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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0770
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Harlingerland

und knechte sich untereinander zu besuchen, sambt
aller lichtfertigkeit, so dobey geschicht 91, inhalt
unser dieserhalb publicirten mandats in ao. 71 genz-
lich verbotten haben. Doch wollen wir unsern unter-
tanen vergunstigen, daß sie muegen in eine ehrliche
gesellschaft zusammenkommen und daselbst in
gotteßfruchten und aller zucht frölich und guter
dinge sein.

Sectio septima.

Wan auch auß den gildebecheren 92 fast eine un-
ordnung gefolgt, daß eineß jeden amptß meistere, so-
woll alß die knechte, drey oder vier tage nacheinan-
der daß laster deß vollsaufenß treiben und sich
untereinander verderben, beschetzen und beplun-
dern, so wollen wir derowegen unsere hiebevorn
mandat repetirt haben, daß meister und knechte
mit einem tag aufhören und des klockludens zum
anzeige der gilde sich enthalten sollen 93.

91 Die Fastnachtsbräuche sollten vielfach dem Kampf
der lebensfeindlichen und der Förderung der lebens-
freundlichen Mächte dienen. Zum Schutz gegen Ge-
fährdung durch dämonische Mächte maskierte man
sich. Der Streit zwischen „Winter“ und „Sommer“
wurde häufig in Kampfspielen dargestellt. Begießen,
Bespritzen mit Wasser, ins Wasser Werfen war eines
der am häufigsten angewandten Mittel, um alles
Böse und Unreine abzuspülen und Fruchtbarkeit zu
erzeugen. Tanzen der Hausfrau, der Eheleute und
der jungen Mädchen sollte dem Wachstum des Flach-
ses förderlich sein; Bäume, grüne Reiser usw. wur-
den zur Förderung der Fruchtbarkeit dargebracht
usw. Die Bräuche nahmen freilich vielfach den Cha-
rakter des einfachen Scherzes an. Vgl. O. Lauffer,
Niederdeutsche Volkskunde 2 1923, 122 ff.; W. Lüp-
kes, aaO. 148 ff.; P. Sartori, Westfälische Volks-
kunde. 1922, 145 ff.; Sitte und Brauch III (Handbü-
cher zur Volkskunde VII/VIII). 1914, 91 ff.; C. Cle-
men, aaO. 144 ff.; H. Bächtold-Stäubli, Hand-
wörterbuch des deutschen Aberglaubens II (1929/
30), 1246 ff.; A. Spamer in: Handbuch der deut-
schen Volkskunde, hrsg. von W. Peßler, II. 1934/
38, 35 ff.; ders., Deutsche Fastnachtsbräuche. 1936;
R. Beitl, aaO. 189 ff. Bei Lüpkes, aaO. 148, wird
von einer Sitte in Esens berichtet, einen Strauch-
besen durch die Straßen bis zum Tor hinaus um die
Wette zu werfen (Sitte seit wann?). Ursprünglich
wurde - wie auch anderswo - eine Stroh- oder Reisig-
puppe, die die Fastnacht, den Tod, den altersschwa-
chen Vegetationsgeist oder dgl. darstellen sollte, ins
Wasser geworfen oder vor dem Tor verbrannt. Vgl.
auch den Hinweis in: Niedersachsen 17 (1911/12),
260. Am 16. Februar 1581 erheß Graf Enno von Ost-
friesland ein strenges Mandat gegen die herkömm-

Der zwölfte articul.

Sectio prima.

Von den gesängen,

so man in der kirchen gebrauchen soll.

Ordnen wir, daß die psalmen, so von Doct. Lu-
thero, sel. gedechtniß, gemacht und in den psalm-
boeken 94 gefunden werden, vor andern am meisten
sollen gesungen und gebrauchet werden. Jedoch
wollen wir hiemit an die löbliche gesenge, latein oder
teutsch, auf den hohen festtagen bestimpt und in
dem göttlichen worte fundiret, nit verworfen haben,
und vor der communion ordnen wir zu singende daß
Sanctus latein 95 und teutsch, alß solches in bemel-
tem psalmbock Lutheri zue finden 96, und daß mit
sonderlicher andacht, durch drey knaben nieder-
gekniet, daß Benedictus 97 und in dem Symbolo
Athanasii Et homo factus est 98 gesxungen werden
soll, alß den solcheß biß daher gebreuchlich gewesen.

liche Feier des „Fastelabends“; vgl. H. Reimers
in: Friesen-Almanach 1922, 31.

92 = Festmählern der Zünfte, sonst „gildeberen“; vgl.
Schiller und Lübben II, 111.

93 Die Nienburger Stadtordnung von 1569 legte dage-
gen fest, daß „der amter terung“ den ersten Abend
in des alten, den zweiten Tag in des neuen Werk-
meisters Haus, den dritten Tag in des Schaffers Haus
gehalten und jeweils um acht oder neun Uhr ge-
schlossen werden sollte (F. E. Pufendorf, aaO.
338 f.; H. Gade, aaO. 209 f.). Graf Albrechts zur
Hoya Polizeiordnung von 1551 (aaO.) bestimmt in
Bezug auf die „ampterterunge“: so sol ein rat in-
sehens don und bestendige ordenunge machen...
doch die ampterterunge in einem hause nicht lenger
den einen dag waren, des abendes zu acht oder lenge-
sten negen schlegen ein ider widerumb heimkeren...

94 Vgl. dazu oben S. 158, Anm. 70.

95 Verschiedene Weisen des Sanctus mit Benedictus
lateinisch s. in der Psalmodie des Lukas Lossius,
Nürnberg 1553, S. CCLXXXIX. CCXCI ff.

96 Vgl. oben S. 158 mit Anm. 69.

97 Vgl. Anm. 95. (Verschiedene Weisen des Sanctus
mit Benedictus deutsch s. im Handbuch der deut-
schen ev. Kirchenmusik I, 1. 1941, Nr. 68 ff.)

98 Aus dem Symbolum Nicaenum (Bek.Schr., 26). Ver-
schiedene Weisen mit deutschem Text im Handbuch
der deutschen ev. Kirchenmusik, aaO. Nr. 62 ff., da-
zu ebd. S. 575 f. Weise mit lateinischem Text bei
Lukas Lossius, aaO. S. CCLXIX ff., verschiedene
Weisen in der zweiten Auflage der Psalmodie, Wit-
tenberg 1561, Bl. 276v-280r. Zum Nicaenum in der
Messe s. G. Rietschel-P. Graff, aaO. I 2. 1951,
318 ff. 368 f.; Leiturgia II, 29 ff. (K. F. Müller).

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