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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0190
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Schulordnung 1574/1618

im herzen, aber die rute der zucht wirt sie verne
von ihme treiben. Item c. 23, 13 [Spr 23, 13f.]: Laß
nicht abe, den knaben zu zuchtigen, den wo du ihne
mit der ruten heuest, so darf man ihne nicht töten,
du heuest ihn mit der ruten, aber so du ihne zuch-
tigest, sop errettestu seine sele von der hellen, solches
aber verstehet die jugent nicht, kan eß auch a
priori nicht dafur verstehen und erkennen, darumb,
weil sie den schulmeistern befohlen und zum besten
zu zihen untergeben wird, non tantum ipsorum
officii est ut suos discipulos bona doceant, sed etiam
mala doceant, welcheß beideß ohne ernstliche zucht
und erbare convers[at]ion2a mit den discipuln, auch
geburliche straffe nicht geschehen kan, zu diesem ge-
horen ruten, sagt Salomon, drumb sollen3in diesem
stucke die praeceptores ihreß ampts nicht vergessen
und sich wol erinnern, das ihnen bei ihrer introduc-
tion ruten und stocke vertrauwet und ubergeben
worden, derwegen sie alle nachlessigkeit, unfleiß,
untugent und bößheit mit gebuhrlichen ernst, aber
doch auch gebuhrlicher bescheidenheit straffen
sollen, darinnen gleichwol masse halten, sich den
zorn nicht uber und einnehmen lassen, den knaben
entweder zu fluchen oder sonsten im castigiren eini-
gen exes zu begehn. Man sol auchq billich die tar-
diora ingenia, damit sie nicht gar uberhumpelt wer-
den, und auch die delicta, wen sie nicht gar zu groß
sein, gar wol observiren u. in acht nehmen und auchr
die geringere mit einer geringen gesatzten mulcta,
welche in einen fiscum zu behuff der armen schuler
gesamlet und aufgehaben werden soll, belegen und

p 146/24: ,,so du ihne zuchtigest, so" fehlt.
q 146/24: + alhie
r 146/24: „auch" fehlt.
s 146/24: stuck bey reichen
t 146/24: und den
u 146/24: mit
v 146/24: die corycaei
w 146/24: sie sein klein oder groß, sich entweder
x 146/24: klipkruge
y 146/24: gassatim
2a Druckvorlage: conversion. - Korrigiert nach 146/24.
3 Druckvorlage: drumb sollen drumb sollen.
4 Vgl. K.F.W.Wander, Deutsches Sprichwörter-
Lexikon IV. 1876, 116. 4.
5 Ähnhche Sprichwörter bei K.F. W. Wander, Deut-
sches Sprichwörter-Lexikon III. 1873, 1522.
6 Ähnlich oben S. 914, Anm. 33.

ansehen und in diesem stucke beide, reichens und
armen, ohne ansehn der person gleichen scheffel,
wie man sacht, gehn lassen4,damit nicht mit den
armen, wie das alte sprichwort klaget, das recht ge-
strecket werde5, undent6 eltern ursache zu klagen
geben werde, oder die kinder gar auß der schulen
zu nehmen. Werden nun die praeceptores hierinnen
dieser ordnung und ihrem ampt wie billig nachsatzen,
wollen wier dieselb auch bei solcher schuldisciplin,
daran so mechtig viel gelegen, und druber sie ernst-
lich halten sollen, schutzen und vertretten.
Was sonsten das eseltragen7 oder das ein knabe
den andern, wen er ihn in certirn oder inu den lectio-
nibus uberwunden, zu disciplinirn pfleget, anlanget,
weil damit nur die edle zeit verspildet8 und zu viel-
feltigen incommoditeten anlaß und ursache geben
wirt, zu dem die ruten nicht den discipuln, sondern
den praeceptoren anbefohlen, soll hiemit genzlich
aufgehaben und verbotten, wie dan auch gleicher
gestalt coriigiretv9, weil unser schul officina pietatis
et virtutis ist, mit ernst abgeschaffet sein.
Diese schuldisciplin in besseren vigor und esse
zu erhalten, wil sichs mitnichten buren, das unsere
collegen mit den knaben, sie sein entweder klein
oder groß, sichw gar zu meine machen oder mit ihnen
zechen oder mit ihnen in die k[l]ipkrugex10 oder an-
dere gelage sich verfugen oder selbst in ihren heusern
zechen und gelage aufschlagen oder mit unsern
scholaren grassatimy gehn11und sie in ihrer bohsheit
sterken. Viel weiniger ist es zu verantworten, das
ein college dem andern die schuler wolte verhetzen,
7 Das Tragen der Eselsmaske in der Schule ist darge-
stellt in einem Holzschnitt in Rodericus Zamorensis,
Spiegel des menschlichen Lebens. Augsburg 1479.
Wiedergabe in: R. Bainton, Hier stehe ich, Das
Leben Martin Luthers (Übersetzt von H. Dörries).
Göttingen 1952, S. 16. Ebd. betr. Luthers Schulzeit:
„Der schlechteste Schüler erhielt mittags eine Esels-
maske, nach der er asinus hieß, und mußte sie
tragen, bis er einen andern über einem deutschen
Wort erwischte."
8 = vergeudet; vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch
XII, 1, 1425ff., bes. 1427.
9(schwer lesbaresWort).
10 = geringe Schenken; vgl. Grimm, Deutsches
Wörterbuch V, 1209.
11 = die Gassen auf- und abgehen, halblatinisierter
Ausdruck; vgl. Schiller und Lübben II, 141;
Lasch und Borchling II, 151.

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