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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0073
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Wie sehr die reformatorischen Gedanken jedoch auch in Hildesheim im Vordringen waren, zeigen
gerade die vielfältigen Kampfmaßnahmen ihrer Gegner. Gegen Ende des Jahres 1523 wurde ein gewisser
Hermann Rothmann ketzerischer Anschauungen beschuldigt und mußte schließlich die Stadt verschwö-
ren3. Ein Ratserlaß vom 6. April 15244 gebot, von „deme Martinschen handelen in den collatien edder
sust up der Straten dages edder nachtes nicht Singen edder seggen“. Am 8. 6. 1524 folgte auf Grund von
kaiserlichen und päpstlichen Verordnungen ein Ratserlaß ,,jegen de lichtvorigen erwossen Martynschen
sechten“, u. a. ein Bücherverbot5. Am 11. März 1525 wandten sich Rat und 24er, Ämter und Gilden und
Altermannen der Gemeinheit an das Domkapitel und schilderten ihm die Notwendigkeit des Kampfes
gegen die Ketzer. Eine besondere Gefahr stellten in den Augen ihrer Widersacher die lutherischen Schrif-
ten dar ; sie sollten am 16. März alle abgeliefert und verbrannt werden, danach eine Haussuchung und
Bestrafung erfolgen6. Ein Ausschuß von zwölf Personen, bestehend aus sechs Mitgliedern der Stadt-
regierung und sechs Domherren, wobei ein Gremium das andere wählte, sollte unter Vorsitz des Offizials
die ketzerischen Regungen in Hildesheim überwachen und Schuldige aus der Stadt vertreiben7. Unter
denen, die dann aus der Stadt gewiesen wurden, war der Rektor der Andreasschule Heinrich Knigge
sowie der Kanonikus der Hauptpfarrkirche Hermann Preen8.

Am 12. 1. 1526 kam ein neuer Erlaß heraus, wonach jeder, der in dem „Martinschen handel“
schuldig befunden würde, ausgewiesen werden Sollte. Bücher, Flugblätter, Briefe in dieser Angelegen-
heit mußte jeder dem Bürgermeister zur Verbrennung abliefern9.

Gefährlich waren auch die lutherischen Lieder, die schnell unter der Bevölkerung verbreitet waren
und auch den Einfachsten das reformatorische Gedankengut nahebrachten. Am 13. April 1528 erließ
der Rat einen Achtbefehl gegen diese „nygen sange‘‘10. Damals zog viel Volk unter Führung Meister
Ludolph Kerckmeyers nach der Sülte und sang vor den Toren die neuen „Leisen"11.

Eine neue, energische Verordnung gegen die reformatorischen Strömungen ging am 3. Juli 1528
aus12. Eine Martinische oder Lutherische Sekte wollte man in Hildesheim nicht dulden, sondern die
angeschlagenen kaiserlichen Mandate gehalten haben. Zuwiderhandlungen durch Gesänge, Worte oder
Werke sollten durch die Behörden an Leib und Gut gestraft werden13. Aber die reformatorische Bewegung
ließ sich nicht eindämmen.

daß Weihnachten Jahreswechsel war ; ebenso F.Arnecke, 173, Anm. 35: Jahresbeginn in Hildesheim nach stilus
Coloniensis am 25. Dezember.

3 Schreiben Rothmanns an den Rat, „datum Magdeburg, Donnerdages na Invocavit anno XXV.“ Stadt-A. Hildes-
heim, Akte 132/1; A. Bertram 11, 99; auch J. Gebauer 1, 297. ' ;

4 Urkundenbuch VIII, Nr. 706. Am 29.4.1524 heißt es: „„... dat eyn ider schal toseyn, wat he up malkem synge
efte segge unde sturen synem munde ...“; Urkundenbuch VIII, Nr. 707.

5 Urkundenbuch VIII, Nr. 710; A. Bertram II, 99f.; J. Gebauer I, 298; B. Meyer-Wilkens, 39. -

6 H. Brandis, aaO. 249; vgl. J. B. Lauenstein XI, 2,§ 3; H. A. Lüntzel, aaO. 11.

7 Vgl. A. Bertram II, 100f. (nach Cod. Bev. 369, Bl. 305). Zum Offizial vgl. oben S. 758. .

8 H. Brandis, aaO. 249; J.B. Lauenstein, aaO.; H. A. Lüntzel, aaO. 9; ausführlich darüber A.Bertram II,
101; vgl. auch J.Gebauer I, 300. ;

9 Urkundenbuch VIII, Nr. 7392 „... Unde isz forder beraden in stracken beszundernheit, dat nemant, dede in deme
Martinschen handel schuldich befunden unde sick nicht konden vorantworden, de sy we sy, in der stad Hildensem
in keynem wege geleden noch darinne to denende vorgunt noch gestaden schal werden, ock neyne boke, cedelen edder
breve, den benompten handel bedrepende, in oren gewarsam hebben edder holden, sunder wat der bii malkim sin,
ane vertoch in des e[rsamen ] borgermesters hende to bringen, de to vorbernen, unde we darboven mit sodenen [ = sol-
chen ] scriften befunden, densulvigen willen unse heren in sunderlike strafe nemen ...“. Vgl. auch A. Bertram
II, 101; J. Gebauer I, 301. k

10 Urkundenbuch VIII, Nr. 785. -

11 Vgl. H. A. Lüntzel, aaO. 12f.; K. Kayser, aaO. 9; A. Bertram II, 102f. (nach Stadt-A. Hildesheim, Akte
132/4), die Ostern als Datum nennen. J. Gebauer I, 302, gibt Pfingsten an. Ostern fiel auf den 12./13. April.

12 Urkundenbuch VIII, Nr. 789.

13 Vgl. J. Gebauer I, 302.

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