Die Kirchenordnungen
I. Landesherrliche Kirchenordnungen für die ganze Grafschaft
1. Ordenunge und articule, so wy, Enno, grave und herr to Oestfreeslandt etc., in
unsen landen allen predicanten und underdanen gebaden hebben, ernstlick toe hol-
den, seer nutliken to leesen.
Anno 1529 1.
Demnach und dewile sick vast ein lange tyt under
denn predicanten und anderen unsern underdanen
in saken des hilligen godtlicken woerdes twyspalt,
uneynicheyt, mißvorstant und misbruck begeven,
darum tovorne Gade, unsem heylande und salich-
maker, to sunderlingen lave, pryße und ehren, uns
und unsen underdanen to erholdinge frede und
eynicheyt, oeck unser und der unsen seelen salicheyt
voer nutte, heylsam und guedt bewogen, nömtlich,
soe wy eins geloven und religionn als Christen synn
und heten willen a, dat idt oeck billick und recht
were, dat heylsame, godtlicke wort, darut de recht-
a Am Rand: Rom. 10; Ioan. 4. 17; In Actis sepe.
1 Druckvorlage: Hs aus der Universitätsbibliothek
Bonn (S 336), die sog. „Penborgschen Kollektaneen“
(vgl. dazu Einleitung, oben S. 318), Schweinsleder-
einband, Folio, Bl. 29r—35r, 16. Jh. — Die zahlreichen
Marginalien der Druckvorlage sind aus prak-
tischen Gründen unter den Text verwiesen worden. -
Gröbere Abweichungen bei E. Meiners (vgl. dazu
Einleitung, oben aaO.) sind in den Fußnoten ver-
merkt. — Statt „1529“ stand in der Druckvorlage
ursprünglich „1533“, ist aber gestrichen und korri-
giert.
2 Im Abschied des Reichstags zu Speyer von 1529,
§ 1-10 (Koch-Senckenberg, Neue und vollstän-
digere Sammlung der Reichs-Abschiede. 1747,
2. Th., 293ff.) wurde im wesentlichen folgendes
festgesetzt: Bis zu einem geplanten Generalkonzil
innerhalb Deutschlands sollte alle weitere Neuerung
in der Religion verhütet werden. Die Lehre und die
Sekten, die sich gegen das Sakrament des wahren
Leibs und Bluts Jesu Christi richteten, sollte man
nicht gestatten, die Messe nicht abtun, an Orten, da
anders gelehrt wurde, wenigstens niemanden hin-
dern, die Messe zu hören. Die Wiedertäufer sollten
mit dem Tode bestraft, falls sie sich nicht bekehren
würden, anderenfalls u. U. begnadigt werden. Die
Kindertaufe wurde den Eltern zur Pfiicht gemacht.
Die Prediger sollten allein das Evangelium nach Aus-
legung der von der Kirche approbierten Schriften
predigen und lehren, vermeiden, etwas zu predigen,
schapene gelove entspringt, underscheidentlick pre-
diken laten, und soe voert, darut enerleye christlike
werke in unsem lande geholden und geleret weer-
den, to der behoeff wy desse navolgende ordeninge,
beide, denn predigern und tohoerern, to holden
ernstlick bevalen, voerbeholtlich doch, dat hyrdorch
des rikes ordenunge, so jungest to Spyr gemaket 2,
oeck ander der churfursten, fursten ordeninge,
welcke dem christliken geloven starken helpen, sun-
derlick oeck de articulen, so jungest to Marburgh
beslaten 3, nicht schoelen voerworpen edder vor-
nichtiget, besunder dusse unse ordenunge mit gen-
das den gemeinen Mann gegen die Obrigkeit auf-
bringen oder die Christen in Irrtum führen könnte,
und sich der Kontroversen enthalten. Bis zum Kon-
zil sollte auch nichts Neues gedruckt werden, vor
allem keine Schmähschriften. Kurfürsten, Fürsten,
Grafen und Stände versprachen, daß keiner den
anderen wegen des Glaubens vergewaltigen wolle
noch seiner Renten, Zinsen, Zehnten und Güter be-
rauben noch einer des anderen Untertanen des Glau-
bens wegen gegen seine Obrigkeit in Schutz und
Schirm nehmen usw. Akten zum Reichstag in:
Deutsche Reichstagsakten. Jg. Reihe VII, 1 u. 2.
1935 (J. Kühn). Vgl. B. Gebhardt, Handbuch
der deutschen Geschichte II 8. 1955, 79 f.
3 Die 15 Marburger Artikel wurden von Luther auf
Betreiben des Landgrafen von Hessen im Anschluß
an das im wesentlichen ergebnislos verlaufene Reli-
gionsgespräch vom 2.-3. Oktober 1529 zwischen
Luther und seinen Mitarbeitern auf der einen und
Zwingli und seinem Kreis auf der anderen Seite zu-
sammengestellt. In 14 Sätzen wurden die Lehr-
punkte, in denen man sich einigen konnte, dar-
gelegt; der 15. Artikel behandelte die Abendmahls-
lehre, wie weit man darin übereinstimmte, wie weit
man auseinanderging. Die Artikel wurden von den
zehn offiziellen Teihiehmern des Gespräches unter-
zeichnet und schon am 5. Oktober in einem Ein-
blattdruck veröffentlicht, dem bald weitere Drucke
folgten. Vgl. H. Heppe, Die fünfzehn Marburger
Artikel. 1854; WA 30 III, 92ff.; Bek. Schr., 51ff.;
Th. Kolde, RE 3 12, 248ff.;W. Köhler, Zwingli
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I. Landesherrliche Kirchenordnungen für die ganze Grafschaft
1. Ordenunge und articule, so wy, Enno, grave und herr to Oestfreeslandt etc., in
unsen landen allen predicanten und underdanen gebaden hebben, ernstlick toe hol-
den, seer nutliken to leesen.
