Kirchenordnung 1529
je und je ein erdom 19 in der christenheit gewest, und
darut volget, dat de werke des rechten geloven und
leve nicht ganz und gaer vorgeten, nicht sulde dem
gemenen hupen vorgebildet weerden, besunderen,
dat men densulven rechtschapenen geloven in un-
sem lande der gemene also vorbilde, darmede he
frede, froude, leve und enicheit, beide, by Gade
und den minsschen, make. Todem, war sulcken
vuirich und levendige gelove is, dar kan he nicht
rouwen, he mot sick bewisen und hervoerbrekeni.
So willen wy ock, dat de matery des vryen willen
und de predestinatione dorch de predicanten wys-
lick und bedacht schall gehandelt und geprediget
weerden, sunderlick vor de gemene des volkes;
wente 20 de matery de predestinatione is ein aff-
grund der wyßheit und macht Gades, welchs de vor-
nuft nicht begripen kan 21. Und tom lesten, dat de
ungeleerde predicanten, so der schrift nicht deep
eder hoech ervaren, nicht eder gar weinich darvan
predigen schoelen k.
Vam gebede.
So uns dan geloffwerdich 22 vorkamen, ock sus 23
weten dragen 24, dat dorch dat meiste deel unser
predicanten dat gebett vorgeten 25, also dat weder
Godt um syn godtliche gnade noch vor de overicheit
noch um underholdinge fredes und enicheit gebeden
wart und doch iderem Christen, in allen saken jegen
duvel, angest und not etc. to bidden, so uns de
schrift allenthalven vormanet, vannöden is, ock
Christus de Here ein gnadenryke beloffte 26 deyt,
1 Am Rand des Absatzes: Matt. 18 ; Marci 1; Lucae 24 ;
Acto. 20. 24; Gal. 3; Rom. 14; Gala. 5; 1. Timo. 1.
k Am Rand: Idem vult Augustinus in bono persever-
antie ca.22 [MSL 45, 1028ff.]; Rom. 9-11; 1. Cor. 3.
l Am Rand des Absatzes: Luce 11; Matt. 7; 1. Timo. 2.
19 = Irrtum; vgl. oben S. 225, Anm. 43.
20 = denn; vgl. Schiller und Lübben V, 671f.
21 Vgl. Luther, De servo arbitrio von 1525, WA 18,
784.
22 = glaubwürdig; vgl. Lasch und Borchling II,56.
23 = sonst; vgl. oben S. 222, Anm. 4.
24 Weten dragen = wissen; vgl. dazu Schiller und
Lübben V, 701.
25 In dem in Anm. 11 zitierten Brief an den Land-
grafen von Hessen berichtet Graf Enno: So hat man
auch von Christo, dem Sone Gottes, predigt, das er
sprekende [vgl. Joh 15, 16; 16, 23]: Wat gy bidden
in mynen namen, schal juw gegeven werden!, dar-
umme gebeden wy ernstlick, dattet Vader unse und
gelove (wo gesecht) alle Sundage van dem predick-
stole nicht sall vorgeten weerden, dat ock alsdan
beide, vor de overicheit und um erlanginge fredes
und enicheit 27 sal gebeden weerden 1.
Van denn hilligen dagen.
Wowoll nu de hilgen dage ein tytlank weinich eder
gar nicht geviret, willen wy nicht seen 28 lesteren;
dan wo iderman woll bewust, de hilligen to hoge in
de mensschen gebeldet, ock vast einen ideren hil-
ligen to eeren ein ampt (uns minsschen to helpen)
gegeven is und also Christo alle eere entagen und ein
vornemelick affgadery dardorch geworden, ock vele
hilligen, dar weder schrift noch nemant van wuste,
upgeworpen und gevyret syn, so dan nu (Gade loff)
sulcke erdom kenlick, darmede sick iderman weet
to holden und sulcken erdom ut der guetwilligen
herten getagen, so willen wy doch, sulchs unan-
geseen, dat vordan in unsen lande dat fest Paes-
schen, Pinxten, Wynachten, Nygejarsdach, der
Köningedach 29, hemmelvart, de feste unser lever
frouwen: purificationis 30, annuntiationis 31, so in
der schrift vorvatet syn, Johannis des doepers 32, der
apostelen dage 33 und sunderlinge de Sundage schö-
len gevyret weerden; wente wy apentlick befinden,
dat midlertyt de hillige dache nicht gevyret, by den
underdanen grote giricheit sick erfunden und dem
gesinde, wo den eselen to arbeiden, sunder alle
gar keine macht hette, er wer ein mensch, den andern
gleich, und sunst gar nicht me, er hette gessen, ge-
trunken und sunst alles geton nach der natur zu
reden, aber am jungsten tage werde er gewalt haben;
dess so wer der heilig Geist nit anzuruffen, vermocht
auch keine hulf, er wer allein ein botte Gottes; item
man solt gar kein gebet tun, es hulf keine bette
(C. A. Cornelius, 58).
26 = Versprechen, Verheißung; vgl. Schiller und
Lübben I,226; Lasch und Borchling I,201.
27 Vgl. Norder Gottesdienstordnung, unten S. 431.
28 Meiners: zeer.
29 6. Januar (Mt 2, 1-12).
30 2. Februar (Luk 2, 22-32).
31 25. März (Luk 1, 26-38).
32 24. Juni (Luk 1, 57ff.).
