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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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Kirchenordnung 1573/74

Unter der communion wollen wir zue singende
Jesuß Christuß, unser heyland etc. 99, Gott sey ge-
lobet und gebenedeyet etc. 1,O lamb Gotteß etc. 2,
Heilig ist Gott der Vatter etc. 3, einß umb daß ander,
im chor und nedden in der kirchen. Und sollen die
pastoren de kaspelßleute ermahnen, daß sie mit sin-
gen Gott loben, preisen, ehren und danken helfen,
auch den scholemeistern und kostern befehlen, daß
sie ohne furwißen der pastorn ihres gefallenß die
psalme nit singen, dazue noch das kaspelsvolk nit
gewehnet, noch sonsten die, so weltlicher lieder
gleiche weiße haben 4, doran sich der gemeine man
ergern möchte. Eß sollen auch alle und jeder pa-
storn in ihren befohlen kaspellen gleiche ceremonien
halten und deßen allezeit mit unsern hauptkirchen
durchauß einig sein, und wollen, daß unsere super-
intendenten dorauf achtung geben sollen.

Sectio secunda.

In unsern städten und flecken, daselbst die froh-
predigt gehalten wird, wollen wir, daß geistliche
psalme vor anfang der predigt, auch das Te Deum

99 Vgl. oben S. 161 mit Anm. 77.

1 Vgl. oben S. 161 mit Anm. 78.

2 Vgl. oben S. 161 mit Anm. 79.

3 Eine niederdeutsche liedmäßige Bearbeitung des
Sanctus von Nikolaus Decius (um 1480-1529), ent-
standen wohl 1522/23, erschien 1531 im Slüterschen
Giesangbuch, Rostock (Neuausgabe von C. M.
Wiechmann-Kadow 1858 ), Bl.L III: „Hyllich
ys Godt de vader/hyllich ys Godt de söne vgl.
Wackernagel III, Nr. 618; auch A. F.W. Fischer,
Kirchenlieder-Lexicon I. 1878, 248 f. Angeblich soll
das Lied in kein hochdeutsches Gesangbuch über-
nommen worden sein. In hochdeutscher Fassung mit
dem Namen des Decius ist es erwähnt bei Ph. J.
Rehtmeyer, Der berühmten Stadt Braunschweig
Kirchen-Historie III. 1710, 19, mit dem Bemerken,
es sei nicht mehr viel im Gebrauch. Vgl. dazu Plitt-
F. Cohrs, RE 3 4, 528 f.; K. Ameln, Das Sanctus-
und Agnus Deilied von Nikolaus Decius, in: Monat-
schrift f. Gottesdienst und kirchliche Kunst 45
(1940), 9 ff.; S. Fornaçon, Die Musik in Geschichte
und Gegenwart III (1954), 81 ff.; W. Lueken in:
Handbuch zum Ev. Kgb. II, 1. 1957, 52 f.; Kulp
Nr. 55.

4 Auch bei den Weisen des Wittenberger Umkreises

war überliefertes Melodiengut, darunter Volkslieder

im weiteren Sinn (auch städtische, höfische und Wei-

sen des Meistergesangs) verwendet worden; bei sol-

chem Parodieverfahren wurden die Melodien unter
Berücksichtigung der geistlichen Texte und zum

laudamus 5 oder das Benedictus, latein 6 oder
teutsch 7, in nachmittagspredigen aber neben an-
dern psalmen Davidts auch das herliche Magnificat 8
gesungen werde.

Sectio tertia.

Wir wollen auch hiemit, die vesper zue singen, auf
abend der hogen festtage und Sonnabend, doselbst
es gebreuchlich, zu laßen und solches umb der schu-
len willen bestettigt und zu verfolgen befohlen ha-
ben. Und nachdeme an örtern, daselbst örgeln sind,
die organisten unfieisig werden befunden und welt-
liche lieder schlagen, dorauß ergerniß erfolgen, aber
gleichwoll in der heiligen schrift dieselben nit verbot-
ten, sondern damit den allmechtigen zu loben und
preisen, ordnen wir, daß die organisten mit ernste
ihreß dienstes wahrnehmen und herrliche geistliche
stucke, der hilligen schrift einhellig, wanner daß vor
oder nach der sermon stat gibt, schlagen und dorauf
unsere pastoren achtung geben und ihnen das be-
fehlen sollen, domit wir solche nachleßigkeit zu
straffen verursacht werden muegen.

Zweck des Gemeindegesangs umgestaltet (vgl. auch
J. H. Moser, Die Melodien der Lutherlieder. 1935;
WA 35, 487 ff.). Sorgloser verfuhren in der Über-
nahme auch weltlicher unveränderter Weisen die
Böhmischen Brüder (dazu W. Blankenburg, Die
Musik in Geschichte und Gegenwart II [1952], 36 ff.;
auch in: Musik und Kirche 21 [1951], 67 ff.). Bei den
Dichtern geistlicher Lieder der zweiten Hälfte des
16. Jh.s bildete der Bereich weltlicher Lieder stärker
die Quelle der Melodien. Beispiel aus der Zeit unserer
KO: das Lied „Von Gott will ich nicht lassen“ von
Ludwig Helmbold (1532-1598) erschien 1572 in den
„Christlichen und tröstlichen Tischgesängen“ von
Joachim Magdeburg (zuerst bereits 1563 in einem
verlorenen Einzeldruck) mit einer sonst weltlichen
Melodie, die zuerst in Frankreich (Lyon 1557) mit
dem Text „Une jeune fillette“, in Deutschland um
1560 mit dem Text „Einmal tät ich spazieren“ nach-
weisbar ist (so S. Fornaçon in: Musik und Kirche
25 [1955], 66 ff., und Kulp Nr. 283). Vgl. Blanken-
burg, Kirchenlied-und Volksweise. 1953; Geschichte
der Melodien des Ev. Kgb., in: Handbuch zum Ev.
Kgb. II, 2. 1957, 45 ff.; auch Moser, Die ev. Kir-
chenmusik in Deutschland. 1954.

5 Vgl. oben S. 153 mit Anm. 36 und S. 163 mit Anm.
90. 6 Vgl. oben S. 153 mit Anm. 38.

7 Vgl. Handbuch der deutschen ev. Kirchenmusik I,
1. 1941, Nr. 484 ff., dazu ebd. S. 635 f.

8 Vgl. oben S. 153 mit Anm. 33; Handbuch d. dt. ev.
Kirchenmusik I, 1, Nr. 490 ff.

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