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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0463
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III. Reformierte Kirchenordnnngen mit beschränktem Geltungsbereich,
a. aus der evangelischen Frühzeit Ostfrieslands

6. Dese nabeschrevene manier wert geholden to Norden
alle Sondaechs na dat sermoen.

[ca. 1528] 1

I. Laet ons aenroepen en bidden God, onsen be-
melsken Vader, voor onse gnädige here mit sinen
rade en amptluyden en voor alle overheit der werelt,
dat hoer God regere en regeren laet na sine woerde
en Geeste tot gemeinen welvaren en vrede.

II. Vor alle getrouwe dienaren en herderen 2 der
scapen Christi, dat se vrymoedeliken en eendrach-
teliken Gods woert voeren en den gekruysten 3 Chri-
stum verkondigen.

1 Druckvorlage: H. Reimers, Gestaltung, 53-54.

- Einen ähnlichen liturgischen Aufbau vgl. in
der ostfriesischen KO von 1529, oben S. 362 f.; in der
Londoner Gottesdienstordnung, wie sie im Anhang
zur „Summa doctrinae christianae in ecclesia Chri-
sti“ a Lascos (A. Kuyper II, 335ff.) wiedergegeben

ist; in der Forma ac ratio (Kuyper II, 83ff.); in

Microns KO, unten S. 600 ff. Die Sitte, in Verbindung

mit der Predigt (meistens nach der Predigt) einige
liturgische Stücke (ebenfalls in deutscher Sprache)
von der Kanzel vorzutragen, läßt sich weit ins
Mittelalter zurück verfolgen. Es handelt sich dabei
gewöhnlich um allgemeine Fürbitten bzw. Aufrufe zu
Fürbitten, um Herrengebet und Glaubensbekennt-
nis, mancherorts um die Offene Schuld bzw. allge-
meine Beichte mit Absolution (die O. Sch. wurde ca.
gegen Ende des 10. Jh.s aus der Einzelbeichte in den
Gemeindegottesdienst übernommen), seit dem 13.
Jh. auch um die zehn Gebote, das Ave Maria, ge-
legentlich die sieben Sakramente usw.; hinzu kamen
Zwischenreden und Abkündigungen. Vgl. A. Lin-
senmayer, Geschichte der Predigt in Deutsch-
land..., 1886, 30ff. 57ff. 82. 140ff.; auch R. Cruel,
Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter.
1879, 200ff. 610ff. 636ff.; Leiturgia III, 18. 20ff.
(E. Weismann). Weiteres s. unten S. 566 f. Was den
Norden betrifft, so führt z. B. eine Agende der Diö-
zese Schwerin von 1521 in niederdeutscher Sprache
wörtlich an: Vaterunser, englischen Gruß, Glaubens-
bekenntnis, Dekalog, Offene Schuld, zusammen mit
einer lateinisch gefaßten Vorschrift für die Kuraten
und Kaplane, diese Stücke bei allen Predigten vor-
zutragen; vgl. A. Schönfelder (Hrsg.), Liturgische
Bibliothek. Sammlung gottesdienstlicher Bücher
aus dem deutschen Mittelalter II. 1906, 81 ff. Eine
Utrechter Synode von 1294 schärft den Pfarrern
und Priestern ein, in ihren Parochien dem Volk jeden
Sonntag das Vaterunser und das Glaubensbekennt-

III. Item voer alle onse vyanden en alle onge-
lovigen: heiden, Joden, Turken en valsche Christen,
dat se God met sinen woerde en Geeste verlichte 4 en
hem goede herderen geve. Laet ons onse krancheit
en sonden bekennen, die ons ut Gods geset en ge-
boden werden openbaert.

Die tein geboden 5.

Ic ben die Heere, dyn God. Du salt geen ander
goden beneven my hebben.

nis, einmal monatlich aber oder wenigstens drei- oder
viermal jährlich den Dekalog und die sieben Sakra-
mente verständlich und in der Muttersprache auszu-
legen; vgl. Linsenmayer, aaO. 147, Anm. 2. Ist
hier auch offenbar an Katechismusunterweisung
gedacht, so floß diese mit dem Vortrag der Pronaus-
stücke doch oft ineinander. Wie unsere Gottesdienst-
ordnung und die Ostfriesische KO von 1529, so
knüpfen auch andere Ordnungen im norddeutschen
Raum an die mittelalterliche Predigtliturgie an, z. B.
die Preußische Agende von 1525 (Sehling IV, 32),
diese übrigens, ohne den Predigtgottesdienst mit
der Messe zu verbinden, die KO der Stadt Bremen
von 1534 (Sehling VII, 2; vgl. unten S. 567, Anm.
14), die Osnabrücker KOO von 1543 (oben S. 224.
258), die Bergedorfer KO von 1544 (Sehling V, 387;
vgl. oben S. 75, Anm. 78). Auch Bugenhagens KOO
enthalten z. T. Elemente der mittelalterlichen Pre-
digtliturgie (Sehling VI, 1, 440f.; bes. Sehling
V, 528); darüber L. Fendt, Einführung in die Li-
turgiewissenschaft. 1958, 196.Weitere Beispiele in:
Leiturgia III, 30,Anm. 110. Vgl. auch Verdener KO
von 1606, oben S. 165, u. a.

2 = Hirten; vgl. Doornkaat Koolman II, 76f.;
Schiller und Lübben II,246.

3 = gekreuzigten; vgl. Schiller und Lübben II,
588.

4 = erleuchte; vgl. Schiller und Lübben V, 394;
Lasch und Borchling I, 865.

5 Unsere Gottesdienstordnung läßt jetzt im wesent-
lichen die drei ersten Hauptstücke der christlichen
Lehre folgen, ähnlich wie ein 1538 in Antwerpen ( ?)
gedruckter Katechismus (vgl. dazu Einleitung, oben
S. 338 f.): Catechismus, dat is: De groote kinder-
leere... (Drucker: Niklaes van Oldenborch, nicht
„ Oldenbrech ‘) diese drei Stücke besonders bringt. Im
ersten Teil dieses Katechismus — der zweite Teil be-
ruht auf dem Catechismus minor puerorum des Ur-

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