen mus, sind
anderst nichts, denn ein Gott gefelliger gottes-
dienst, den S. Paulus so hoch preiset 12, das er

9 a. R.: Klosterjungfrauen halten nicht wol von
ihren leiblichen müttern.

10 a. R.: Der eheliche stand Gott gefelliger denn
der klosterstand, wie er etliche jar her ge-
halten.

11 a. R.: Der ehestand ist ein geistlicher, reiner,
keuscher stand.

saget [1. Tim. 2, 15]: Das weib wird selig durch
kinder zeugen, so sie bleibet im glauben und in
der liebe und in der heiligung sampt der zucht.
Wo wird aber dem klosterleben solch zeugnis
gegeben? Ja, das widerspiel, wie hernach an-
gezeiget werden sol, davon der Herr Christus
saget [Matth. 15, 9]: Sie ehren mich umbsonst
mit menschengeboten. Denn die werk 13 (der
gestalt und wie sie heutiges tages in den klö-
stern geschehen und für den höchsten gottes-
dienst gehalten) sind mehrer teils anders nichts
denn menschensatzungen, dem heiligen catholi-
schen, christlichen glauben entgegen, die neben
demselben nicht bestehen mögen und umb des
ehestandes willen (den die bepstischen unter die
sacrament gezelet) in die klöster anfangs ver-
ordnet. So gar ist nicht die meinung gewesen,
das dieser stand dem ehelichen stande für-
gezogen oder höher denn der ehestand solte ge-
halten worden sein.

Das aber S. Paulus 14 geschrieben hat, wenn
eine jungfrau nicht freie, thue sie besser, denn
so sie freie, erklert er sich selbst, damit ihm
seine wort nicht jemand verkere. Denn vor die-
sen worten schreibet S. Paulus also: Von den
jungfrauen habe ich kein gebot des Herrn, ich
sage aber meine meinung, als der ich barm-
herzigkeit erlanget habe von dem Herrn, treu
zu sein. So meine ich nun, solches sey gut
umb der gegenwertigen not willen [1. K 7, 25 f.].
Damit er gnugsam zu verstehen gibt, das seine
meinung gar nicht sey, als solte er auch vor
Gott den jungfreulichen stand dem ehelichen
stande fürziehen, sondern allein in dieser welt,
wie S. Paulus noch mehr erkleret, da er spricht:
So eine jungfrau freyet, sündiget sie nicht, doch
werden solche leibliche trübsal haben [1. K 7,
28]. Aber das sie vor Gott besser thue ausser-
halb dieser not, so domals zu Corintho gros

12 a. R.: Preis und lob der eheweiber beruffs
und guter werk.

13 a. R.: Werk des klosterlebens sind menschen-
satzungen.

14 a. R.: Rechter verstand der wort S. Pauli: Es
sey besser nicht freien.

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