33 Vgl. oben S. 166, Anm. 24.
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je und je ein erdom 19 in der christenheit gewest, und
darut volget, dat de werke des rechten geloven und
leve nicht ganz und gaer vorgeten, nicht sulde dem
gemenen hupen vorgebildet weerden, besunderen,
dat men densulven rechtschapenen geloven in un-
sem lande der gemene also vorbilde, darmede he
frede, froude, leve und enicheit, beide, by Gade
und den minsschen, make. Todem, war sulcken
vuirich und levendige gelove is, dar kan he nicht
rouwen, he mot sick bewisen und hervoerbrekeni.
So willen wy ock, dat de matery des vryen willen
und de predestinatione dorch de predicanten wys-
lick und bedacht schall gehandelt und geprediget
weerden, sunderlick vor de gemene des volkes;
wente 20 de matery de predestinatione is ein aff-
grund der wyßheit und macht Gades, welchs de vor-
nuft nicht begripen kan 21. Und tom lesten, dat de
ungeleerde predicanten, so der schrift nicht deep
eder hoech ervaren, nicht eder gar weinich darvan
predigen schoelen k.
Vam gebede.
So uns dan geloffwerdich 22 vorkamen, ock sus 23
weten dragen 24, dat dorch dat meiste deel unser
predicanten dat gebett vorgeten 25, also dat weder
Godt um syn godtliche gnade noch vor de overicheit
noch um underholdinge fredes und enicheit gebeden
wart und doch iderem Christen, in allen saken jegen
duvel, angest und not etc. to bidden, so uns de
schrift allenthalven vormanet, vannöden is, ock
Christus de Here ein gnadenryke beloffte 26 deyt,
1 Am Rand des Absatzes: Matt. 18 ; Marci 1; Lucae 24 ;
Acto. 20. 24; Gal. 3; Rom. 14; Gala. 5; 1. Timo. 1.
k Am Rand: Idem vult Augustinus in bono persever-
antie ca.22 [MSL 45, 1028ff.]; Rom. 9-11; 1. Cor. 3.
l Am Rand des Absatzes: Luce 11; Matt. 7; 1. Timo. 2.
19 = Irrtum; vgl. oben S. 225, Anm. 43.
20 = denn; vgl. Schiller und Lübben V, 671f.
21 Vgl. Luther, De servo arbitrio von 1525, WA 18,
784.
22 = glaubwürdig; vgl. Lasch und Borchling II,56.
23 = sonst; vgl. oben S. 222, Anm. 4.
24 Weten dragen = wissen; vgl. dazu Schiller und
Lübben V, 701.
25 In dem in Anm. 11 zitierten Brief an den Land-
grafen von Hessen berichtet Graf Enno: So hat man
auch von Christo, dem Sone Gottes, predigt, das er
sprekende [vgl. Joh 15, 16; 16, 23]: Wat gy bidden
in mynen namen, schal juw gegeven werden!, dar-
umme gebeden wy ernstlick, dattet Vader unse und
gelove (wo gesecht) alle Sundage van dem predick-
stole nicht sall vorgeten weerden, dat ock alsdan
beide, vor de overicheit und um erlanginge fredes
und enicheit 27 sal gebeden weerden 1.
Van denn hilligen dagen.
Wowoll nu de hilgen dage ein tytlank weinich eder
gar nicht geviret, willen wy nicht seen 28 lesteren;
dan wo iderman woll bewust, de hilligen to hoge in
de mensschen gebeldet, ock vast einen ideren hil-
ligen to eeren ein ampt (uns minsschen to helpen)
gegeven is und also Christo alle eere entagen und ein
vornemelick affgadery dardorch geworden, ock vele
hilligen, dar weder schrift noch nemant van wuste,
upgeworpen und gevyret syn, so dan nu (Gade loff)
sulcke erdom kenlick, darmede sick iderman weet
to holden und sulcken erdom ut der guetwilligen
herten getagen, so willen wy doch, sulchs unan-
geseen, dat vordan in unsen lande dat fest Paes-
schen, Pinxten, Wynachten, Nygejarsdach, der
Köningedach 29, hemmelvart, de feste unser lever
frouwen: purificationis 30, annuntiationis 31, so in
der schrift vorvatet syn, Johannis des doepers 32, der
apostelen dage 33 und sunderlinge de Sundage schö-
len gevyret weerden; wente wy apentlick befinden,
dat midlertyt de hillige dache nicht gevyret, by den
underdanen grote giricheit sick erfunden und dem
gesinde, wo den eselen to arbeiden, sunder alle
gar keine macht hette, er wer ein mensch, den andern
gleich, und sunst gar nicht me, er hette gessen, ge-
trunken und sunst alles geton nach der natur zu
reden, aber am jungsten tage werde er gewalt haben;
dess so wer der heilig Geist nit anzuruffen, vermocht
auch keine hulf, er wer allein ein botte Gottes; item
man solt gar kein gebet tun, es hulf keine bette
(C. A. Cornelius, 58).
26 = Versprechen, Verheißung; vgl. Schiller und
Lübben I,226; Lasch und Borchling I,201.
27 Vgl. Norder Gottesdienstordnung, unten S. 431.
28 Meiners: zeer.
29 6. Januar (Mt 2, 1-12).
30 2. Februar (Luk 2, 22-32).
31 25. März (Luk 1, 26-38).
32 24. Juni (Luk 1, 57ff.).
33 Vgl. oben S. 166, Anm. 24.
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