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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0247
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Kirchenordnung 1539

handlen, ob man sie dem teufel aus dem rachen
durch Gottes wort reissen und zu einigkeit christ-
licher versamlung widerumb bringen möcht. Denn
es hat je Gott nicht einen gefallen am tode des
sunders, sondern wil (wie die schrift sagt), das
er sich bekere und das leben habe, Ezechie. 18
[23], Were derhalben auch ein christlich und gut
werk geschehen, wenn wir sie mit solchem un-
serm vleis durch Gottes wort zur besserung
bringen künten.
Aber doch, das falscher lere aufrur, so ge-
meiniglich an der widdertaufe hengt, gewehret
werde, so sol der bekerte, wenn er ein bürger
odder bürgerskind ist, bürgen setzen fur leib
und gut, das er sich hinfort solcher aufrürischen
lere nicht anhengig machen wolle. Sol auch,
wenn er darwidder handelte odder thet, einem
erbarn radt laut den kayserlichen rechten26a zu
straffen heimgefallen sein. Wenn er aber im an-
fang auf seinen irthum beharren und sich zu
keiner besserung bereden lassen wolte, sol er
von stund an zur stad hinausgeweiset odder
aber, wenn er im selbigen ungehorsam sein und,
nicht weichen wolte, in eines erbarn radts straff
genomen werden.
Ists aber ein auslendischer und hergelaufener,
derselbige sol auch zur besserung durch den
predicanten und die obangezeigten personen er-
26a Vgl. Corp. iur. civ., Cod. Just. I, 1, 2, 2; I, 5 u.
6; Ausg. P. Krueger etc. II, Ed. 9. 1915, 5. 50 ff.
27 Druckvorlage: ebentheur.
28 Der Donatismus hatte seinen Ursprung in
der diokletianischen Verfolgung (298—311). In
Karthago verlangte die rigoristische Partei
kompromißloses Bekenntnis. Nach 311 (Todes-
jahr des Bischofs Mensurius) kam es zum
Schisma, indem der Bischof Donatus von
Casä Nigrä, der im Namen der numidischen
Bischöfe vermitteln sollte, gegen die Wahl
der Gemäßigten einen rigoristischen Bischof
(Majorinus) erhob. Die numidischen Bischöfe
stellten sich auf die Seite des Donatus, wäh-
rend Rom und die übrigen Kirchen zu der
gemäßigten Partei hielten. Der bedeutendste
Führer der Donatisten war Donatus d. Gr.,
nach 316 donatistischer Bischof v. Karthago.
Bedeutende Führer der Donatisten z. Zt. Au-
gustins waren Gaudentius und Petilianus
(vgl. Aug., Contra Gaudentium Donatistarum
episcopum; MSL 43, 707 ff. CSEL 53, 199 ff.;
Contra litteras Petiliani; MSL 43, 245 ff.

manet, aber doch volgends oder so balde, er
bessere sich oder nicht, zur stadt hinausgeweiset
werden. Denn dieweil dieser geist ein irriger
und unrugiger geist ist und derhalben imer nach
unglück trachtet, wöllen ein erbar radt, gilde
und gemein mit solchen auslendischen hergelauf-
nen leuten kein abentheur27 stehen, damit allem
unrath, so aus dieser falschen lere pflegt zu
komen, allenthalben furkomen werde.
Sanct Augustin, da die Donatisten, Gauden-
tianer und Petilianer28, so auch der widdertauf
anhengig waren und dieselbigen lereten, war
auch im anfang der meinung, das man nicht
mit der gewalt und schwerte, sondern mit Got-
tes wort mit solchen leuten handlen und sich
der leiblichen straff enthalten solte29. Aber da
er darnach erfur und sahe, was die widdertauf
fur ein kraut und wie ein schendlich, aufrürisch
wesen drunter verborgen war, hat ers ihm ge-
fallen lassen, das man sie der öberkeit laut dem
keyserlichem edict30 zu straffen heimgegeben
hat31. Solche sentenz des heiligen Augustini
lassen wir uns (dieweil sie Gottes wort gemess
ist) umb der anhangenden aufrur willen auch
gefallen, und gemelter Donatisten und chiliasten
lere mit Gottes hülfe nimmermehr zu billichen
oder anzunemen.
CSEL 52,1 ff.). Die Donatisten übten an denen,
die sich ihnen von den Gemäßigten anschlos-
sen, die Wiedertaufe. Vgl. N. Bonwetsch, RE3
4, 788 ff.
29 Vgl. Ep. 23, 7; MSL 33, 98. CSEL 34, 1, 71 f.;
Ep. 93, 5, 17; MSL 33, 329 f. CSEL 34, 2, 461.
30 Schon Konstantin d. Gr. hatte den später
freilich wieder aufgehobenen Befehl gegeben,
den Donatisten die gottesdienstl. Stätten zu
nehmen. Auch unter seinen Nachfolgern wur-
den immer wieder Maßnahmen zur Bekämp-
fung der Donatisten ergriffen. — Die kath.
afrikanischen Bischöfe riefen 404 gegen sie
die Staatsgewalt an, worauf strenge Straf-
gesetze gegen die Irrlehrer ergingen. Nach
dem Religionsgespräch zu Karthago 411 er-
gingen erneut Edikte gegen sie. 414 u. 415
wurden ihre Versammlungen bei Todesstrafe
verboten und ihnen alle bürgerlichen Rechte
abgesprochen. Vgl. N. Bonwetsch, a. a. O. 793 ff.
31 Vgl. Ep. 93, 5, 16 ff.; MSL 33, 329 ff. CSEL 34,
2, 461 ff.

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