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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0124
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Kirchenordnung 1544

Darna schöllen de anderen yn twen choren singen
dat eine versch umme dat ander, dre psalmen van
der metten3 edder weiniger, wo de pastor solckes
tom besten ansüt, up dat me de kinder nicht mit
langem gesange beswere. Darna schöllen se singen
ein octonarium ut dem psalme Beati immaculati
etc. [— Ps 119]4. Darna aldererst Gloria Patri5 etc.
Wenn de psalm Beati immaculati ut ys, so mögen
se singen: Quicumque vult salvus esse6. Darna de
antiphen wedder anheven unde vullen utsingen.
Wenn dat geschen ys, so schal ein van den schöleren
yn de stede des capittels eine lection lesen ut dem
Nyen Testamente up latinisch unde also anheven:
Lectio sancti evangelii secundum N., capite N.,
unde de beslut der lection schal utgahn, alse me de
prophetien plecht to endigende7
Darna balde noch ein junge; darna kome de
drüdde junge, schal ock so lesen, överst seer kort,

3 Nach dem Rat Luthers wurden die Metten und
Vespern beibehalten; vgl. bes. Deutsche Messe 1526
(WA 19, 78ff.; Sehling I, 13f.). Zur Ausgestaltung
dieser Gottesdienste durch Bugenhagen s. H.
Goltzen, Leiturgia III, 200ff.; ebd. S. 201: ,,Als
Unterlage für die Auswahl und Weise der Gesänge
wird das römische Brevier vorausgesetzt." Die alte
Intention beim römischen Stundengebet war die
Erfassung der gesamten Heiligen Schrift, durch
Psalmengesang sowohl als durch Lesungen. Der
fortlaufende Gesang des Psalters fiel (unter Aus-
klammerung einiger Psalmen mit anderen Funk-
tionen) hauptsächlich der Matutin und der Vesper
zu (Tabelle für die Verteilung der Psalmen im Offi-
cium Romanum im 5. und 6. Jh. in Leiturgia III,
160). Die Mettenpsalmen sind (einige ausgenommen)
die Psalmen 1-108 (bzw. 109).
4 Ps 118 bzw. 119, eigentlich der Psalm der kleinen
Horen (Prim, Terz, Sext, Non), der in Strophen zu
je acht Versen eingeteilt wurde; vgl. Sehling VII,
1, 230 mit Anm. 10 (Lit.).
5 Zum Gloria Patri als Abschluß des antiphonischen
Psalmengesanges s. Sehling VII, 1, 231, Anm. 18.
6 Das Athanasianum (Bek. Schr., 28-30) fand seit der
Zeit Karls d. Gr. in der Prim gottesdienstliche Ver-
wendung (R. Stählin, EKL I, 234). Anscheinend
knüpft Bugenhagen an diesen alten Brauch an.
7 Ausgeführt in der Wolfenbüttler KO von 1543,
Sehling VI, 1, 50. Allgemein zu den Lektionstönen
vgl. O. Brodde, Leiturgia IV, 519ff.; B. Stäblein,
MGG VIII, 595 f.
8 = Reihen; vgl. Schiller und Lübben III, 447f.
9 Das Canticum des Zacharias (Luk 1,68-79) gehört
eigentlich zu den Laudes (vgl. auch Sehling VII, 1,
153). Luther stellt in der Deutschen Messe von 1526
für die Mette zur Auswahl, das der Matutin zuge-

kume twe edder dre rege8, wente de kinder schal me
nicht besweren, dat se tor hilgen schrift gewenen
mit speelgahnde unde mit luste. Darna schal de
veerde junge düdesch lesen, wat de anderen latinisch
hebben gesungen, doch beschedentlyck, alse me ein
evangelion vam predigestole lest; dat wert grote
frucht den kinderen bringen.
Na der lection schal me singen Benedictus9 mit
syner antiphen, doch dyt alle na gefallen des kerck-
heren; överst na solcken alle fallen de kinder up
öhre knee unde seggen Kyrieleison, Christeleison,
Kyrieleison10. Pater noster etc. Darna segge ein van
den kinderen: Ostende nobis Domine misericordiam
tuam. Dem antwordet de ganze chor: Et salutare
tuum da nobis11 Dominus vobiscum12, mit einer
collectenis13. Tom lesten singen de kinder: Bene-
dicamus Domino14.
So ock etlyke gefunden wörden, de sick willen be-
hörige Te Deum (vgl. Sehling VII, 1, 153, Anm. 36)
oder das Benedictus zu singen; vgl. WA 19, 79. Zur
Kombination von Matutin und Laudes bei Luther
s. H. Goltzen, Leiturgia III, 193. 195.
Dieses Kyrie ist der Rest eines längeren Fürbitten-
gebets in Litaneiform. Die Synode von Vaison
von 529, can. 3 (Mansi VIII, 727; O.J.v.Hefele,
Conciliengeschichte II2. 1873, 741), führte das Kyrie
in Messe, Morgengebet und Vesper ein (B.Stäblein,
MGG VII, 1932, empfiehlt eine vorsichtige Beur-
teilung der Stelle hinsichtlich der möglichen An-
nahme eines selbständigen Kyriegesanges; ,,Kyrie
eleison" und ,,litania" wurden oft synonym ge-
braucht). Die Reihenfolge Benedictus, Kyrie, Pater
noster findet sich schon in der Regel Benedikts für
die Laudes (Kap. 13). Vgl. H. Goltzen, Leiturgia
III, 259. 262.
11 Ps 85, 8.
12 = Salutatio sacerdotis entsprechend der jüdischen
Segensformel Ri 6, 12; Rth 2, 4; 2. Chr 15, 2;
Luk 1, 28; 2. Thess 3, 16. Zur Salutation vor der
Kollekte und ihrer responsorialen Ausgestaltung
s. K. Frör, Leiturgia II, 574ff.
13 = Oratio. Der Name Kollekte ist offenbar galli-
kanischen Ursprungs. Er wird im Mittelalter dahin
interpretiert, daß es sich in der Kollekte um eine
kurze Zusammenfassung vorangegangener Gebete
handele (vgl. z.B. Walafried Strabo, De rebus
ecclesiasticis 22; MSL 114, 945). Vgl. J.A.Jung-
mann, Missarum Sollemnia I. 1948, 445ff.; H. L.
Kulp, Leiturgia II, 382ff.
14 ,,Benedicamus Domino. Deo gratias" = Schluß des
Stundengebets. Zugrundegelegt ist auch hier das
römische Brevier, demzufolge das Benedicamus je-
weils gegen Schluß des Stundengebets gesungen
wird. Vgl. Sehling VII, 1, 153 mit Anm. 34 (Lit.).

7 Sehling, Niedersachsen 11/2

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