Anno 1529 1.
Demnach und dewile sick vast ein lange tyt under
denn predicanten und anderen unsern underdanen
in saken des hilligen godtlicken woerdes twyspalt,
uneynicheyt, mißvorstant und misbruck begeven,
darum tovorne Gade, unsem heylande und salich-
maker, to sunderlingen lave, pryße und ehren, uns
und unsen underdanen to erholdinge frede und
eynicheyt, oeck unser und der unsen seelen salicheyt
voer nutte, heylsam und guedt bewogen, nömtlich,
soe wy eins geloven und religionn als Christen synn
und heten willen a, dat idt oeck billick und recht
were, dat heylsame, godtlicke wort, darut de recht-
a Am Rand: Rom. 10; Ioan. 4. 17; In Actis sepe.
1 Druckvorlage: Hs aus der Universitätsbibliothek
Bonn (S 336), die sog. „Penborgschen Kollektaneen“
(vgl. dazu Einleitung, oben S. 318), Schweinsleder-
einband, Folio, Bl. 29r—35r, 16. Jh. — Die zahlreichen
Marginalien der Druckvorlage sind aus prak-
tischen Gründen unter den Text verwiesen worden. -
Gröbere Abweichungen bei E. Meiners (vgl. dazu
Einleitung, oben aaO.) sind in den Fußnoten ver-
merkt. — Statt „1529“ stand in der Druckvorlage
ursprünglich „1533“, ist aber gestrichen und korri-
giert.
2 Im Abschied des Reichstags zu Speyer von 1529,
§ 1-10 (Koch-Senckenberg, Neue und vollstän-
digere Sammlung der Reichs-Abschiede. 1747,
2. Th., 293ff.) wurde im wesentlichen folgendes
festgesetzt: Bis zu einem geplanten Generalkonzil
innerhalb Deutschlands sollte alle weitere Neuerung
in der Religion verhütet werden. Die Lehre und die
Sekten, die sich gegen das Sakrament des wahren
Leibs und Bluts Jesu Christi richteten, sollte man
nicht gestatten, die Messe nicht abtun, an Orten, da
anders gelehrt wurde, wenigstens niemanden hin-
dern, die Messe zu hören. Die Wiedertäufer sollten
mit dem Tode bestraft, falls sie sich nicht bekehren
würden, anderenfalls u. U. begnadigt werden. Die
Kindertaufe wurde den Eltern zur Pfiicht gemacht.
Die Prediger sollten allein das Evangelium nach Aus-
legung der von der Kirche approbierten Schriften
predigen und lehren, vermeiden, etwas zu predigen,
schapene gelove entspringt, underscheidentlick pre-
diken laten, und soe voert, darut enerleye christlike
werke in unsem lande geholden und geleret weer-
den, to der behoeff wy desse navolgende ordeninge,
beide, denn predigern und tohoerern, to holden
ernstlick bevalen, voerbeholtlich doch, dat hyrdorch
des rikes ordenunge, so jungest to Spyr gemaket 2,
oeck ander der churfursten, fursten ordeninge,
welcke dem christliken geloven starken helpen, sun-
derlick oeck de articulen, so jungest to Marburgh
beslaten 3, nicht schoelen voerworpen edder vor-
nichtiget, besunder dusse unse ordenunge mit gen-
das den gemeinen Mann gegen die Obrigkeit auf-
bringen oder die Christen in Irrtum führen könnte,
und sich der Kontroversen enthalten. Bis zum Kon-
zil sollte auch nichts Neues gedruckt werden, vor
allem keine Schmähschriften. Kurfürsten, Fürsten,
Grafen und Stände versprachen, daß keiner den
anderen wegen des Glaubens vergewaltigen wolle
noch seiner Renten, Zinsen, Zehnten und Güter be-
rauben noch einer des anderen Untertanen des Glau-
bens wegen gegen seine Obrigkeit in Schutz und
Schirm nehmen usw. Akten zum Reichstag in:
Deutsche Reichstagsakten. Jg. Reihe VII, 1 u. 2.
1935 (J. Kühn). Vgl. B. Gebhardt, Handbuch
der deutschen Geschichte II 8. 1955, 79 f.
3 Die 15 Marburger Artikel wurden von Luther auf
Betreiben des Landgrafen von Hessen im Anschluß
an das im wesentlichen ergebnislos verlaufene Reli-
gionsgespräch vom 2.-3. Oktober 1529 zwischen
Luther und seinen Mitarbeitern auf der einen und
Zwingli und seinem Kreis auf der anderen Seite zu-
sammengestellt. In 14 Sätzen wurden die Lehr-
punkte, in denen man sich einigen konnte, dar-
gelegt; der 15. Artikel behandelte die Abendmahls-
lehre, wie weit man darin übereinstimmte, wie weit
man auseinanderging. Die Artikel wurden von den
zehn offiziellen Teihiehmern des Gespräches unter-
zeichnet und schon am 5. Oktober in einem Ein-
blattdruck veröffentlicht, dem bald weitere Drucke
folgten. Vgl. H. Heppe, Die fünfzehn Marburger
Artikel. 1854; WA 30 III, 92ff.; Bek. Schr., 51ff.;
Th. Kolde, RE 3 12, 248ff.;W. Köhler, Zwingli
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